„In unserem Sport wird es dich immer wieder mal auf die Pfeife hauen. Einmal ist keinmal.“ WIRBELWIND Immer für einen Spaß zu haben: Hier hat unser Fotograf Vali Höll zum Headbangen gebracht.
Bike BARTOSZ WOLINSKI/RED BULL CONTENT POOL das: Sie hatte alle Angebote namhafter Rennställe ausgeschlagen und darauf beharrt, nach ihren eigenen Regeln zu spielen. So wie Lindsey Vonn nicht mit dem regulären US-Ski-Team arbeitete, sondern mit ihrem Privattrainer Robert Trenkwalder, so baute sich die 19-jährige Mountainbikerin ihre Mannschaft nach ihren Bedürfnissen und Wünschen. Reklamierte langjährige Vertraute wie Patentante Angie (einst selbst erfolgreiche Racerin) als persönliche Assistentin ins Team, um den Rücken frei zu haben fürs Rennfahren. Hielt vieljährigen Sponsoren, die sie in großen Teams hätte aufgeben müssen, die Treue und integrierte sie in die neue Struktur. Fand mit US-Hersteller Trek einen Branchenriesen als Rahmenhersteller, der nicht jeden Cent zweimal umdrehen muss. Bekam mit zwei hungrigen männlichen Junioren Teamkollegen, an deren Speed sie sich messen kann. Bereits beim ersten Roll-out in Frankreich mit dem neuen Material erkannte die Salzburgerin, dass sie wieder die Alte war. Vielleicht sogar mehr als das. Die Begleichung einer offenen Rechnung Der Auftakt zur Saison 20<strong>21</strong> des UCI Mountainbike World Cup fand in Leogang statt. Ausgerechnet auf jener Strecke, die ihr ein halbes Jahr zuvor zum Verhängnis geworden war. Natürlich regnete es auch wieder. Der teuflische Sprung war bis zum zweiten Trainingstag gesperrt, für Männer wie für Frauen gleichermaßen. Er war unspringbar. An diesem Tag hätte er mit ziemlicher Sicherheit Karrieren beenden können. Als er geöffnet wurde, war klar, dass Vali nun eine Rechnung begleichen musste: sie gegen die Strecke in Leogang. Wenn du auch nur an einer Stelle kneifst, brauchst du dich erst gar nicht an den Start zu stellen, so Hölls Logik. Sogar die Tageszeitungen berichteten und bauten mit Patriotismus Druck auf: Vali möge doch „für Österreich“ gewinnen. Die Saalbacherin fängt mit so einem Konstrukt allerdings herzlich wenig an. „Aus welchem Land ich komme, ist doch sekundär“, sagt sie und zuckt mit den Schultern. „Ich gewinne in erster Linie für mich, meine Freunde, meine Familie, mein Team. Den Heim-Aspekt habe ich eigentlich nicht als zusätzlichen Druck wahrgenommen, nein.“ Und der Sprung? Angst oder wenigstens Respekt davor? „Weder noch. Okay, Beim Comeback muss Vali zweimal stark sein: auf der Strecke und auf Instagram. vielleicht doch Respekt. Im letzten Jahr war ich einfach zu langsam, daher der Sturz. Heuer war der Regen stärker, der Schlamm dadurch weicher. Ich wusste, dass sich das ausgeht, wenn ich vorher zwei-, dreimal g’scheit reintrete.“ Sie sprang, landete, dann war erst einmal nichts. Und dann hörte man einen Schrei unter dem Helm, einen Schrei der Erleichterung. Da war also doch etwas passiert in der Athletin Höll, mental. Vali 1, Sprung 0, und so würde das künftig auch bleiben. Was hast du dir gedacht, als du gelandet bist? „Ich war schon erleichtert. Ich wusste ja, dass ich es kann, aber nach dem Sturz brauchte ich eben auch die Bestätigung im richtigen Leben. Darum auch der Schrei.“ Und dass ausgerechnet die Heim- zur Schicksalsstrecke wurde, war dir echt egal? „Klar kennen mich in Saalbach/ Leogang mehr Menschen als auf den anderen Stationen im UCI Mountainbike World Cup, aber eigentlich hat sich das soziale Element eines Athleten ohnehin schon längst ins Internet verlagert.“ Vali Höll ist mit ihren 19 Jahren ein digital native, obwohl sie den ganzen Tag draußen ist. Sie ist damit aufgewachsen, dass Sponsoren digitale Präsenz verlangen. Sie kennt es nicht anders. Die Zahl der Follower ist genauso eine Währung wie die Zeit im letzten Rennen, bloß weitaus unfairer. Zwischen Startgatter und Lichtschranke im Ziel hast du als Mountainbiker nicht nur den Lenker in der Hand, sondern auch dein Schicksal. In den digitalen Zwischenräumen mit ihren dunklen Ecken voller Trolle nicht. Guter Rat von einer Bike-Legende Wenn du nach acht Stunden Schinderei auf dem Weg zum Comeback abends in den Kommentaren auf Instagram lesen musst, dass du es ohnehin nicht bringst, dann musst du ein zweites Mal stark sein. „Ich kann nicht behaupten, dass mich das anspornen würde. Es ärgert mich auch nicht wirklich. Ich empfinde es bloß als lästig und ermüdend.“ In dieser schwierigen Situation holte sich Vali Höll Rat bei der Besten. Ihrem Vorbild, von dem sie sich als Kind Autogramme geholt hatte. Die ihr zur lieben Freundin geworden war: der fünffachen Weltmeisterin, sechsfachen World-Cup- Gesamtsiegerin und Trägerin des Laureus World Sports Award, Rachel Atherton. „Sie hat mir gesagt, was für sie in schwierigen Situationen, von Verletzung bis Shitstorm, wichtig war und wie sie den Fokus behalten hat, indem sie nach vorn geschaut hat auf den nächsten Tag, an dem sie aufs Bike kann. Wie sie ein Jahrzehnt lang mit Situationen umgegangen ist, die ich jetzt zum ersten Mal erlebe, bewundere ich sehr.“ Auf das große Duell zwischen der dominanten Downhillerin des letzten Jahrzehnts und dem Super-Talent aus Österreich müssen die Fans dennoch verzichten: Rachel wurde im Juli Mutter. Vali ist das nur recht: „Ich weiß nicht, ob ich gegen Rachel voll hätte fahren können. Da ist noch immer zu viel Respekt.“ Was hast du aus dem Sturz in Leogang mit seiner Verletzung und dem Weg zurück gelernt? Vali Höll: „In unserem Sport wird es dich immer wieder mal auf die Pfeife hauen. Einmal ist keinmal.“ Und dann? „Dann stehst du auf und machst weiter.“ Mehr Vali in allen Lagen auf Instagram: @valihoell VALI HÖLLS RASANTE BIKE-KARRIERE Eine dreiteilige Doku zeigt ihren kometenhaften Aufstieg „Past – Presence – Future“ zeigt Valis Weg von der Doppelweltmeisterschaft bei den Junioren in die UCI Weltcup-Elite. Inklusive Comeback nach der Sprunggelenksverletzung. Ab 28. Juli bei <strong>Red</strong> Bull TV. redbull.com/valihoell THE RED BULLETIN 53