VDWF im Dialog 1/2008
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“Wenn Gegner Schwächen von uns aufdecken,<br />
wissen wir, woran wir zu arbeiten haben”<br />
Fabian Diehr <strong>im</strong> Gespräch mit Silvia Neid<br />
Was haben Fußball und der Werkzeug- und Formenbau<br />
gemeinsam? Wettbewerbsorientierung, Teamplay, Leistungswille,<br />
Durchsetzungsvermögen, aber auch die Bewältigung<br />
von Rückschlägen – diese Liste ließe sich noch<br />
lange weiterführen. All dies sind Themen, die die Menschen<br />
in den beiden genannten Bereichen beschäftigen.<br />
Ganz besonders interessant wird es, wenn innerhalb eines<br />
scheinbar geschlossenen Kreises ein neuer Akteur mit<br />
großen Erfolgen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit<br />
rückt. Silvia Neid, Bundestrainerin der Fußballnationalmannschaft<br />
der Frauen, erläutert uns ihre Sicht der Dinge.<br />
Frau Neid, was bringen Sie mit “moralischem Handeln”<br />
in Verbindung? Sehen Sie Unterschiede als Privatperson<br />
und als Sportlerin?<br />
Silvia Neid: Ich kann Ihnen zur ersten Frage leider keine philosophische<br />
Interpretation liefern. Aber wenn Sie mit “moralischem<br />
Handeln” auf das Verhalten in Bezug auf Anstand und Sittlichkeit<br />
anspielen, so gibt es ja <strong>im</strong> Alltag wie auch <strong>im</strong> Sport klare<br />
Regeln, auf deren Grundlage man dies bewerten kann. Ich selbst<br />
lege großen Wert auf einen korrekten Umgang miteinander –<br />
sowohl <strong>im</strong> Privatleben als auch auf dem Fußballplatz, sowohl<br />
gegenüber der eigenen Mitspielerin als auch gegenüber einer<br />
Gegenspielerin. Und natürlich gibt es Unterschiede zwischen<br />
dem Handeln <strong>im</strong> zivilen Leben und <strong>im</strong> Fußball. Ein banales<br />
Beispiel: Während es mir die Regel erlaubt, <strong>im</strong> Fußball meinen<br />
Körper einzusetzen, um an den Ball zu kommen, würde ich meinen<br />
Körper <strong>im</strong> Supermarkt nicht einsetzen, um an ein Päckchen<br />
Butter zu kommen.<br />
Dem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog wird<br />
folgender Satz nachgesagt: “Man kann stolz auf das sein,<br />
was man geleistet hat, nicht auf das, was man ist.” Sind<br />
Sie stolz auf Ihre Leistungen? Spielt die Zugehörigkeit<br />
zu einer Nation dabei eine Rolle?<br />
Wenn ich auf solche Erfolge wie den Gewinn einer Weltmeisterschaft<br />
oder Europameisterschaft zurückblicke, dann bin ich<br />
schon stolz auf das, was ich geleistet habe. Das ist ja eine sehr<br />
positive Bestätigung der Arbeit. Welche Auswirkung es auf die<br />
Leistung hat, dass wir als deutsche Nationalmannschaft auftreten,<br />
ist natürlich schwer zu messen. Aber ich weiß von unseren<br />
Spielerinnen, dass sie gerne für Deutschland spielen, dass es für<br />
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sie eine Ehre ist, das DFBTrikot zu tragen. Und es ist auch allen<br />
bewusst, dass es eine gewisse Verantwortung ist, unser Land<br />
zu repräsentieren. Schließlich spielt man in der Nationalmannschaft<br />
nicht mal nur so für sich, sondern da fiebern ganz viele<br />
Leute mit, und darunter sind auch einige, die uns nicht nur die<br />
Daumen drücken, sondern die sich auch mit uns identifizieren.<br />
Sie waren früher als Großhandelskauffrau tätig und sind<br />
jetzt Trainerin. Karriere- und Verdienstmöglichkeiten<br />
stehen bei den meisten Menschen <strong>im</strong> Zentrum ihres<br />
beruflichen Engagements. Wie würden Sie Ihre Ziele<br />
und Motive beschreiben?<br />
Es mag zwar ein wenig abgedroschen klingen, aber ich bin<br />
wirklich in der glücklichen Situation, mein Hobby zum Beruf<br />
gemacht zu haben. Ich habe schon <strong>im</strong>mer Fußball gespielt. Ich<br />
liebe diesen Sport. Von daher ist es mir auch nicht schwergefallen,<br />
viel in ihn zu investieren. Insofern war und ist mein Motiv<br />
die Freude und der Spaß an der Sache. Darüber hinaus bin ich<br />
ehrgeizig genug, um viele Ziele zu haben. Und <strong>im</strong> Frauenfußball<br />
findet man einige Gelegenheiten, um sich zu bewähren. In<br />
diesem Jahr nehmen wir an den Olympischen Spielen in Peking<br />
teil, 2009 findet die Europameisterschaft in Finnland statt und<br />
2011 sind wir Gastgeber bei der Weltmeisterschaft.<br />
Wie gehen Sie mit Erfolgen und Niederlagen um?<br />
Unmittelbar erst einmal sehr menschlich. Ich freue und ärgere<br />
mich wie jeder andere auch über Siege und Niederlagen. Aber<br />
die Bewertung findet natürlich nicht rein emotional statt. Schon<br />
während eines Spiels muss ich schließlich analysieren, warum<br />
das Spiel so und nicht anders läuft. Es geht ja darum, vielleicht<br />
auch während einer Begegnung der Partie noch eine andere<br />
Richtung zu geben, mit Umstellungen oder Einwechselungen<br />
oder taktischen Änderungen. Entsprechend behandele ich die<br />
Spiele <strong>im</strong> Nachgang. Ich gehe mit meinem Trainerteam die<br />
Spiele noch mal komplett durch. Bei Siegen sind wir durchaus<br />
kritisch, denn nicht alles, was glänzt, muss aus Gold sein. Und<br />
Niederlagen sind sehr hilfreich, was die Weiterentwicklung einzelner<br />
Spielerinnen und der Mannschaft angeht. Wenn Gegner<br />
Schwächen von uns aufdecken, wissen wir, woran wir zu arbeiten<br />
haben.