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The Red Bulletin 09/21 AT

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Bike<br />

BARTOSZ WOLINSKI/RED BULL CONTENT POOL<br />

das: Sie hatte alle Angebote namhafter<br />

Rennställe ausgeschlagen und darauf<br />

beharrt, nach ihren eigenen Regeln zu<br />

spielen. So wie Lindsey Vonn nicht mit<br />

dem regulären US-Ski-Team arbeitete,<br />

sondern mit ihrem Privattrainer Robert<br />

Trenkwalder, so baute sich die 19-jährige<br />

Mountainbikerin ihre Mannschaft nach<br />

ihren Bedürfnissen und Wünschen. Reklamierte<br />

langjährige Vertraute wie Patentante<br />

Angie (einst selbst erfolgreiche<br />

Racerin) als persönliche Assistentin ins<br />

Team, um den Rücken frei zu haben fürs<br />

Rennfahren. Hielt vieljährigen Sponsoren,<br />

die sie in großen Teams hätte aufgeben<br />

müssen, die Treue und integrierte sie in<br />

die neue Struktur. Fand mit US-Hersteller<br />

Trek einen Branchenriesen als Rahmenhersteller,<br />

der nicht jeden Cent zweimal<br />

umdrehen muss. Bekam mit zwei hungrigen<br />

männlichen Junioren Teamkollegen,<br />

an deren Speed sie sich messen kann. Bereits<br />

beim ersten Roll-out in Frankreich<br />

mit dem neuen Material erkannte die<br />

Salzburgerin, dass sie wieder die Alte<br />

war. Vielleicht sogar mehr als das.<br />

Die Begleichung einer<br />

offenen Rechnung<br />

Der Auftakt zur Saison 20<strong>21</strong> des UCI<br />

Mountainbike World Cup fand in Leogang<br />

statt. Ausgerechnet auf jener Strecke, die<br />

ihr ein halbes Jahr zuvor zum Verhängnis<br />

geworden war. Natürlich regnete es auch<br />

wieder. Der teuflische Sprung war bis<br />

zum zweiten Trainingstag gesperrt, für<br />

Männer wie für Frauen gleichermaßen.<br />

Er war unspringbar. An diesem Tag hätte<br />

er mit ziemlicher Sicherheit Karrieren beenden<br />

können. Als er geöffnet wurde, war<br />

klar, dass Vali nun eine Rechnung begleichen<br />

musste: sie gegen die Strecke in Leogang.<br />

Wenn du auch nur an einer Stelle<br />

kneifst, brauchst du dich erst gar nicht<br />

an den Start zu stellen, so Hölls Logik.<br />

Sogar die Tageszeitungen berichteten<br />

und bauten mit Patriotismus Druck auf:<br />

Vali möge doch „für Österreich“ gewinnen.<br />

Die Saalbacherin fängt mit so einem<br />

Konstrukt allerdings herzlich wenig an.<br />

„Aus welchem Land ich komme, ist doch<br />

sekundär“, sagt sie und zuckt mit den<br />

Schultern. „Ich gewinne in erster Linie<br />

für mich, meine Freunde, meine Familie,<br />

mein Team. Den Heim-Aspekt habe ich<br />

eigentlich nicht als zusätzlichen Druck<br />

wahrgenommen, nein.“<br />

Und der Sprung? Angst oder wenigstens<br />

Respekt davor? „Weder noch. Okay,<br />

Beim Comeback muss<br />

Vali zweimal stark<br />

sein: auf der Strecke<br />

und auf Instagram.<br />

vielleicht doch Respekt. Im letzten Jahr<br />

war ich einfach zu langsam, daher der<br />

Sturz. Heuer war der Regen stärker, der<br />

Schlamm dadurch weicher. Ich wusste,<br />

dass sich das ausgeht, wenn ich vorher<br />

zwei-, dreimal g’scheit reintrete.“<br />

Sie sprang, landete, dann war erst einmal<br />

nichts. Und dann hörte man einen<br />

Schrei unter dem Helm, einen Schrei der<br />

Erleichterung. Da war also doch etwas<br />

passiert in der Athletin Höll, mental.<br />

Vali 1, Sprung 0, und so würde das<br />

künftig auch bleiben.<br />

Was hast du dir gedacht, als du gelandet<br />

bist? „Ich war schon erleichtert.<br />

Ich wusste ja, dass ich es kann, aber nach<br />

dem Sturz brauchte ich eben auch die<br />

Bestätigung im richtigen Leben. Darum<br />

auch der Schrei.“<br />

Und dass ausgerechnet die Heim- zur<br />

Schicksalsstrecke wurde, war dir echt<br />

egal? „Klar kennen mich in Saalbach/<br />

Leogang mehr Menschen als auf den<br />

anderen Stationen im UCI Mountainbike<br />

World Cup, aber eigentlich hat sich das<br />

soziale Element eines Athleten ohnehin<br />

schon längst ins Internet verlagert.“<br />

Vali Höll ist mit ihren 19 Jahren ein<br />

digital native, obwohl sie den ganzen Tag<br />

draußen ist. Sie ist damit aufgewachsen,<br />

dass Sponsoren digitale Präsenz verlangen.<br />

Sie kennt es nicht anders. Die Zahl<br />

der Follower ist genauso eine Währung<br />

wie die Zeit im letzten Rennen, bloß<br />

weitaus unfairer. Zwischen Startgatter<br />

und Lichtschranke im Ziel hast du als<br />

Mountainbiker nicht nur den Lenker in<br />

der Hand, sondern auch dein Schicksal.<br />

In den digitalen Zwischenräumen mit<br />

ihren dunklen Ecken voller Trolle nicht.<br />

Guter Rat von<br />

einer Bike-Legende<br />

Wenn du nach acht Stunden Schinderei<br />

auf dem Weg zum Comeback abends in<br />

den Kommentaren auf Instagram lesen<br />

musst, dass du es ohnehin nicht bringst,<br />

dann musst du ein zweites Mal stark sein.<br />

„Ich kann nicht behaupten, dass mich<br />

das anspornen würde. Es ärgert mich<br />

auch nicht wirklich. Ich empfinde es bloß<br />

als lästig und ermüdend.“<br />

In dieser schwierigen Situation holte<br />

sich Vali Höll Rat bei der Besten. Ihrem<br />

Vorbild, von dem sie sich als Kind Autogramme<br />

geholt hatte. Die ihr zur lieben<br />

Freundin geworden war: der fünffachen<br />

Weltmeisterin, sechsfachen World-Cup-<br />

Gesamtsiegerin und Trägerin des Laureus<br />

World Sports Award, Rachel Atherton.<br />

„Sie hat mir gesagt, was für sie in schwierigen<br />

Situationen, von Verletzung bis<br />

Shitstorm, wichtig war und wie sie den<br />

Fokus behalten hat, indem sie nach vorn<br />

geschaut hat auf den nächsten Tag, an<br />

dem sie aufs Bike kann. Wie sie ein Jahrzehnt<br />

lang mit Situationen umgegangen<br />

ist, die ich jetzt zum ersten Mal erlebe,<br />

bewundere ich sehr.“<br />

Auf das große Duell zwischen der<br />

dominanten Downhillerin des letzten<br />

Jahrzehnts und dem Super-Talent aus<br />

Österreich müssen die Fans dennoch<br />

verzichten: Rachel wurde im Juli Mutter.<br />

Vali ist das nur recht: „Ich weiß nicht, ob<br />

ich gegen Rachel voll hätte fahren können.<br />

Da ist noch immer zu viel Respekt.“<br />

Was hast du aus dem Sturz in Leogang<br />

mit seiner Verletzung und dem Weg<br />

zurück gelernt? Vali Höll: „In unserem<br />

Sport wird es dich immer wieder mal<br />

auf die Pfeife hauen. Einmal ist keinmal.“<br />

Und dann? „Dann stehst du auf und<br />

machst weiter.“<br />

Mehr Vali in allen Lagen auf Instagram:<br />

@valihoell<br />

VALI HÖLLS RASANTE<br />

BIKE-KARRIERE<br />

Eine dreiteilige Doku zeigt ihren<br />

kometenhaften Aufstieg<br />

„Past – Presence – Future“ zeigt Valis<br />

Weg von der Doppelweltmeisterschaft<br />

bei den Junioren in die UCI Weltcup-Elite.<br />

Inklusive Comeback nach der Sprunggelenksverletzung.<br />

Ab 28. Juli bei<br />

<strong>Red</strong> Bull TV. redbull.com/valihoell<br />

THE RED BULLETIN 53

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