Berliner Zeitung 13.05.2019
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12 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 109 · M ontag, 13. Mai 2019<br />
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Berlin<br />
Herr Schmidt<br />
aus Hollywood<br />
fährt Trabi<br />
Schauspieler Will Smith<br />
präsentiert neuen Film<br />
VonAndreas Kurtz<br />
Wer am Sonnabendnachmittag<br />
in Mitte und Tiergarten<br />
dachte, nun wirklich ein Opfer besonders<br />
schräger Halluzinationen<br />
geworden zu sein, darf seine Eigendiagnose<br />
noch mal überdenken. Der<br />
Typauf dem Beifahrersitz des himmelblauen<br />
Trabant, der da durch die<br />
Innenstadt kurvte, war wirklich der<br />
Hollywoodstar, dem er so wahnsinnig<br />
ähnelte: Aus Will Smith wurde<br />
Willi Schmidt, der das früher mal in<br />
der östlichen Hälfte der Stadt dominierende<br />
Fahrzeug testete. Dabei<br />
filmte sich der Schauspieler selbst<br />
mit einer Kamera, die an einen Selfiestick<br />
montiertwar.<br />
Wasdarauf deutet, dass der Film<br />
bald auf seiner Facebook-Seite Will<br />
Smith’s Bucket List auftauchen wird.<br />
Er zeigt sich beim Schwimmen mit<br />
Haien und beim Fallschirmspringen<br />
–demnächst wohl auch im knatternden<br />
Kleinwagen, dem im Jubiläumsjahr<br />
30 JahreMauerfall wohl eine ostalgische<br />
Renaissance bevorsteht.<br />
Smith war mit seinem neuesten<br />
Film „Aladdin“ nach Berlin gekommen,<br />
den er bei einer Pressekonferenz<br />
im Ritz-Carlton und bei einem<br />
„Gala Screening“ – das Wort Premiere<br />
wurde aus irgendeinem<br />
Grund gemieden –imUCI Luxe nahe<br />
der East Side Galleryvorstellte.<br />
Im Realfilm-Remake des Disney-<br />
Animations-Welterfolges von 1992<br />
spielt er den Dschinni –den Geist,<br />
der in der Wunderlampe wohnt und<br />
ihrem Besitzer Wünsche erfüllt.<br />
Komponist Alen Menken schrieb für<br />
den Rapper-Lampengeist Will Smith<br />
den neuen Song „A new friend“.<br />
Als Smith die Dschinni-Rolle angeboten<br />
wurde, lagen bei ihm zu<br />
Hause noch zwei andere Drehbücher.<br />
Er fragte also seinen Sohn<br />
Jaden um Rat, welches Angebot er<br />
annehmen solle. Jaden zweifelten<br />
wegen der Frage amVerstand desVaters,<br />
denn für ihn war das absolut<br />
keine Frage. Der Papa kam dann<br />
noch rechtzeitig zur Vernunft und<br />
nahm die Rolle in der Aladdin-Verfilmung<br />
an, die am 23. Maiindie deutschen<br />
Kinos kommen wird. In der ist<br />
er die meiste Zeit blau –wörtlich gemeint,<br />
nicht im alkoholischen Sinn –<br />
und hat einen wahnsinnig muskulösen<br />
Oberkörper.<br />
Wie ein deutscher Bodybuilder<br />
Smith will sich im Nachhinein nicht<br />
mit fremden Federnschmücken und<br />
verweist darauf, dass die Muskeln<br />
wie fast alles an ihm im Film aus dem<br />
Computer kamen. Regisseur Guy<br />
Ritchie hatte eine schräge Vorgabe<br />
gemacht: Dschinni sollte einem<br />
deutschen Bodybuilder der Siebzigerjahreähneln.<br />
Mit seinen Kindern schaute<br />
Smith immer wieder Disney-Filme.<br />
Als Kind hat er „Dumbo“ gehasst.<br />
Weil er selbst wegen seiner abstehenden<br />
Ohren Dumbo genannt<br />
wurde.Zur Frage,oberesangesichts<br />
der Defizite in der amerikanischen<br />
Politik für vorstellbar hält, sich um<br />
das Präsidentenamt zu bemühen,<br />
sagt er:„Es ist wahrscheinlicher,dass<br />
ich mal Barack Obama spiele.“<br />
Will Smith mit Kamera und Regisseur<br />
Guy Ritchie bei der Premiere. CHRISTIAN SCHULZ<br />
2009<br />
44 466<br />
(80,0%)<br />
Mit der Gewalt steigt auch die Angst<br />
Fachtagung zum Thema Prävention spürt Ursachen von Kriminalität nach. Gefühlte Unsicherheit wächst<br />
VonPhilippe Debionne<br />
2010<br />
43 243<br />
(80,0%)<br />
Als Berlins Innensenator<br />
Andreas Geisel (SPD) und<br />
Polizeipräsidentin Barbara<br />
Slowik im Februar die Polizeiliche<br />
Kriminalstatistik für das Jahr<br />
2018 vorstellten, zeigte sich eine zunächst<br />
erfreuliche Entwicklung: weniger<br />
Straftaten, weniger Täter, eine<br />
gestiegene Aufklärungsquote. Berlin<br />
sei im Vergleich zum Vorjahr wieder<br />
ein Stück sicherer geworden, hieß es.<br />
Unddas stimmt auch –zumindest in<br />
Bezug auf die Zahl aller vonder Polizei<br />
erfassten Verbrechen, vom Diebstahl<br />
über Onlinebetrug bis hin zum<br />
Mord. Doch es gibt noch andere<br />
Zahlen –und die sind mehr als beunruhigend.<br />
Denn die Gewalt ist weiter<br />
gestiegen. Wieschon seit Jahren.<br />
Die registrierten Zahlen der Rohheitsdelikte<br />
wie Raubtaten (4 267),<br />
Körperverletzungen (43 340, davon<br />
gefährliche Körperverletzungen:<br />
10 813) sowie Sexualdelikte (4 181)<br />
sind leicht gestiegen. Auch die Angst<br />
der Menschen, Opfer einer Straftat<br />
mit Gewaltcharakter zu werden,<br />
nimmt zu. Zu Recht? Was bedeutet<br />
das für das Zusammenleben in unsererStadt?<br />
Undwie können Politik, Sicherheitsbehörden<br />
und Bürger dieser<br />
Entwicklung entgegensteuern?<br />
Mit diesen und vielen weiteren<br />
Fragen werden sich 600 Vortragende<br />
und Fachinstitutionen und mehr als<br />
3000 Teilnehmer aus den Bereichen<br />
Präventionspraxis,-politik und -wissenschaft<br />
beim 24. Deutschen Präventionstag<br />
(DPT)beschäftigen. Der<br />
DPT ist der weltweit größte Jahreskongress<br />
zur Kriminalprävention<br />
und findet am 20. und 21. Mai statt.<br />
Ziel in diesem Jahr sei „insbesondere,<br />
staatlich und nichtstaatlich<br />
Agierende in den Bereichen Kriminal-,<br />
Gewalt- und Extremismusprävention<br />
zusammenzubringen“, so<br />
der Geschäftsführer des Deutschen<br />
Präventionstages,Erich Marks.<br />
81 263 <strong>Berliner</strong> wurden Opfer<br />
Auch die Gewerkschaft der Polizei<br />
(GdP) nimmt an dem Kongress teil.<br />
Bereits im Vorfeld sagte GdP-Landeschef<br />
Norbert Cioma, in Berlin<br />
herrsche zwar „kein Sodom und Gomorrha,<br />
aber hinter allen Straftaten<br />
stehen eben nicht nur Straftäter,<br />
sondern auch Menschen, die bestohlen,<br />
verletzt oder gar getötet<br />
werden“.<br />
81 263 <strong>Berliner</strong> wurden nach Angaben<br />
der Polizei Opfer von Straftaten<br />
gegen die Freiheit und körperliche<br />
Unversehrtheit. Prohunderttausend<br />
Einwohner gerechnet sind das<br />
2182 Geschädigte –mehr als noch<br />
im Vorjahr. Gleichzeitig steigt die<br />
Angst der Menschen, Opfer einer<br />
solchen Straftat zu werden. Unddas<br />
zeigt sich auch daran, dass sich immer<br />
mehr <strong>Berliner</strong> bewaffnen. Vom<br />
2011<br />
41 771<br />
(80,5%)<br />
2012<br />
Körperverletzung inBerlin<br />
Zahl der Fälle, in Klammern Aufklärungsquote<br />
42 483<br />
(80,4%)<br />
2013<br />
41 795<br />
(81,3%)<br />
Jahr 2014 bis Ende Oktober 2018 hat<br />
sich die Zahl der beantragten Kleinen<br />
Waffenscheine von knapp 9000<br />
auf fast 19 000 mehr als verdoppelt.<br />
Die Polizei sieht diese Entwicklung<br />
mit Sorgeund rät Bürgerndringend<br />
davon ab, sich zu bewaffnen.<br />
„Auch zuVerteidigungszwecken sollten<br />
Waffen wie Messer, Pfefferspray<br />
und Schreckschusswaffen nicht mitgeführtwerden“,<br />
heißt es in einer offiziellen<br />
Mitteilung.<br />
DIE SERIE<br />
Demnach könnten Waffen zur<br />
Gewalteskalation führen, die eigene<br />
Risikobereitschaft erhöhen und es<br />
für Helfer und die Polizei erschweren,<br />
zu erkennen, werTäter und wer<br />
Opfer sei.<br />
Zudem böten Waffen ein trügerisches<br />
Sicherheitsgefühl, was dazu<br />
führen könne, dass andere, möglicherweise<br />
sogar deeskalierende Verhaltensmöglichkeiten<br />
vernachlässigt<br />
werden. Mit anderen Worten:<br />
Werein Messer zieht, weil er sich bedroht<br />
fühlt, provoziert womöglich<br />
eine lebensgefährliche Situation, die<br />
ohne das Messer erst gar nicht entstanden<br />
wäre.<br />
„Das Sicherheitsgefühl entspricht<br />
häufig nicht der tatsächlichen Sicherheitslage,<br />
sondern geht meist<br />
von einer größeren Gefahr aus, Opfer<br />
zu werden, als es tatsächlich der<br />
Fall ist“, heißt es in einer Studie der<br />
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung<br />
und Umwelt. Demnach gibt es<br />
einen deutlichen Unterschied zwischen<br />
subjektiver und objektiver Sicherheit.<br />
Das Sicherheitsgefühl der Menschen<br />
und die individuellen Anforderungen<br />
an Sicherheit seien je nach<br />
Alter, Geschlecht, kulturellem Hintergrund,<br />
persönlicher Konstitution<br />
und Erfahrung zwar unterschiedlich<br />
ausgeprägt. Grundsätzlich jedoch<br />
würden Kriminalitätsängste nicht<br />
unbedingt die tatsächlichen Gefahrenwiderspiegeln.<br />
DasProblem sieht auch die <strong>Berliner</strong><br />
Polizei. Im kommenden Jahr soll<br />
erstmals eine sogenannte Dunkelfeldstudie<br />
unter Führung des Bundeskriminalamtes<br />
belastbareZahlen<br />
liefern. An der Studie sei auch die<br />
Humboldt-Universität (HU) beteiligt,<br />
sagte Berlins Polizeipräsidentin<br />
BarbaraSlowik Mitte MärzimInnenausschuss<br />
des Abgeordnetenhauses.<br />
Der Deutsche Präventionstag (DPT) findet am 20. und 21. Mai im Estrel Congress Center<br />
statt. Mit 3000 Teilnehmernist es weltweit der größte Jahreskongress zur Kriminalprävention.<br />
Ausdiesem Grund beschäftigen wir uns diese Woche mit Fragen rund um diese Problematik.<br />
Gewalt und die gefühlte Sicherheit sind die Themen am heutigen Montag.<br />
Wohnungseinbrüche und Schutz vor Einbrechern stehen am Dienstag im Zentrum.<br />
Mit Drogen und der Cannabislegalisierung beschäftigen wir uns am Mittwoch.<br />
Gewalt auf dem Schulhof ist am Donnerstag der Schwerpunkt unserer Serie.<br />
Der Extremismus wird am Freitag behandelt.<br />
2014<br />
40 736<br />
(81,9%)<br />
Mit Zivilcourage schließen wir am Sonnabend unsere Serie ab.<br />
2015<br />
40 675<br />
(81,3%)<br />
2016<br />
42 847<br />
(81,8%)<br />
2017<br />
42 742<br />
(81,1%)<br />
2018<br />
43 340<br />
(81,0%)<br />
BLZ/GALANTY; QUELLE: BKA<br />
Für die Erhebung sollen zufällig ausgewählte<br />
<strong>Berliner</strong> zum Thema Kriminalität<br />
befragt werden. Nach Angaben<br />
des Bundeskriminalamtes<br />
wirdesumihreErfahrungen als Opfer<br />
oder Täter vonStraftaten gehen –<br />
sofern sie solche gemacht haben.<br />
Ohne diese Zusatzinformationen<br />
aus der Dunkelfelduntersuchung<br />
bliebe nach Ansicht des BKA weiterhin<br />
ungewiss,obdie Zahlen der amtlichen<br />
Kriminalstatistik tatsächlich<br />
die Entwicklung der Kriminalitätswirklichkeit<br />
widerspiegeln.<br />
Unabhängig von statistischen<br />
Fragen, von der Kluft zwischen subjektivem<br />
und objektiven Sicherheitsgefühl<br />
und dem tatsächlichen Risiko,<br />
in Berlin Opfer einer Gewalttat zu<br />
werden, zeigen Untersuchungen<br />
dennoch, dass dieses Risiko in Ballungszentren<br />
und Großstädten<br />
grundsätzlich größer ist als in dünn<br />
besiedelten und ländlichen Regionen.<br />
Aus diesem Grund beschäftigt<br />
sich die Senatsverwaltung auch mit<br />
der sogenannten städtebaulichen<br />
Kriminalprävention. In diesem Zusammenhang<br />
biete die Polizei kostenlose<br />
Beratungen für alle an, „die<br />
planen, bauen, entscheiden und<br />
raum- und baubezogene Konzepte<br />
entwickeln“, so die Senatsverwaltung<br />
für Stadtentwicklung.<br />
Dabei werde zunächst die „den<br />
jeweiligen Ort und sein Umfeld betreffende<br />
Kriminalitätslage betrachtet“<br />
und unter anderem darauf geachtet,<br />
ob es Auffälligkeiten wie eine<br />
Häufung bestimmter Delikte gebe.<br />
Auf der Grundlage von Ortsbegehungen<br />
und Fotodokumentationen<br />
werde dann eine Analyse der „vorhandenen<br />
räumlichen Strukturen<br />
und Gestaltungselemente in Bezug<br />
auf Sicherheitsaspekte erstellt“. Zudem<br />
werde untersucht, „ob sich die<br />
erfassten Straftaten mit den konkreten<br />
räumlichen Gegebenheiten in<br />
Verbindung bringen lassen“. Abschließend<br />
werde ein „ortsbezogenes<br />
kriminalpräventives Maßnahmenkonzept“<br />
entwickelt „und mit<br />
den Entscheidungsträgern abgestimmt“.<br />
In diesem Zusammenhang wird<br />
in Berlin auch immer wieder über<br />
eine mögliche Ausweitung der Videoüberwachung<br />
diskutiert. Vertreter<br />
von Polizei und Politik fordern<br />
deren Ausweitung, Datenschützer<br />
und andere Gegner kritisieren Kameras<br />
als weitgehend wirkungslos<br />
und unverhältnismäßig. Eine große<br />
Mehrheit von83Prozent der <strong>Berliner</strong><br />
hält Kameras auf zentralen Plätzen,<br />
in Bahnhöfen, Stadien oder in U-<br />
und S-Bahnen hingegen für richtig.<br />
Nur 13Prozent der im Auftrag der<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> von dem Meinungsforschungsinstitut<br />
Forsa Befragten<br />
sind der Meinung, dass diese<br />
Art der Überwachung zu sehr in die<br />
Privatsphäre des Einzelnen eingreife.<br />
Mehrheit für Videoüberwachung<br />
Ebenfalls eine große Mehrheit, 73<br />
Prozent, ist der Meinung, dass dieVideoüberwachung<br />
im öffentlichen<br />
Raum künftig weiter ausgebaut werden<br />
sollte. Benjamin Jendro, Sprecher<br />
der <strong>Berliner</strong> Polizeigewerkschaft<br />
GdP,sagte dieser <strong>Zeitung</strong> nach<br />
Bekanntwerden der Umfrageergebnisse,<br />
Videoaufnahmen seien zwar<br />
definitiv hilfreich bei der Ermittlung<br />
nach Verbrechen und der Fahndung<br />
nach Straftätern. Ob sie allerdings<br />
auch präventiv wirken könnten, sei<br />
nur schwer zu messen. „Lieber als<br />
jede Kamera wäre mir ein zusätzlicher<br />
Kollege.“<br />
Um die Gewalt in der Öffentlichkeit<br />
einzudämmen und die Bürger<br />
besser zu schützen, ist auch nach<br />
Ansicht des GdP-Landesvorsitzenden<br />
Norbert Cioma vor allem mehr<br />
Personal notwendig. „Keinem Opfer<br />
hilft es weiter,wenn die Zahlen generell<br />
nach unten gehen“, sagt der Landeschef.<br />
„Wir müssen der wachsenden<br />
Stadt gerecht werden und die<br />
Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit<br />
mittels einer sauberen Aufgabenkritik<br />
und zusätzlichen Stellen sinnvoll<br />
steigern.“ Seine Lösung ist einfach:<br />
„Eine Vielzahl vonTäternwürde weder<br />
klauen noch zuschlagen, wenn<br />
ein Polizeibeamter dahinter steht.“<br />
Mietendeckel<br />
soll noch 2019<br />
kommen<br />
Linke bekräftigt Willen zur<br />
Enteignung auf Parteitag<br />
VonAnnika Leister<br />
Die <strong>Berliner</strong> Linke und die Volksinitiative<br />
„Deutsche Wohnen<br />
und Co. enteignen“ haben auf dem<br />
Landesparteitag am Samstag bekräftigt,<br />
wie ernst sie es mit dem Vorhaben<br />
meinen, Unternehmen mit<br />
mehr als 3000 Wohnungen in Berlin<br />
zu vergesellschaften.<br />
Die185 Delegierten im Adlershofer<br />
Bunsensaal einigten sich mit großer<br />
Mehrheit auf einen Leitantrag<br />
des Landesvorstands,der sechs Säulen<br />
festlegt, mit denen die Linke gegen<br />
die Mietpreisspirale kämpfen<br />
will. Neben bereits bekannten Maßnahmen<br />
wie dem Ausbau von Milieuschutzgebieten<br />
und der Einführung<br />
eines Mietendeckels ist eine<br />
dieser Säulen die Unterstützung für<br />
die Volksinitiative „Deutsche Wohnen<br />
und Co.enteignen“. „Die Vergesellschaftung<br />
vonWohnungsbeständen<br />
ist einer von vielen Bausteinen<br />
in einer linken Wohnungs- und Mietenpolitik“,<br />
heißt es in dem Antrag.<br />
„Die Wohnungsfrage ist die zentrale<br />
soziale Frage dieser Zeit“, sagte<br />
Linken-Landesvorsitzende Katina<br />
Schubert. „Aber wie wir sie angehen<br />
ist hochumstritten.“ Endlich werde<br />
darüber bundesweit diskutiert. Zu<br />
verdanken sei das nicht zuletzt der in<br />
Berlin angestoßenen Enteignungs-<br />
Debatte.Von in Umfragen sinkenden<br />
Zustimmungswerten der <strong>Berliner</strong><br />
lässt Schubert sich nicht entmutigen,<br />
sondern führt sie auf „Propagandainitiativen<br />
der vereinigten Immobilien-Lobby“<br />
zurück. Dass dennoch<br />
eine „große Zahl“ der Bürger<br />
hinter der Forderung stehe, zeige,<br />
dass die <strong>Berliner</strong> Linke auf dem richtigen<br />
Wegsei, so die Landeschefin.<br />
Einer Forsa-Umfrage im Auftrag<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> zufolge hielten<br />
Mitte April nur noch 35 Prozent der<br />
<strong>Berliner</strong> die Enteignung von Immobilienkonzernen<br />
für „grundsätzlich<br />
sinnvoll“. Im Februar waren noch 39<br />
Prozent dafür,imJanuar 44 Prozent.<br />
Linken-Bundesvorsitzende Katja<br />
Kipping lobte in ihrer Rede die Arbeit<br />
der Landespartei als Vorbild für eine<br />
mögliche Koalition zwischen Linke,<br />
SPD und Grüne im Bund. Die Enteignungs-Debatte<br />
tauge als „Treibstoff<br />
für eine Radikalisierung nach links“,<br />
so Kipping, und müsse auch in anderen<br />
deutschen und europäischen<br />
Städten geführtwerden.<br />
Als Gastredner war auch Ralf<br />
Hoffrogge von „Deutsche Wohnen<br />
und Co. enteignen“ geladen. Er<br />
machte deutlich, dass es sich bei der<br />
Initiativekeineswegs um reine Theoriehandle,wie<br />
vonvielen behauptet.<br />
„Wir meinen das ernst, wir wollen<br />
enteignen“, so Hoffrogge.„Wirreden<br />
über das ,Wie’ einer Vergesellschaftung,<br />
nicht über das ,Ob’.“<br />
Die linke Bausenatorin Katrin<br />
Lompscher kündigte am Rande des<br />
Parteitags an, dass sie Eckpunkte für<br />
einen Mietendeckel im Juni in den<br />
Senat einbringen will. Das neue Instrument<br />
soll Mieten einfrieren. Die<br />
Idee kommt aus der SPD und war<br />
rechtlich lange umstritten. Jetzt<br />
stehe die landesrechtliche Kompetenz<br />
fest, so Lompscher.Noch in diesem<br />
Jahr solle ein Gesetz verabschiedet<br />
werden.<br />
Landeschefin Katina Schubert(l.) und<br />
Bundesvorsitzende Kipping DPA/CARSTENS