05.11.2018 Aufrufe

Berliner Kurier 04.11.2018

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

19<br />

Arbeiter und Soldaten<br />

verbrüdern sich und<br />

bilden Räte, die<br />

Kasernen, Staatsund<br />

Verwaltungsgebäude<br />

besetzen.<br />

Prinz Max<br />

vonBaden ist<br />

Reichskanzler<br />

einer Volksregierung<br />

vonKaisers<br />

Gnaden.<br />

einer Nationalversammlung.“<br />

Kupfergraben. SPD-Vorstandsmitglied<br />

Otto Wels<br />

spricht zu den Soldaten des<br />

Naumburger Jäger-Bataillons<br />

Nr. 4, des Kaiser Alexander<br />

Garde-Grenadier-Regiments<br />

Nr. 1und anderer Truppenteile.<br />

Wels sagt, das Volk habe der<br />

kaiserlichen Regierung den Gehorsam<br />

aufgesagt, um selbst<br />

den Krieg zu beenden. Und<br />

Der SPD-<br />

Vorsitzende<br />

Friedrich<br />

Ebertwird am<br />

9. November<br />

vomPrinzen<br />

zum Reichskanzler<br />

ernannt.<br />

fragt: „Wollt ihr nun mir uns,<br />

dem Volke, für den Frieden<br />

wirken oder wollt ihr euch für<br />

die Seite erklären, die all das<br />

Unheil über Deutschland gebracht<br />

hat?“ Er lässt Soldatenräte<br />

wählen.<br />

Stadtgebiet. Aufständische<br />

haben das Reichsmarineamt in<br />

der Kaiserin-Augusta-Straße<br />

(heute Reichpietschufer) und<br />

die Kommandantur am Platz<br />

vor dem Zeughaus besetzt; sie<br />

entwaffnen Offiziere, entfernen<br />

die kaiserlichen Kokarden<br />

und Schulterstücke und bilden<br />

Soldatenräte.<br />

Andere stürmen das Gefängnis<br />

Moabit und die Strafanstalt<br />

Tegel sowie die Kasematten in<br />

Spandau; sie befreien Häftlinge.<br />

Brandenburger Tor,<br />

13.15 Uhr. Immer mehr Menschen<br />

finden sich im Stadtzentrum<br />

ein: Arbeiter und Soldaten<br />

und Matrosen, Sympathisanten<br />

und Schaulustige.<br />

In der wogenden Menge steht<br />

auch die Künstlerin Käthe Kollwitz.<br />

Seit dem Soldatentod ihres<br />

Sohnes Peter im ersten<br />

Kriegsjahr ist sie Pazifistin und<br />

Sozialistin.<br />

„Aus dem Tor zog ein Demonstrationszug.<br />

Ich trat mit<br />

ein. Ein alter Invalide trat an<br />

den Zug und rief<br />

„Schamloser<br />

empörender<br />

Verrat!“<br />

,Ebert Reichskanzler!<br />

–weitersagen!‘“,<br />

schreibt<br />

sie in ihren Erinnerungen.<br />

Und:<br />

„Soldaten sah ich,<br />

die ihre Korkaden abrissen und<br />

lachend auf die Erde warfen. So<br />

ist es nun wirklich. Man erlebt<br />

es und fasst es gar nicht recht.“<br />

Spa, Villa La Fraineuse,<br />

13.30 Uhr. Die Abdankungserklärung<br />

des Kaisers als Kaiser,<br />

nicht als König, wird schriftlich<br />

fixiert.<br />

Berlin, Innenstadt. Aufständische<br />

haben das Regierungsviertel,<br />

das Gelände um den<br />

Reichstag und das Schloss besetzt.<br />

Spa, Villa La Fraineuse, gegen<br />

14 Uhr. Nachricht aus Berlin,<br />

erst via Telefon, dann als<br />

Funkspruch: Die Abdankung<br />

des Kaisers sei bereits verkündet<br />

und Ebert zum Reichskanzler<br />

ernannt.<br />

Wilhelm II. verliert die Contenance:<br />

„Verrat, schamloser<br />

empörender Verrat!“<br />

Berlin, Königsplatz, Reichstag,<br />

14 Uhr. Tausende Menschen<br />

stehen vor dem Hauptportal.<br />

Mehrere Aufständische<br />

dringen in den Speisesaal und<br />

drängen den dort sitzenden<br />

SPD-Mann Scheidemann zu einer<br />

Rede.<br />

Scheidemann<br />

ziert sich, gibt<br />

schließlich nach,<br />

tritt auf den Westbalkon<br />

des Gebäudes<br />

und erklärt:<br />

„Das deutsche Volk hat auf der<br />

ganzen Linie gesiegt. Das Alte,<br />

Morsche ist zusammengebrochen;<br />

der Militarismus ist erledigt!<br />

Die Hohenzollern haben<br />

abgedankt! Es lebe die deutsche<br />

Republik!“ Jubel brandet auf.<br />

Der SPD-Vorsitzende Ebert<br />

jubelt nicht, er ist „vor Zorn<br />

dunkelrot im Gesicht“, schreibt<br />

Scheidemann in seinen Erinnerungen.<br />

„Er schlug mit der<br />

Faust auf den Tisch und schrie<br />

mich an: Ist es wahr? Du hast<br />

kein Recht, die Republik auszurufen!“<br />

Bitte umblättern

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!