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Archäologie<br />
Terry Madenholm<br />
hat zwei interessante Jobs: Sie ist Archäologin und nebenbei<br />
gefragtes Model. Hier erklärt die 31-Jährige, wie sie antike<br />
Inka-Siedlungen mittels Drohnentechnik retten will.<br />
Text RACHAEL SIGEE<br />
Foto CHRIS SAUNDERS<br />
Wir erreichen Terry Madenholm<br />
in ihrer Pariser Wohnung. Sie steckt<br />
gerade mitten in den Vorbereitungen<br />
für eine Rettungsaktion: Es geht um<br />
die Ausgrabung einer über 500 Jahre<br />
alten Inka-Siedlung in der Provinz<br />
Cotopaxi in Ecuador, die von Klimawandel,<br />
Bebauungsplänen und – besonders<br />
unberechenbar – einem seit<br />
2015 aktiven Vulkan bedroht ist. Die<br />
31-Jährige gehört zu einem Team,<br />
das diesen Kulturschatz mittels<br />
modernster Drohnentechnologie<br />
und digitaler 3D-Rekonstruktion im<br />
allerletzten Moment für die Nachwelt<br />
bewahren will.<br />
Madenholm, in Stockholm geboren<br />
und in Polen aufgewachsen,<br />
hat in Paris aber noch andere Sachen<br />
zu tun: Sie stand bereits für Werbekampagnen<br />
so schillernder Marken<br />
wie L’Oréal, Clarins oder L’Occitane<br />
als Model vor der Kamera. Ursprünglich<br />
dienten ihr solche Jobs nur<br />
zur Finanzierung des Archäologiestudiums.<br />
Doch die Modelkarriere<br />
nahm derart schnell Fahrt auf, dass<br />
sie ihre Zeit heute zu gleichen Teilen<br />
zwischen Ausgrabungen und Fotoshootings<br />
aufteilt. „Ich sehe mich<br />
als Archäologin, die zufällig auch<br />
modelt“, sagt Madenholm. „Immer,<br />
wenn ich bei Ausgrabungen etwas<br />
finde, erscheint es mir wie eine<br />
Reise in die Vergangenheit. Indem<br />
ich verschwitzt und voll Schlamm<br />
meine Hände in die Erde stecke,<br />
starte ich eine Zeitmaschine.“<br />
the red bulletin: Wie fühlt<br />
es sich an, bei Ausgrabungen<br />
mitzumachen?<br />
terry madenholm: Es ist eine<br />
intensive Erfahrung und erfordert<br />
viel Durchhaltevermögen und Demut,<br />
weil man seine Ziele nicht immer erreicht.<br />
Manchmal sucht man monateoder<br />
sogar jahrelang nach etwas,<br />
das dann nicht so ergiebig ist wie erhofft.<br />
Abgesehen davon sind die Ausgrabungen<br />
sehr anstrengend. Man<br />
kämpft ständig mit sich selbst und<br />
geht an seine Grenzen. Aber genau<br />
das mag ich an der Archäologie:<br />
Man spürt so richtig, dass man lebt.<br />
Wie kartieren und bewahren Sie<br />
antike Stätten?<br />
Mit Tools wie LiDAR, das steht für<br />
Light Detection and Ranging. Es<br />
funktioniert im Grunde ganz einfach:<br />
Ein Laser tastet die Erdoberfläche<br />
ab und erzeugt ein 3D-Bild<br />
dessen, was darunter versteckt liegt.<br />
Diese Werkzeuge sind in der Archäologie<br />
ziemlich neu, aber sie bringen<br />
uns schneller voran. Die Drohnen<br />
verschaffen uns einen besseren Überblick<br />
über die Ausgrabungsstätte,<br />
sodass wir mit unseren Aufzeichnungen<br />
schneller fertig sind.<br />
Was bedeutet diese Technologie<br />
für die Zukunft der Archäologie?<br />
Sie kann neue Perspektiven eröffnen.<br />
Wir können plötzlich größere, mutigere<br />
Fragen stellen. Ich glaube, die<br />
Geschichte der alten Kulturen wird<br />
neu zu schreiben sein. Monumente<br />
und Artefakte können mittels 3D-<br />
Nachbildungen originalgetreu für die<br />
Nachwelt bewahrt und für Publikum<br />
zugänglich gemacht werden. So wird<br />
die Archäologie auch demokratisiert:<br />
Jeder kann sich die Stätten ansehen,<br />
ohne selbst hinzufahren.<br />
Was war für Sie der bisherige<br />
Höhepunkt Ihrer Karriere als<br />
Archäologin?<br />
Die Entdeckung eines zweitausend<br />
Jahre alten Rings an der Küste von<br />
Tel Aviv. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten<br />
Monate an einem Projekt und<br />
träumen die ganze Zeit nur davon,<br />
etwas Großartiges zu finden. Dann,<br />
im letzten Moment, kurz bevor das<br />
Projekt in die Winterpause geht, finden<br />
Sie plötzlich diesen Ring unter<br />
der Erde! Es fühlte sich irgendwie an,<br />
als hätte jemand den Ring vor zweitausend<br />
Jahren fallen lassen, damit<br />
ich ihn finde. Wenn man so ein persönliches<br />
Stück findet, dann spinnt<br />
man sofort eine Geschichte darüber,<br />
wer ihn gefertigt, wer ihn getragen<br />
hat. In meinem Kopf entstand das<br />
Bild eines dicken Kaufmanns, denn<br />
der Ring war riesig, und ich konnte<br />
ihn leicht über zwei Finger ziehen.<br />
Was erhoffen Sie sich in Zukunft<br />
für Ihre Arbeit?<br />
Überraschungen – die sind das Beste<br />
an der Archäologie. Denken Sie nur<br />
an die Ausgrabungen von Pompeji<br />
in Italien. Die Historiker waren ursprünglich<br />
überzeugt, dass der Vesuv<br />
am 24. August 79 n. Chr. ausgebrochen<br />
sei. Dann wurde 2018 eine alte<br />
Inschrift in Kohle entdeckt, aus der<br />
hervorging, dass der Ausbruch zwei<br />
Monate später statt gefunden hatte.<br />
Daran sieht man, dass Archäologen<br />
und Historiker manchmal falschliegen.<br />
Diese Geschichte spricht mich<br />
sehr an. Ich will einfach Überraschungen<br />
erleben. Ich will von meinen<br />
Funden so richtig umgehauen<br />
werden!<br />
Terry Madenholm ist Projektpartnerin von<br />
Drone Archaeology: dronearchaeology.com<br />
38 THE RED BULLETIN