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VDWF im Dialog 1/2008

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10 <strong>VDWF</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> 1/<strong>2008</strong><br />

Moka Express<br />

“Wir glauben an unsere Landschaft, menschliche<br />

Ressourcen und ihr Know­how, an die Tradition<br />

eines Landes: Italien, voller Werte, Kultur und<br />

herausragender Schönheit.” Aus diesen Prinzipien<br />

entstehen die Produkte des italienischen Kaffee ­<br />

maschinen­Herstellers Bialetti.<br />

Die klassische Espressokanne, auch Caffettiera<br />

genannt, ist zu einer Ikone, einem Symbol für<br />

guten Kaffee und italienischen Habitus geworden.<br />

Sie wurde <strong>im</strong> Jahr 1933 in ihrer klassischen<br />

und heute noch existierenden Bauform unter<br />

dem Namen “Moka Express” von Alfonso Bialetti<br />

entwickelt und aus Aluminium <strong>im</strong> Gussverfahren<br />

gefertigt. Das Gewinde <strong>im</strong> unteren und oberen<br />

Teil der Kanne wird nachträglich in die Form<br />

geschnitten. Das Aluminium wird schließlich<br />

nicht eloxiert, sondern bleibt roh, die Oberfläche<br />

wird lediglich geschliffen. Das Produkt altert<br />

dadurch auf angenehme Weise, es bekommt<br />

eine feine Patina, die der Kanne das verleiht,<br />

was sie ausstrahlt: Solidität, Ehrlichkeit, Reduktion<br />

auf die wesentlichen Bestandteile. Und sie<br />

produziert von jeher erstklassigen Kaffee.<br />

Die Firma Bialetti entstand 1919, als Alfonso<br />

Bialetti in Crusinallo eine Werkstatt aufmachte,<br />

um Aluminium­Halbzeuge herzustellen. Mit<br />

unternehmerischem Geist wurde aus der Werkstatt<br />

bald ein Design­Studio mit Produktion<br />

für marktfertige Produkte. So verdankt die weltweit<br />

bekannte Kanne ihre Existenz der erfolgreichen<br />

Kombination aus technischer und<br />

stilistischer Innovation bei exzellentem Preis­<br />

Leistungsverhältnis.<br />

Türgriff 1057<br />

Designern und Architekten gelingt es also <strong>im</strong>mer<br />

wieder, neue Formen – und vielleicht so etwas<br />

wie eine Poesie für banale Gebrauchsgegenstände<br />

zu entdecken. Der britische Designer<br />

Jasper Morrison möchte, dass der Betrachter<br />

oder Benutzer seiner Produkte den Gegenstand<br />

sofort als vertrauenswürdig empfindet.<br />

Der Münchener Designer Jan Roth exper<strong>im</strong>entierte<br />

schon früh während seines Studiums<br />

in Ulm mit Formen für Türgriffe. Er verkaufte<br />

damals zwei seiner Entwürfe an den Beschlaghersteller<br />

FSB. Später bat man ihn, weitere Entwürfe<br />

zu denken, und Jan Roth, dem “Qualität,<br />

Lebendigkeit und Schönheit” eines Produkts und<br />

Materials wichtig sind, hatte eine sehr schöne<br />

Idee, die jedoch vom Hersteller nicht verfolgt<br />

wurde: Den Griff, unter der bei FSB laufenden<br />

Nummer 1057, entwarf er unter haptischer<br />

und gestalterischer Relevanz. Und dabei war<br />

es ihm wichtig, das Material Aluminium nicht<br />

zu eloxieren, wie es üblicherweise passierte,<br />

sondern das Aluminium zu polieren. Die<br />

Eloxal schicht ist deutlich härter als Aluminium.<br />

Gibt es Kratzer, sieht das Produkt mit ebendieser<br />

Oberfläche schäbig aus. Es altert nicht<br />

mit Würde.<br />

Bei FSB allerdings trat man dem polierten Aluminium<br />

skeptisch gegenüber. Gibt es Flecken<br />

mit der Zeit, läuft das Aluminium an? Und das<br />

Eloxieren macht einen großen Teil der Wertschöpfung<br />

vieler Hersteller aus! Jan Roth versuchte<br />

es <strong>im</strong> Selbsttest und montierte den “nur”<br />

polierten Griff an der Aussenseite seiner Ateliertüre.<br />

Das ist Jahre her, und der Griff strahlt nun<br />

eben genau diese Lebendigkeit und Schönheit<br />

aus, weil sich die Oberfläche ehrlich auch an<br />

die ruppigeren Begegnungen “erinnert”.<br />

Neben der präzisen Oberflächengüte – eine Lichtreflexion<br />

auf dieser polierten Oberfläche hat<br />

einen hohen ästhetischen Wert – ermöglichte<br />

der Metall guss eine sehr weiche und überaus<br />

handschmeichlerische Form.<br />

Eine weitere frühe Idee von Roth, die bei späteren<br />

Produkten vieler Hersteller auftauchte, ist das<br />

Anbinden der Rosette an den Griff. Das ist technisch<br />

möglich und schafft einen optischen Reiz,<br />

der den Griff mehr noch als ein Funktionsstück<br />

wirken lässt. Weil die Gestalt der Klinke so vieles<br />

über das, was sich hinter einer Tür verbergen<br />

soll, aussagt, kann man froh sein, dass es diese<br />

Formenvielfalt gibt und dass es Gestalter gibt,<br />

die sich hartnäckig mit den wesentlichen Fragen<br />

hinter einem Produkt beschäftigen.

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