Berliner Kurier 04.11.2018
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Fotos: dpa (4), dpa picturealliance/ullstein bild (3), Imago/Arkivi, dpa picturealliance/akg (2), action press, Imago/United Archives (3), Friedrich/Interfoto (2)<br />
Berlin in Bewegung: Tausende<br />
Zivilisten, darunter auch Frauen,<br />
strömen an Universität und Neuer<br />
Wache Unter den Linden vorbei.<br />
gen (und unterzeichnet erst am<br />
28. November eine staatsrechtlich<br />
einwandfreie Abdankungsurkunde).<br />
Eine gute halbe Stunde erhält<br />
das Außenministerium in Berlin<br />
die telegrafische Mitteilung,<br />
Wilhelm II. betrachte sich ab<br />
sofort als Privatpersönlichkeit.<br />
Epilog<br />
Philipp<br />
Scheidemann<br />
(SPD)<br />
verkündet<br />
um 14 Uhr die<br />
„deutsche<br />
Republik“.<br />
lassung der bürgerlichen<br />
Staatssekretäre.<br />
Spa, Villa La Fraineuse,<br />
19 Uhr. Wilhelm II. empfängt<br />
Plessen, den Kommandanten<br />
des Hauptquartiers, und<br />
Hintze, den Vertreter des Außenministeriums.<br />
Beide beschwören<br />
Seine<br />
Majestät eindringlich,<br />
sich in<br />
die Niederlande<br />
zu begeben.<br />
Verhandlungen,<br />
Intrigenund ein<br />
schweres Erbe<br />
Berlin, Königsplatz,<br />
Reichstag, 21 Uhr. Der Vorstand<br />
der SPD lehnt die Bedingungen<br />
der USPD für eine Regierungsbeteiligung<br />
ab.<br />
Spa, Villa La Fraineuse,<br />
22 Uhr. Wilhelm II. beschließt,<br />
sich am nächsten Morgen mit<br />
dem Hofzug in die Niederlande<br />
zu begeben.<br />
„Ich habe heute einen furchtbaren<br />
inneren Kampf ausgekämpft,<br />
da ich mich dem Vorwurf<br />
der Feigheit aussetzen<br />
wollte und den etwas treu gebliebenen<br />
Teil meines Heeres<br />
verlassen wollte,<br />
sondern lieber mit<br />
ihm gemeinsam<br />
fechtend sterbend“,<br />
schreibt er<br />
noch in der Nacht.<br />
„Aber alle verantwortlichen<br />
militärischen Stellen,<br />
sogar der Generalstab als<br />
solcher, erklärten, kämpfen<br />
wolle die Truppe und könne sie<br />
physisch nicht mehr, weder gegen<br />
den Feind, aber auch nicht<br />
gegen das eigene Volk.“<br />
Karl Liebknecht<br />
(Spartakusgruppe)<br />
proklamiertum<br />
16 Uhr die „freie<br />
sozialistische<br />
Republik<br />
Deutschland“.<br />
Sonntag,<br />
10. November 1918<br />
Berlin, Königsplatz, Reichstag,<br />
Nacht. Die Revolutionären<br />
Obleute setzen bei einer Versammlung<br />
der Arbeiter- und<br />
Soldatenräte den Beschluss<br />
durch, am nächsten Vormittag<br />
in allen Fabriken und Truppenteilen<br />
Neuwahlen der Räte abzuhalten.<br />
Ihre Delegierten sollen<br />
noch am selben Tag im Circus<br />
Busch zusammentreten,<br />
um eine provisorische Regierung<br />
zu bilden, unter Ausschluss<br />
der SPD.<br />
Cläre Casper, die Revolutionäre<br />
Obfrau, ist am Ende ihrer<br />
Kräfte; sie fährt nach Hause,<br />
„todmüde, aber glücklich“.<br />
Otto Wels gelingt es mithilfe<br />
von SPD-Vertrauensleuten<br />
noch in der Nacht, die Räte so<br />
zu beeinflussen, dass schon am<br />
frühen Morgen feststeht, dass<br />
die Obleute keine Mehrheit finden<br />
werden.<br />
Dircksenstraße, Polizeipräsidium.<br />
Arbeiter, Soldaten und<br />
Matrosen halten Wache, bewaffnet<br />
mit Gewehren, Pistolen<br />
und Handgranaten. Ihre Parole<br />
lautet „Revolution!“ Sie hören<br />
hin und wieder Schüsse, aus<br />
der Ferne, aber auch dicht am<br />
Alexanderplatz.<br />
Der Tag der Revolution<br />
nimmt 15 Menschen das Leben.<br />
Eijsden (Niederlande), 6<br />
Uhr. Wilhelm II. trifft am<br />
Bahnhof ein. Ihm wird politisches<br />
Asyl gewährt. Er findet<br />
Zuflucht im Schloss Ameron-<br />
Die Vorstände von SPD und<br />
USPD einigen sich am Vormittag<br />
des 10. Novembers auf eine<br />
gemeinsame provisorische Regierung,<br />
den Rat der Volksbeauftragten.<br />
Die Vollversammlung<br />
der Arbeiter- und Soldatenräte,<br />
die ab dem späten<br />
Nachmittag im Circus Busch<br />
tagt, bestätigt den Rat.<br />
Mit Inkrafttreten des Waffenstillstandsabkommens<br />
von<br />
Compiègne einen Tag später<br />
endet der Erste Weltkrieg.<br />
Berlin kommt nicht zur Ruhe:<br />
Weihnachtsunruhen, Austritt<br />
der USPD aus dem Rat der<br />
Volksbeauftragten, Spartakusaufstand,<br />
Ermordung von Karl<br />
Liebknecht und Rosa Luxemburg,<br />
Märzunruhen...<br />
Die Republik von Weimar –<br />
die Verfassungsgebende Nationalversammlung<br />
tagte dort,<br />
weil die Lage in Berlin zu unsicher<br />
war –wurde nur 14 Jahre<br />
alt. Gründe dafür gibt es viele:<br />
„Dolchstoßlegende“ und „Diktatfrieden“<br />
von Versailles, Inflation<br />
und Weltwirtschaftskrise,<br />
Rückwärtsgewandtheit der<br />
Eliten, Parteiengezänk und<br />
nicht zuletzt das, was der Demokratie<br />
auch heute zu schaffen<br />
macht: Populismus.