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Fashion<br />
„Kunst regt dich an, dein<br />
Leben zu hinterfragen.“<br />
HEISSER STOFF<br />
Flora experimentiert gern<br />
mit Materialien (hier: ein<br />
Silikonkleid), was ihren<br />
Entwürfen anziehende<br />
Sinnlichkeit verleiht.<br />
Kapitel 2: Ins Extrem gehen<br />
„Für mich hat die Kunst eine wichtige Rolle in der Gesellschaft.<br />
Ihre Aufgabe ist es, Freiräume zu schaffen,<br />
wo unsere Realität reflektiert wird. Wo man Zeit hat,<br />
zu schauen, zu denken und seine eigenen Ansichten zu<br />
entwickeln. Dafür darf der Künstler ins Extrem gehen,<br />
das Gewohnte reizen, damit er mir die Gelegenheit<br />
gibt, mein Leben zu hinterfragen.<br />
Ich möchte solch einen Raum in der Mode schaffen.<br />
Natürlich nicht immer. Mode kann auch sehr angewandt<br />
sein, also einfach nur die Haut schützen. Es kommt<br />
immer darauf an, wofür sie gedacht ist. Ich verfolge<br />
verschiedene Richtungen. Einerseits will ich eben Freiräume<br />
schaffen, und da denke ich schon, dass meine<br />
Kreationen der Kunst nahe sind.<br />
Andererseits habe ich auch Stücke, die einfach tragbar<br />
sind. Für spezielle Gelegenheiten schlüpfe ich auch<br />
in Couture-Stücke, nur meine skulpturalen Stücke trage<br />
ich eher nicht, ich bin ja keine Performance-Künstlerin.<br />
Ich trage übrigens sehr viel Kleidung, die mir gegeben<br />
wurde. Wenn anderen Leuten ihre Kleidung nicht mehr<br />
passt, finde ich es gut, sie zu tragen. Mein Fokus liegt<br />
woanders. Ich stecke mein gesamtes Geld in meine Kreationen.<br />
Mein Label habe ich gegründet, weil ich erkannt<br />
habe, dass kaum jemand für die Avantgarde der<br />
Mode steht. Deshalb habe ich auch in Antwerpen studiert,<br />
weil ich mit meinem künstlerischen Hintergrund<br />
die Kreativität in der Mode hochhalten wollte.<br />
Ich arbeite sehr eklektisch, ich habe nicht diese eine<br />
Arbeitsweise. Ausgangspunkt ist bei meinen Kreationen<br />
immer ein <strong>The</strong>ma, ein Konzept. Das hat immer mit dem<br />
digitalen Dasein des Menschen zu tun, gepaart mit Materialstudien.<br />
Ich habe ständig Ideen, um die herum<br />
sich Menschen, Bücher, Musik, visuelle Formen akkumulieren,<br />
bis sie so etwas wie eine Traube bilden – und<br />
auf einmal ist ein <strong>The</strong>ma bereit, umgesetzt zu werden.“<br />
Das Ergebnis sind Kleider, die oft wie Skulpturen wirken.<br />
Kreationen, die aus langwieriger Denkarbeit entstehen,<br />
aus der Beschäftigung mit Mathematik und<br />
ihrer Übersetzung in Computer-Codes. Sie sind aber<br />
keineswegs ein ausschließlich intellektuelles Vergnügen,<br />
im Gegenteil: Viele ihrer Arbeiten bergen eine anziehende<br />
Sinnlichkeit. Flora Miranda zeigt sie seit 2018<br />
bei den Haute-Couture-Schauen in Paris, manche haben<br />
den Weg in Museen gefunden, internationale Künstler-<br />
Stylisten (etwa von Lady Gaga, Miley Cyrus, Sita Abellan,<br />
M.I.A.) lieben ihre aufregenden Looks.<br />
Kapitel 3: Wer programmieren kann,<br />
gewinnt Freiheit<br />
„Ich bin insgesamt eher chaotisch, deshalb versuche ich,<br />
strukturiert zu arbeiten. Ich fange jeden Tag spätestens<br />
um 9 Uhr an. Ich arbeite den Großteil meines Lebens.<br />
Erst während des Lockdowns habe ich herausgefunden,<br />
dass ich auch etwas anderes kann als arbeiten. Vorher<br />
gab es in meinem Hirn nicht die Möglichkeit, etwas<br />
anderes zu tun.<br />
Schon seit vielen Jahren frage ich mich, wo sich unsere<br />
Gesellschaft hinbewegt mit all dem Produzieren,<br />
Analysieren und dem Nutzen von Daten. Und ich finde,<br />
um kreativ damit umzugehen, muss man die Sprache,<br />
mit der diese Daten gemanagt werden, beherrschen.<br />
Ich fühle mich machtlos, wenn ich nicht programmieren<br />
kann. Indem man programmiert, gewinnt man<br />
68 THE RED BULLETIN