Beschaffung aktuell 10.2019
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FERTIGUNG<br />
Klaus-Dieter Schmidt ist seit 2015 Geschäftsführer<br />
bei Reyher. Davor war er 11 Jahre als Leiter<br />
des Produkt- und Qualitätsmanagements tätig.<br />
Gary Lee Lauf ist Leiter der Qualitätsplanung<br />
und maßgeblich am RRP – Reyher Rapid Proto -<br />
typing beteiligt.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Drucken Sie die Prototypen<br />
im eigenen Haus oder arbeiten Sie bei dieser<br />
Dienstleistung mit Partnern zusammen?<br />
Lauf: Für Kunststoffteile haben wir 3D-Drucker<br />
bei uns im Haus. Für den Druck von Metallteilen<br />
arbeiten wir dagegen mit Partnern<br />
zusammen. Unser Netzwerk vergrößert sich<br />
hierbei stetig. Wir hatten anfangs auch eine<br />
Baugrößenbeschränkung, bis eine Anfrage<br />
für eine M64x630 hereinkam. Im ersten Augenblick<br />
waren wir uns nicht sicher, ob sich<br />
auch eine solche Größe verarbeiten lässt. Wir<br />
fanden jedoch tatsächlich ein Unternehmen,<br />
das 3D-Druck auch in diesen Dimensionen<br />
anbietet. Das Unternehmen beliefert die<br />
Luftfahrt und bringt so auch das nötige<br />
Know-how für diese Größen mit.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Welches 3D-Druckverfahren<br />
wenden Sie an?<br />
Lauf: Bei unseren eigenen Druckern verwenden<br />
wir das FDM-Verfahren.<br />
tomobilindustrie wichtig, dass Bauteile leichter<br />
und leistungsstärker werden. Plakativ gesprochen<br />
könnte man sagen: Wird ein Teil<br />
beispielsweise mit fünf Schrauben verschraubt,<br />
überlegen wir gemeinsam mit dem<br />
Kunden, ob wir das auch mit nur zwei Schrauben<br />
hinbekommen – und dabei vielleicht sogar<br />
stabiler, leichter und in der gesamten Betrachtung<br />
kostengünstiger sind.<br />
Schmidt: In diesem Fall wären die 3D-Druckmodelle<br />
nicht die Verbindungselemente, sondern<br />
die zu verbauenden Teile. Man könnte<br />
sich einen Fall vorstellen, bei dem Gehäuseteile<br />
verschraubt werden, die aber sehr klobig<br />
gebaut oder schwer sind. Dann druckt man<br />
sich diese Gehäuseteile in Kunststoff und erarbeitet<br />
daran eine Lösung. Man fragt: Wie<br />
verläuft der Kraftfluss? Was lässt sich entfernen?<br />
Die neue Konstruktion wird so eventuell<br />
stabiler, aber auf jeden Fall leichter. Im zweiten<br />
Fall erarbeiten wir also anhand dieser<br />
Muster eine optimierte Lösung für die Verschraubung.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Und was ist hier der Unterschied<br />
zum dritten Anwendungsfall, der<br />
Konstruktion und Substitution eines gesamten<br />
Bauteils?<br />
Schmidt: Stellen Sie sich vor, Sie haben ein<br />
fertiges Bauteil, das aus fünf, acht oder zehn<br />
Einzelteilen geschraubt, geschweißt oder genietet<br />
wurde. Hier kommen also die Kosten<br />
für die Einzelteile und den Montageaufwand<br />
zusammen. Die Frage ist: Sind alle Bauteile<br />
und Montageschritte überhaupt nötig? Oder<br />
können wir das Teil zu einem einfacheren Produkt<br />
zusammenfassen? Dann drucken wir<br />
die komplette, neu entwickelte Baugruppe<br />
einfach am 3D-Drucker aus. Das ist die dritte<br />
Säule: eine komplexe Baugruppe, die heute<br />
aus vielfachen Einzelteilen besteht, wird in<br />
Zukunft einfach gedruckt.<br />
Lauf: Ein Beispiel: Stellen Sie sich ein Rohr vor,<br />
durch das ein Kolben läuft, wodurch hohe<br />
Reibungswärme entsteht. Man müsste das<br />
Rohr dann mit einem weiteren System kühlen.<br />
Wenn man die beiden Systeme zusammenlegt<br />
und konstruiert eine Spirale in das<br />
Rohr, kann dort die Kühlflüssigkeit durchlaufen.<br />
Durch die Kombination zweier Bauteile<br />
entsteht in diesem Fall eine Vereinfachung.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Wie ist der Projektstand<br />
im Moment?<br />
Schmidt: Im ersten Monat nach Projektstart<br />
erhielten wir bereits vier Anfragen. Dies hat<br />
uns bestätigt, dass wir für unsere Kunden das<br />
richtige Angebot entwickelt haben. Es scheint<br />
also einen Bedarf im Markt zu geben.<br />
Entwicklung<br />
Verbindungselement<br />
Muster oder Prototyp<br />
für ein neuentwickeltes<br />
Verbindungselement<br />
RRP - REYHER Rapid Prototyping<br />
Entwicklung<br />
Verschraubungstechnologie<br />
Optimierung eines bestehenden<br />
Designs/Reduktion der<br />
Komplexität eines Bauteils<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Das additive Verfahren<br />
hat ja gewisse Grenzen. Warum trotzdem<br />
3D-Druck? Warum machen sie Prototyping<br />
nicht mit herkömmlichen Methoden?<br />
Schmidt: Wir haben Prototyping auch schon<br />
davor angeboten, mit herkömmlichen Methoden.<br />
Der 3D-Druck ist eine zusätzliche<br />
Methode, um diese Projekte noch besser umzusetzen,<br />
denn bei solchen Projekten sind<br />
Zeit und Kosten das A und O. Wenn Sie heute<br />
ein Fließpressteil als Prototyp anfertigen wollen,<br />
das werkzeuggebunden ist und vielleicht<br />
nach einem Fünf-Stufen-Werkzeug verlangt,<br />
benötigen Sie erst mehrere Wochen für die<br />
Herstellung des Werkzeuges und dann bis zu<br />
acht Stunden Maschineneinrichtung bis Sie<br />
die ersten Muster vorliegen haben. Die eigentliche<br />
Laufzeit der Maschine beträgt dabei<br />
nur wenige Minuten. Das ist ein sehr großer<br />
Aufwand für wenige Musterteile, die dem<br />
Kunden vielleicht gar nicht gefallen. Will er<br />
dann die Länge ändern oder den Antrieb,<br />
müssen Sie das Werkzeug und die Maschine<br />
jedes Mal umbauen. So kommen Sie ganz<br />
Komplette<br />
Bauteilesubstitution<br />
Unterschiedliche Einzelteile<br />
zu einem neuen Bauteil<br />
zusammenfassen<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 2019 10 47