Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Film<br />
David Schalko<br />
meint, dass fröhliche Wunschlosigkeit der ideale<br />
Lebenszustand ist. Deshalb wünscht sich der Autor<br />
und Filmemacher das Leben einer Kuh.<br />
Interview RÜDIGER STURM<br />
Foto KLAUS PICHLER<br />
In seiner absurd-komischen TV-Serie<br />
„Ich und die anderen“ beschreibt<br />
Autor David Schalko allerhand<br />
(Irr-)Wege auf der Suche nach dem<br />
Glück. Hier erklärt der 48-Jährige,<br />
warum das Ego einem guten Leben<br />
oft im Weg steht, warum er Müdigkeit<br />
gut findet und ein Leben als<br />
Wiederkäuer für erfreulich hielte.<br />
the red bulletin: Ihre Serie<br />
„Ich und die anderen“ handelt<br />
von einem Mann, dessen Wünsche<br />
einer nach dem anderen erfüllt<br />
werden. Ist das eine Voraussetzung<br />
dafür, um glücklich zu werden?<br />
david schalko: Nicht unbedingt.<br />
Man muss sich dabei bewusst machen,<br />
dass man in Wünsche etwas<br />
hineinprojiziert. Zum Beispiel glaubt<br />
man, dass man mit einem großen<br />
Haus automatisch glücklicher ist.<br />
Das stimmt nicht. Am besten geht<br />
es mir, wenn ich gar nichts will.<br />
Die fröhliche Wunschlosigkeit ist<br />
der Idealzustand.<br />
Wie erreicht man den?<br />
Dazu gehört die Auflösung des Egos.<br />
Man muss erkennen, dass das Ego<br />
nicht ein Freund ist, den man füttern<br />
soll, sondern dass es vielen<br />
Dingen im Weg steht. Eigentlich<br />
ist es nur eine Illusion, wenn man<br />
buddhistisch argumentiert.<br />
Und Sie haben kein Ego mehr?<br />
Doch, schon. Mein Ego ist hartnäckig.<br />
Aber ich habe gelernt, es zu hinterfragen.<br />
Sobald ein Mensch denken<br />
kann, fängt er an, sich mit den großen<br />
Fragen auseinanderzusetzen:<br />
Wer ist man? Ist man das Ego? In<br />
welcher Situation befindet man sich<br />
in diesem Universum?<br />
Der Buddhismus meint ja, dass<br />
wir uns von unseren Begierden<br />
lösen sollen. Wollen Sie das auch?<br />
Ich glaube nicht, dass die Begierden<br />
das Problem sind, sondern das<br />
Anhaften daran. Wenn man das zu<br />
seinem Lebensinhalt macht und daran<br />
festhält, dann ist das die Ursache<br />
von sehr viel Leid. Und weil wir so<br />
am Leben hängen und ein obsessives<br />
Verhältnis zu unserem Eigentum<br />
haben, tun wir uns auch mit dem<br />
Sterben so schwer.<br />
Hinter Ihnen sehen wir eine<br />
prachtvolle Bücherwand. Das<br />
heißt, die könnten Sie so einfach<br />
aufgeben?<br />
So buddhistisch eingestellt bin ich<br />
dann doch wieder nicht.<br />
Sie schreiben immer wieder über<br />
Menschen, die sich nach oberflächlicher<br />
Wunscherfüllung sehnen.<br />
Eines Ihrer nächsten Projekte<br />
ist ein Film über die Ibiza-Affäre.<br />
Woher kommen die Begierden<br />
Ihrer Charaktere eigentlich?<br />
Das sind oft Menschen, die nach<br />
Liebe suchen, um weniger einsam<br />
zu sein. Natürlich hat jede Figur auch<br />
andere Facetten, aber im Prinzip<br />
steht dieser Antrieb im Mittelpunkt.<br />
Was ist für Sie wahre Liebe?<br />
Es gibt viele unterschiedliche Arten.<br />
Die allumfassendste Liebe ist die,<br />
bei der man jemand anderen mehr<br />
liebt als sich. Das heißt, man gibt<br />
sein eigenes Ego auf.<br />
Wo erleben Sie die?<br />
Am nächsten komme ich diesem<br />
Zustand bei meinen Kindern. Man<br />
stellt seine eigenen Interessen<br />
gegenüber ihren zurück. Denn die<br />
Aufgabe als Elternteil ist, sie zu<br />
unterstützen, dass sie diejenigen<br />
werden können, die sie werden wollen,<br />
und zwar in aller Freiheit, mit<br />
Selbstbewusstsein, aber auch mit<br />
der Umsicht anderen gegenüber.<br />
Allerdings scheint dieses Leben<br />
recht anstrengend. Sie wirken ein<br />
bisschen müde …<br />
Ich bin schon mein ganzes Leben<br />
lang müde. Für mich ist Müdigkeit<br />
kein negativer Zustand. Dabei entwickelt<br />
man eine komische Gelassenheit,<br />
weil man für zu viele Dinge<br />
zu müde ist. Man zieht sich dadurch<br />
automatisch in sich zurück, und das<br />
ist gar nicht so schlecht.<br />
Und wenn jemand Sie unbedingt<br />
antreiben will?<br />
Dann werde ich noch müder.<br />
Sie wirken ja sehr genügsam.<br />
Nehmen wir an, Sie würden<br />
wiedergeboren, wie die Buddhisten<br />
glauben. Wäre Ihnen<br />
ein Dasein als Tier lieber?<br />
Ich muss anmerken, dass ich nicht<br />
an Wiedergeburt glaube. Aber der<br />
Philosoph Friedrich Nietzsche sagte:<br />
„Alle guten Dinge haben etwas Lässiges<br />
und liegen wie Kühe auf der<br />
Wiese.“ Und die wiederkäuende Kuh<br />
auf der Wiese ist schon ein gutes<br />
Bild für Zufriedenheit.<br />
„Ich und die anderen“ läuft seit 29. Juli<br />
auf Sky.<br />
36 THE RED BULLETIN