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Fremdsein überwinden (2016)

Kongressband Dreiländerkongress 2016 in Bielefeld

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schen Reich gehörten, mit dem Anspruch integriert, sie für das römische<br />

Reich kultivieren. In seiner zehnten Rede fordert der römische Rhetoriker<br />

und Philosoph Themistios:<br />

„Wer die übermütigen Barbaren unnützerweise verfolgt, macht sich nur zum<br />

Herrscher der Römer. Wer aber ihrer Herr wurde und sie doch schont, weiß,<br />

daß er Herrscher aller Menschen ist, vor allem jener, die er bewahrt und<br />

gerettet hat, obwohl er sie völlig hatte vernichten können. Ich jedenfalls<br />

würde nicht sagen, der listige Agamemnon habe königlich gesprochen, als er<br />

den gegenüber dem Schutzflehenden weich gewordenen Bruder tadelt und<br />

den so unnatürlichen und widerwärtigen Wunsch äußert kein Troer möge<br />

entrinnen…“ Für Themistios wird es zu einer ethischen Pflicht, die Barbaren<br />

zu integrieren. Auch wenn wir hier einen grundlegenden Wandel im Vergleich<br />

zur griechischen Gesellschaft feststellen können, so war die geforderte<br />

Integration innerhalb der römischen Gesellschaft doch immer noch gebunden<br />

an die Unterwerfung zur römischen Kultur. Ansätze dieser Haltung<br />

finden wir durchaus in der Gegenwart wieder, in der Diskussion über die<br />

sog. „deutsche Leitkultur“, deren Vermittlung für die Integration vorausgesetzt<br />

wird und die eine unterschiedliche Wertigkeit der Kulturen impliziert.<br />

Neben dieser Erbschaft der negativen Botschaften gegenüber Fremden<br />

können wir auch auf eine Tradition der Offenheit und des interkulturellen<br />

Austausches blicken.<br />

Populistische Argumente der Gegenwart, mit denen wir uns immer wieder<br />

konfrontiert sehen, und denen zufolge ein Zusammenleben verschiedener<br />

Kulturen nicht möglich sei, ließen sich mit diesen Überlieferungen historisch<br />

widerlegen. Ein erster Hinweis darauf, dass dem Fremden durchaus positiv<br />

begegnet wurde, kann man in der Tradition des Pilgertums finden. Das Pilgerwesen<br />

lässt sich in fast allen Religionen und Kulturen beobachten, angefangen<br />

vom Orakel von Delphi über den Tempel Salomos in Jerusalem, die<br />

heiligen Stätten in Rom bis hin zur Haddsch nach Mekka. Der Begriff „Pilger“<br />

leitet sich vom lateinischen Wort „peregrinus“ ab und bedeutet u.a. „der<br />

Fremde“ oder „in der Fremde sein“. Im Christentum galt der Pilger als Sym-<br />

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