Berliner Kurier 04.11.2018
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19<br />
Arbeiter und Soldaten<br />
verbrüdern sich und<br />
bilden Räte, die<br />
Kasernen, Staatsund<br />
Verwaltungsgebäude<br />
besetzen.<br />
Prinz Max<br />
vonBaden ist<br />
Reichskanzler<br />
einer Volksregierung<br />
vonKaisers<br />
Gnaden.<br />
einer Nationalversammlung.“<br />
Kupfergraben. SPD-Vorstandsmitglied<br />
Otto Wels<br />
spricht zu den Soldaten des<br />
Naumburger Jäger-Bataillons<br />
Nr. 4, des Kaiser Alexander<br />
Garde-Grenadier-Regiments<br />
Nr. 1und anderer Truppenteile.<br />
Wels sagt, das Volk habe der<br />
kaiserlichen Regierung den Gehorsam<br />
aufgesagt, um selbst<br />
den Krieg zu beenden. Und<br />
Der SPD-<br />
Vorsitzende<br />
Friedrich<br />
Ebertwird am<br />
9. November<br />
vomPrinzen<br />
zum Reichskanzler<br />
ernannt.<br />
fragt: „Wollt ihr nun mir uns,<br />
dem Volke, für den Frieden<br />
wirken oder wollt ihr euch für<br />
die Seite erklären, die all das<br />
Unheil über Deutschland gebracht<br />
hat?“ Er lässt Soldatenräte<br />
wählen.<br />
Stadtgebiet. Aufständische<br />
haben das Reichsmarineamt in<br />
der Kaiserin-Augusta-Straße<br />
(heute Reichpietschufer) und<br />
die Kommandantur am Platz<br />
vor dem Zeughaus besetzt; sie<br />
entwaffnen Offiziere, entfernen<br />
die kaiserlichen Kokarden<br />
und Schulterstücke und bilden<br />
Soldatenräte.<br />
Andere stürmen das Gefängnis<br />
Moabit und die Strafanstalt<br />
Tegel sowie die Kasematten in<br />
Spandau; sie befreien Häftlinge.<br />
Brandenburger Tor,<br />
13.15 Uhr. Immer mehr Menschen<br />
finden sich im Stadtzentrum<br />
ein: Arbeiter und Soldaten<br />
und Matrosen, Sympathisanten<br />
und Schaulustige.<br />
In der wogenden Menge steht<br />
auch die Künstlerin Käthe Kollwitz.<br />
Seit dem Soldatentod ihres<br />
Sohnes Peter im ersten<br />
Kriegsjahr ist sie Pazifistin und<br />
Sozialistin.<br />
„Aus dem Tor zog ein Demonstrationszug.<br />
Ich trat mit<br />
ein. Ein alter Invalide trat an<br />
den Zug und rief<br />
„Schamloser<br />
empörender<br />
Verrat!“<br />
,Ebert Reichskanzler!<br />
–weitersagen!‘“,<br />
schreibt<br />
sie in ihren Erinnerungen.<br />
Und:<br />
„Soldaten sah ich,<br />
die ihre Korkaden abrissen und<br />
lachend auf die Erde warfen. So<br />
ist es nun wirklich. Man erlebt<br />
es und fasst es gar nicht recht.“<br />
Spa, Villa La Fraineuse,<br />
13.30 Uhr. Die Abdankungserklärung<br />
des Kaisers als Kaiser,<br />
nicht als König, wird schriftlich<br />
fixiert.<br />
Berlin, Innenstadt. Aufständische<br />
haben das Regierungsviertel,<br />
das Gelände um den<br />
Reichstag und das Schloss besetzt.<br />
Spa, Villa La Fraineuse, gegen<br />
14 Uhr. Nachricht aus Berlin,<br />
erst via Telefon, dann als<br />
Funkspruch: Die Abdankung<br />
des Kaisers sei bereits verkündet<br />
und Ebert zum Reichskanzler<br />
ernannt.<br />
Wilhelm II. verliert die Contenance:<br />
„Verrat, schamloser<br />
empörender Verrat!“<br />
Berlin, Königsplatz, Reichstag,<br />
14 Uhr. Tausende Menschen<br />
stehen vor dem Hauptportal.<br />
Mehrere Aufständische<br />
dringen in den Speisesaal und<br />
drängen den dort sitzenden<br />
SPD-Mann Scheidemann zu einer<br />
Rede.<br />
Scheidemann<br />
ziert sich, gibt<br />
schließlich nach,<br />
tritt auf den Westbalkon<br />
des Gebäudes<br />
und erklärt:<br />
„Das deutsche Volk hat auf der<br />
ganzen Linie gesiegt. Das Alte,<br />
Morsche ist zusammengebrochen;<br />
der Militarismus ist erledigt!<br />
Die Hohenzollern haben<br />
abgedankt! Es lebe die deutsche<br />
Republik!“ Jubel brandet auf.<br />
Der SPD-Vorsitzende Ebert<br />
jubelt nicht, er ist „vor Zorn<br />
dunkelrot im Gesicht“, schreibt<br />
Scheidemann in seinen Erinnerungen.<br />
„Er schlug mit der<br />
Faust auf den Tisch und schrie<br />
mich an: Ist es wahr? Du hast<br />
kein Recht, die Republik auszurufen!“<br />
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