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Berliner Zeitung 30.01.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 25 · M ittwoch, 30. Januar 2019 – S eite 20 *<br />

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Sport<br />

Ein paar Ansagen durfte Jens Lehmann als Assistent von Manuel Baum bereits machen.<br />

IMAGO<br />

Papagei unter Tauben<br />

Obwohl sein erster Arbeitstag für große Aufregung in Augsburg sorgt, will sich Jens Lehmann als neuer Assistenztrainer im Hintergrund halten<br />

VonMaik Rosner,Augsburg<br />

Der erste Arbeitsnachweis<br />

Jens Lehmanns begann<br />

am Dienstag damit, gemeinsam<br />

mit Cheftrainer<br />

Manuel Baum auf den Platz zu schreiten.<br />

Zwei Stunden später verließ der<br />

neue Assistenztrainer des FC Augsburg<br />

den Rasen als einer der letzten.<br />

Baum und die meisten Spieler waren<br />

da schon längst in die Kabine zurückgekehrt.<br />

Ein paar Autogramme und<br />

ein freundliches Lächeln für einige<br />

Fotos mit den Fans noch, dann joggte<br />

Lehmann über den Parkplatz zu den<br />

Umkleiden in der Augsburger Arena.<br />

„Es hat Spaß gemacht“, sagte der 49-<br />

Jährige hinterher bei seiner offiziellen<br />

Vorstellung, als er zusammen mit<br />

Baum und Geschäftsführer Stefan<br />

Reuter auf dem Podium im Bauch des<br />

Stadions Platz genommen hatte. Am<br />

Montagabend hatte der Verein die<br />

verblüffende Personalie bekanntgegeben.<br />

Lehmanns Vertrag gilt zunächst<br />

bis zum Sommer 2020.<br />

Wasseine Tätigkeit angeht, war es<br />

ein eher unspektakulärer Dienstantritt<br />

des ehemaligen Nationalmannschaftstorwarts<br />

gewesen. Meist beobachtete<br />

Lehmann das Geschehen,<br />

plauschte mit Baum oder half beim<br />

Tragen eines Tors. Was ein Assistent<br />

eben so macht. Erst gegen Ende leitete<br />

er eine Übung, bei der dieVerteidiger<br />

Kevin Danso und Jan-Ingwer<br />

Callsen-Bracker die Spieleröffnung<br />

mit Diagonalbällen trainierten. Die<br />

Schulung der Defensive soll Lehmann<br />

auch künftig schwerpunktmäßig<br />

übernehmen. Zum Abschluss<br />

wies er die letzten verbliebenen<br />

Spieler zum Lattenschießen an.<br />

Für Augsburger Verhältnisse war<br />

Lehmanns erster Arbeitstag zum<br />

Medienspektakel geraten. DerMedienraum<br />

war voller als nach den Bundesligaspielen.<br />

Lehmanns Präsenz<br />

allein sorgte für den Auflauf, ganz so,<br />

als habe sich ein Papagei zwischen<br />

all den Tauben auf dem Augsburger<br />

Bahnhofsplatz niedergelassen. Beim<br />

FCA war es bisher sehr beschaulich<br />

zugegangen. Jedenfalls bis zu den<br />

jüngsten Turbulenzen um Caiuby<br />

(eigenmächtige Verlängerung seines<br />

Brasilien-Aufenthalts) und Martin<br />

Hinteregger (öffentliche Trainerkritik),<br />

die die Freistellung von Caiuby<br />

und Hintereggers mindestens vorläufige<br />

Suspendierung vom Teamtraining<br />

samt hohen Geldstrafen<br />

nach sich zogen. Beide dürfen sich<br />

nach neuen Klubs umschauen.<br />

Und nun also Lehmann, der in<br />

seiner Karriere sportlich und außersportlich<br />

durchaus für einige Aufregung<br />

gesorgt hat wie mit seinen Helikopterflügen<br />

von seinem Wohnort<br />

am Starnberger See zum Training<br />

nach Stuttgart. Auf derartige Extravaganzen<br />

will er nun verzichten. Seinen<br />

TV-Job als RTL-Experte möchte<br />

er aber fortführen.<br />

Wichtige Erfahrungen<br />

Lehmann will nicht den Eindruck erwecken,<br />

sich und seine neue Aufgabe<br />

zu wichtig zu nehmen. „Ich bin<br />

auch dankbar dafür, dass ich die<br />

Möglichkeit bekommen habe, hier<br />

mitzuarbeiten“, sagte er, „ich finde<br />

es mutig, dass man jemanden wie<br />

mich genommen hat, der zwar einen<br />

großen Namen hat, viel mehr aber<br />

auch nicht in Sachen Trainererfahrung.“<br />

Über diese verfüge Baum wesentlich<br />

mehr, und schon in seiner<br />

Zeit als Co-Trainer beim FC Arsenal<br />

unter Arsène Wenger in der Vorsaison<br />

habe für ihn immer im Mittelpunkt<br />

gestanden, „loyal zu sein“,<br />

sagte Lehmann. Ohnehin wolle er<br />

sich im Hintergrund halten. „Ich<br />

glaube, dass Trainer nicht zu viel reden<br />

sollten, Co-Trainer schon gar<br />

nicht“, befand er und wehrte mögliche<br />

Interviewanfragen umgehend<br />

ab.„Für mich ist das hier und heute<br />

der einzige Pressetermin, den ich<br />

wahrnehmen muss.“ Trotz seiner<br />

2013 in Wales erworbenen Fußballlehrer-Lizenz<br />

habe er keine Ambitionen,<br />

als Cheftrainer zu arbeiten.<br />

Den naheliegenden Gedanken,<br />

Lehmann auch für den Fall einer Beurlaubung<br />

Baums bei anhaltendem<br />

Misserfolg als möglichen Nachfolger<br />

verpflichtet zu haben, wies Reuter<br />

zurück. „Wir sind von Manuel absolut<br />

überzeugt“, sagte der Manager,<br />

der zwischen 1999 und 2003 zusammen<br />

mit Lehmann bei Borussia<br />

Dortmund gespielt hatte. Von Lehmann<br />

erhofft er sich vor allem, dass<br />

dieser seine „Siegermentalität“ und<br />

„Erfahrung“ weitergebe. Dessen<br />

große Karrieremit den weiteren Stationen<br />

FC Schalke, ACMailand, FC<br />

Arsenal und VfB Stuttgarterhöhe die<br />

Glaubwürdigkeit vor den Profis, befand<br />

Reuter. Essei ein „Riesenvorteil“,<br />

dass Lehmann alles in seiner<br />

Laufbahn erlebt habe.<br />

Ganz offenbar haben sie Bedarf<br />

gesehen, dass ein ehemaliger Profi<br />

Baum unterstützt, der als Torwartim<br />

Amateurbereich kickte. Die Rollen<br />

und Kompetenzen zwischen Baum<br />

und Lehmann sollen aber klar aufgeteilt<br />

sein. „Manuel trifft die Entscheidungen,<br />

aber es ist für ihn hilfreich,<br />

wenn wir ihm unsere Meinung sagen“,<br />

sagte Reuter. AmSonntag soll<br />

der FCA davon erstmals im Wettkampf<br />

profitieren. Im Heimspiel gegen<br />

den FSV Mainz 05.<br />

Die PS aufs Feld bringen<br />

Niklas Stark ist bei Hertha BSC zum Führungsspieler in der Abwehr gereift. Um sich den Traum von der Nationalelf zu erfüllen, muss er jetzt den nächsten Schritt gehen<br />

VonPatrick Berger<br />

Was wäre, wenn ..? Diese Frage<br />

hat sich jeder schon einmal gestellt.<br />

Auch Niklas Stark ist das im<br />

Laufe seiner noch jungen, aber doch<br />

erfolgreichen Laufbahn schon durch<br />

den Kopf gegangen. Starkist vonBeruf<br />

Fußballprofi, hat trotz seiner 23<br />

Jahreschon 110 Bundesligaspiele für<br />

Hertha BSC und den 1. FC Nürnberg<br />

auf dem Buckel. Er holte 2017 mit der<br />

U21-Nationalmannschaft in Polen<br />

den Europameister-Titel. Stark führt<br />

ein privilegiertes Leben, verdient in<br />

einem Jahr, was andere in40verdienen.<br />

Das weiß er. Eshätte aber auch<br />

alles ganz anders kommen können.<br />

Dasweiß er auch. Er sei schon dankbar,<br />

das alles so gelaufen ist. „Wenn<br />

ich nicht Fußballprofi geworden<br />

wäre“, sagt Stark und nippt im Anschluss<br />

des Trainings an einem frischen<br />

Espresso, „hätte ich wohl irgendetwas<br />

mit Autos gemacht.“<br />

Werauf Instagram die von Niklas<br />

Stark abonnierten Seiten durchgeht,<br />

merkt ziemlich schnell: Der Mann<br />

hat ein Faible für sehr schnelle Fahrzeuge.<br />

Dasmit den Autos ist so ein spezielles<br />

Ding bei den Starks. Essei so<br />

eine Familiensache, führt Stark aus,<br />

eine regelrechte Leidenschaft. Vater<br />

Wolfgang ist Abteilungsleiter eines<br />

Autohauses in Herzogenaurach. Der<br />

Opahat in einem Autohaus gearbeitet,<br />

der Onkel leitet eines. „Ich war<br />

also automatisch auf diesem Gebiet<br />

immer schon tief drin.“ Es sei aber<br />

schon ganz gut so,wie es gekommen<br />

ist, sagt Starkund lächelt.<br />

Rasante Karriere<br />

Mindestens genauso rasant wie ein<br />

Porsche oder ein Mercedes fährt,<br />

verlief in den vergangenen fünf Jahren<br />

die Karriere von Niklas Stark.<br />

2013 feierte er als 18-Jähriger sein<br />

Bundesligadebüt für Nürnberg–und<br />

das, obwohl er parallel dazu noch<br />

sein Abitur machte. Mittlerweile ist<br />

der U17-Europameister von 2014,<br />

der im gleichen Jahr die Fritz-Walter-<br />

Medaille in Gold als bester deutscher<br />

Nachwuchsspieler erhielt, schon fast<br />

Gegen Schalkemachte Niklas Starksein 100. Bundesligaspiel für Hertha.<br />

einzigen Verein – das erlebt man<br />

auch nicht oft. Es fühlt sich gut an.“<br />

2015 holten die Charlottenburger<br />

das 1,90 Meter große Abwehr-Talent<br />

für eine Ablöse von3Millionen Euro<br />

aus Nürnberg. Mittlerweile hat Stark<br />

laut Fußball-Internetportal transferein<br />

alter Hase im deutschen Oberhaus.Amvergangenen<br />

Wochenende<br />

hat Stark mit der Partie gegen<br />

Schalke sein 100. Bundesligaspiel für<br />

Hertha bestritten. Eine tolle Zahl sei<br />

das, die ihn natürlich mit großem<br />

Stolz erfülle.„100 Einsätze für einen<br />

JÜRGEN ENGLER<br />

markt.de einen Marktwert von 20<br />

Millionen Euro und ist damit der<br />

wertvollste Herthaner – noch vor<br />

Rechtsverteidiger Valentino Lazaro<br />

(17 Mio.), WM-Fahrer Marvin Plattenhardt<br />

(15) oder Liverpool-Leihgabe<br />

Marko Grujic (12). Es sei doch<br />

nur eine Zahl, wiegelt Stark ab. Eine<br />

lapidare Zahl. „Mein Vater zeigt mir<br />

das oft und sagt: ,Schau mal, was du<br />

wert bist, voll cool!‘ Aber das hat<br />

keine Auswirkungen auf mich.Wichtig<br />

ist, was ich auf dem Platz zeige.“<br />

Reif für die Nationalmannschaft?<br />

Und daüberzeugt Stark ganz gerne<br />

einmal durch sein starkes Stellungsspiel,<br />

sein großes Spielverständnis<br />

und seine Kompromisslosigkeit. Bei<br />

Hertha ist er auch deshalb zum Abwehrchef<br />

gereift. „Ich versuche jetzt,<br />

mehr und mehr Verantwortung zu<br />

übernehmen und mache das auch<br />

gerne.“ Auch wegen seiner geistigen<br />

Reife und seines großen Selbstvertrauens<br />

wurde Stark imSommer, als<br />

das DFB-Team bei der WM in Russland<br />

kläglich scheiterte, schon mit<br />

der Nationalmannschaft in Verbindung<br />

gebracht. Nicht nur deshalb erhöhte<br />

sein Trainer PalDardai zuletzt<br />

den Druck auf ihn: „Niklas hat jetzt<br />

das Alter und die Erfahrung, da bekommt<br />

er auch Druck von mir. Er<br />

darfkeine Fehler mehr machen.“<br />

Gegen Ende des vergangenen<br />

Jahres warf eine Fußprellung Stark<br />

zurück. Sieben Spiele musste der gebürtige<br />

Franke aussetzen. Kontakt zu<br />

Bundestrainer Joachim Löw gab es<br />

bislang nicht. „Ich bin da ganz entspannt<br />

und lasse alles auf mich zukommen.<br />

Im Fußball kann man ohnehin<br />

nicht viel planen. Aber klar:Irgendwann<br />

will ich auch mal in der<br />

Nationalmannschaft spielen. Das ist<br />

ein großer Wunsch.“<br />

Stark weiß, dass sich noch niemand<br />

durch reden in die Nationalelf<br />

gespielt hat. „Ich muss verletzungsfrei<br />

bleiben und wöchentlich meine<br />

Leistungen bei Hertha zeigen. Nurso<br />

kann ich mich anbieten.“ Am besten,<br />

er brächte seine PS schon am Sonnabend<br />

im Heimspiel gegen Wolfsburg(15.30<br />

Uhr) aufs Feld.

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