Berliner Zeitung 13.05.2019
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22 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 109 · M ontag, 13. Mai 2019<br />
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Feuilleton<br />
Die Models tragen Zipfelmütze,<br />
Badeanzug oder<br />
High Heels und scheinen<br />
geradewegs aus den Bildernherauszutreten.<br />
DieBubi-Kopffrisur<br />
des Models, mit der auch das<br />
Plakat für die Ausstellung „The Black<br />
Image Cooperation“ im Martin-Gropius-Bau<br />
wirbt, weist zurück in eine<br />
andere Zeit und spielt doch auf eine<br />
der brennendsten Fragen unserer<br />
Gegenwart an: Wie halten wir es<br />
heute mit der ethnischen und kulturellen<br />
Identität?<br />
In seiner Ausstellung „The Black<br />
Image Corporation“ möchte der als<br />
Bildhauer und Städteplaner ausgebildete<br />
Chicagoer Künstler Theaster<br />
Gates ein lange unterschlagenes Bild<br />
afroamerikanischer Identität bekannt<br />
machen. Er zeigt Bilder aus<br />
dem visuellen Lexikon der USA, Bilder,<br />
„die außerhalb meiner Kultur<br />
selten zu sehen sind“.<br />
Wiebereits in seiner Schau „Black<br />
Madonna“ im Kunstmuseum Basel<br />
sind auch diesmal Fotos afroamerikanischer<br />
Frauen aus den Archiven<br />
der Zeitschriften „Ebony“ und „Jet“<br />
zu sehen, die in der Johnson Publishing<br />
Company erschienen sind und<br />
in den 50er- und 60er-Jahren eine<br />
selbstbewusste schwarze Kultur<br />
sichtbar machten, lange bevor die<br />
großen, sich an weiße Mittelschichtsfrauen<br />
richtenden Magazine<br />
wie Vogue ebenfalls mit afroamerikanischen<br />
Models arbeiteten.<br />
Die Ausstellung im Martin-Gropius-<br />
BaupräsentiertindreiRäumen zehn<br />
großformatige Abzüge von Moneta<br />
Sleet Jr. und Isaac Sutton sowie 112<br />
Fotos in vier Kabinetten. „In ihren<br />
Fotografien erschaffen sie ikonische<br />
weibliche Momente und geben zudem<br />
kleine Einblicke in das alltägliche<br />
Leben der Menschen“, sagt Gates<br />
über die Schau, die zuvor in der<br />
Fondazione Prada in Mailand Station<br />
gemacht hatte.Dortist auch die<br />
opulente Fotokartenboxzur Ausstellung<br />
samt einem Interview von Gates<br />
mit der Erbin der Johnson Publishing<br />
Company erschienen. Darin<br />
wird noch einmal die kulturhistorische<br />
Bedeutung der Zeitschriften<br />
markiert, die lange vor einer gesellschaftstheoretischen<br />
Durchdringung,<br />
die schließlich in die amerikanische<br />
Bürgerrechtsbewegung mündete,<br />
das Selbstbild einer weithin<br />
ausgeblendeten Lebenswirklichkeit<br />
vermittelten.<br />
EinGrund zum Schwelgen ist das<br />
leider nicht, erst vor wenigen Wochen<br />
musste das Verlagshaus Insolvenz<br />
anmelden. Gates, der wie die<br />
Künstlerkolleginnen Lorna Simpson<br />
und Ellen Gallagher intensiv mit<br />
Johnson zusammengearbeitet hatte,<br />
sieht in den Fotos einen Inbegriff von<br />
Blackness: „Die Archiveversammeln<br />
Schönheit und Black Female Power“.<br />
Als reflexiven Einspruch zu den<br />
Selbstdarstellungen schwarzer<br />
Frauen, die Gates archiviert und in<br />
seinen Ausstellungen auch zelebriert<br />
Die Schönheit der Identität<br />
Die Geschichte und Gegenwart afroamerikanischer Kunst in drei <strong>Berliner</strong> Ausstellungen<br />
VonChristian Broecking<br />
Die Aufnahme des Modefotografen Moneta Sleet Jr.entstand 1973. BERLINER FESTSPIELE/JOHNSON PUBLISHING COMPANY (3)<br />
hat, kann man die Lebensgeschichte<br />
der Konzeptkünstlerin Adrian Piper<br />
lesen. Ihr Name klingt männlich, ihren<br />
Hautton beschreibt sie als blass,<br />
die afrikanische Herkunft verortet<br />
sie im einstelligen Prozentbereich.<br />
Adrian Piper lebt seit 2005 in Berlin<br />
und hat in ihrem Weddinger Exil die<br />
Adrian Piper Research ArchiveFoundation<br />
Berlin etabliert. In die USA ist<br />
sie seither nicht mehr zurückgekehrt.<br />
Nicht einmal zu der ihr gewidmeten<br />
Retrospektive imNew Yorker<br />
Museum of ModernArt (MoMA). Die<br />
Schau von 2018 war die bis dahin<br />
größte Ausstellung über eine zeitge- Alltag und Inszenierung Zwei Arbeiten von Isaac Sutton<br />
nössische Künstlerin, die das MoMA<br />
jemals gezeigt hat.<br />
Als sei es ein symbolischer Akt,<br />
veröffentliche Piper damals ihre Autobiografie<br />
auf Amerikanisch und<br />
Deutsch. Die auch als Philosophin<br />
hervorgetretene Piper beschreibt<br />
darin ihren Umzug nach Berlin als<br />
lebensrettende Flucht vor einem<br />
wieder anwachsenden amerikanischen<br />
Rassismus.<br />
Im MoMA befand sich auch die<br />
Rauminstallation „The Humming<br />
Room“. Ein weiß getünchter Raum,<br />
den jeder passieren muss, der die<br />
Ausstellung mit Werken der Künstler<br />
Piper, Ray Johnson und JR im Salon<br />
Berlin des Museum Frieder Burda<br />
sehen will. Durch einen Schriftzug<br />
über dem Eingang werden die Besucher<br />
aufgefordert, eine beliebige Melodie<br />
zu summen. Die Kunstkonsumenten<br />
sollen selbst zu Performern<br />
werden und zu Pipers Vorstellungen<br />
einer partizipativen Kunst beitragen.<br />
„The Humming Room“ entstand<br />
2012 in Berlin –das Jahr, indem die<br />
heute 70-jährige Künstlerin mit dem<br />
Schriftzug „The Artist Formerly<br />
Known as African-American“ gewissermaßen<br />
ihren Ausstand aus dem<br />
Schwarzsein erklärte. InBerlin habe<br />
sie sich auch körperlich vom amerikanischen<br />
Rassismus erholt,<br />
schreibt sie, hier sei sie wieder gesund<br />
geworden.<br />
Zu der Schau im Gropius-Bau<br />
und den Arbeiten Adrian Pipers<br />
passt eine weitere derzeit in Berlin<br />
gezeigte Schau mit Werken von<br />
Adam Pendleton. Der 35-Jährige ist<br />
einer der großen neuen Stars der<br />
afroamerikanischen Szene. Einige<br />
neue Arbeiten,<br />
die jetzt unter<br />
dem Titel „Who<br />
We Are“ in beiden<br />
Dependancen<br />
der Galerie<br />
Max Hetzler<br />
gezeigt werden,<br />
sind dem afroamerikanischen<br />
Komponisten,<br />
Die Künstlerin<br />
Adrian Piper<br />
Musiker und<br />
Performer Julius Eastman (1940-<br />
1990) gewidmet. 1979 entstanden<br />
Eastmans zuletzt auch im Rahmen<br />
des Festivals MaerzMusik aufgeführten<br />
Klavierquartette „Evil Nigger“,<br />
„Gay Guerrilla“ und „Crazy Nigger“ –<br />
die Auseinandersetzung mit Blackness<br />
und Homosexualität zählen zu<br />
den Hauptthemen von Eastmans<br />
Minimal Music.Penletons Video mit<br />
dem Titel „Ishmael in the Garden: A<br />
Portrait of Ishmael Houston-Jones“,<br />
das er mit dem Choreografen und<br />
Tänzer Ishmael Houston-Jones in<br />
NewYorkerarbeitet hat, ist dabei von<br />
besonderer Intensität und Zärtlichkeit<br />
geprägt, unterlegt mit Musik von<br />
Chris Cochrane und dem Avantgarde-Album<br />
„Hallelujah, Anyway“<br />
(Tzadik).Wiebei Piper und Gates liegen<br />
das Politische und Persönliche<br />
auch bei Pendleton nah beieinander,<br />
in seinen neuen „Black Dada“- Werken<br />
visualisiert Pendleton zudem<br />
mit schwarzer Siebdruck- oder<br />
Sprühfarbe auf Leinwand und Papier<br />
ein gemeinsames Motto:Vonder Zukunft<br />
sprechen, indem man die Vergangenheit<br />
reflektiert.<br />
TheBlack ImageCooperation. Teaster Gates<br />
bis zum 28. JuliimMartin-Gropius-Bau<br />
AdrianPiper im Museum Frieder Burda, Salon<br />
Berlin, Auguststraße 11 –13<br />
Adam Pendleton Galerie Max Hetzler,Bleibtreustraße45<br />
DPA<br />
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