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The Red Bulletin 09/21 AT

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Film<br />

David Schalko<br />

meint, dass fröhliche Wunschlosigkeit der ideale<br />

Lebenszustand ist. Deshalb wünscht sich der Autor<br />

und Filmemacher das Leben einer Kuh.<br />

Interview RÜDIGER STURM<br />

Foto KLAUS PICHLER<br />

In seiner absurd-komischen TV-Serie<br />

„Ich und die anderen“ beschreibt<br />

Autor David Schalko allerhand<br />

(Irr-)Wege auf der Suche nach dem<br />

Glück. Hier erklärt der 48-Jährige,<br />

warum das Ego einem guten Leben<br />

oft im Weg steht, warum er Müdigkeit<br />

gut findet und ein Leben als<br />

Wiederkäuer für erfreulich hielte.<br />

the red bulletin: Ihre Serie<br />

„Ich und die anderen“ handelt<br />

von einem Mann, dessen Wünsche<br />

einer nach dem anderen erfüllt<br />

werden. Ist das eine Voraussetzung<br />

dafür, um glücklich zu werden?<br />

david schalko: Nicht unbedingt.<br />

Man muss sich dabei bewusst machen,<br />

dass man in Wünsche etwas<br />

hineinprojiziert. Zum Beispiel glaubt<br />

man, dass man mit einem großen<br />

Haus automatisch glücklicher ist.<br />

Das stimmt nicht. Am besten geht<br />

es mir, wenn ich gar nichts will.<br />

Die fröhliche Wunschlosigkeit ist<br />

der Idealzustand.<br />

Wie erreicht man den?<br />

Dazu gehört die Auflösung des Egos.<br />

Man muss erkennen, dass das Ego<br />

nicht ein Freund ist, den man füttern<br />

soll, sondern dass es vielen<br />

Dingen im Weg steht. Eigentlich<br />

ist es nur eine Illusion, wenn man<br />

buddhistisch argumentiert.<br />

Und Sie haben kein Ego mehr?<br />

Doch, schon. Mein Ego ist hartnäckig.<br />

Aber ich habe gelernt, es zu hinterfragen.<br />

Sobald ein Mensch denken<br />

kann, fängt er an, sich mit den großen<br />

Fragen auseinanderzusetzen:<br />

Wer ist man? Ist man das Ego? In<br />

welcher Situation befindet man sich<br />

in diesem Universum?<br />

Der Buddhismus meint ja, dass<br />

wir uns von unseren Begierden<br />

lösen sollen. Wollen Sie das auch?<br />

Ich glaube nicht, dass die Begierden<br />

das Problem sind, sondern das<br />

Anhaften daran. Wenn man das zu<br />

seinem Lebensinhalt macht und daran<br />

festhält, dann ist das die Ursache<br />

von sehr viel Leid. Und weil wir so<br />

am Leben hängen und ein obsessives<br />

Verhältnis zu unserem Eigentum<br />

haben, tun wir uns auch mit dem<br />

Sterben so schwer.<br />

Hinter Ihnen sehen wir eine<br />

prachtvolle Bücherwand. Das<br />

heißt, die könnten Sie so einfach<br />

aufgeben?<br />

So buddhistisch eingestellt bin ich<br />

dann doch wieder nicht.<br />

Sie schreiben immer wieder über<br />

Menschen, die sich nach oberflächlicher<br />

Wunscherfüllung sehnen.<br />

Eines Ihrer nächsten Projekte<br />

ist ein Film über die Ibiza-Affäre.<br />

Woher kommen die Begierden<br />

Ihrer Charaktere eigentlich?<br />

Das sind oft Menschen, die nach<br />

Liebe suchen, um weniger einsam<br />

zu sein. Natürlich hat jede Figur auch<br />

andere Facetten, aber im Prinzip<br />

steht dieser Antrieb im Mittelpunkt.<br />

Was ist für Sie wahre Liebe?<br />

Es gibt viele unterschiedliche Arten.<br />

Die allumfassendste Liebe ist die,<br />

bei der man jemand anderen mehr<br />

liebt als sich. Das heißt, man gibt<br />

sein eigenes Ego auf.<br />

Wo erleben Sie die?<br />

Am nächsten komme ich diesem<br />

Zustand bei meinen Kindern. Man<br />

stellt seine eigenen Interessen<br />

gegenüber ihren zurück. Denn die<br />

Aufgabe als Elternteil ist, sie zu<br />

unterstützen, dass sie diejenigen<br />

werden können, die sie werden wollen,<br />

und zwar in aller Freiheit, mit<br />

Selbstbewusstsein, aber auch mit<br />

der Umsicht anderen gegenüber.<br />

Allerdings scheint dieses Leben<br />

recht anstrengend. Sie wirken ein<br />

bisschen müde …<br />

Ich bin schon mein ganzes Leben<br />

lang müde. Für mich ist Müdigkeit<br />

kein negativer Zustand. Dabei entwickelt<br />

man eine komische Gelassenheit,<br />

weil man für zu viele Dinge<br />

zu müde ist. Man zieht sich dadurch<br />

automatisch in sich zurück, und das<br />

ist gar nicht so schlecht.<br />

Und wenn jemand Sie unbedingt<br />

antreiben will?<br />

Dann werde ich noch müder.<br />

Sie wirken ja sehr genügsam.<br />

Nehmen wir an, Sie würden<br />

wiedergeboren, wie die Buddhisten<br />

glauben. Wäre Ihnen<br />

ein Dasein als Tier lieber?<br />

Ich muss anmerken, dass ich nicht<br />

an Wiedergeburt glaube. Aber der<br />

Philosoph Friedrich Nietzsche sagte:<br />

„Alle guten Dinge haben etwas Lässiges<br />

und liegen wie Kühe auf der<br />

Wiese.“ Und die wiederkäuende Kuh<br />

auf der Wiese ist schon ein gutes<br />

Bild für Zufriedenheit.<br />

„Ich und die anderen“ läuft seit 29. Juli<br />

auf Sky.<br />

36 THE RED BULLETIN

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