Leseprobe Achtsamkeit

Zum Zweiten geht es um die psychologische Flexibilität – die Fähigkeit,
die Aufmerksamkeit »bewusst« auf alle Ihre Erfahrungen
zu richten. Ich erinnere mich noch lebhaft an eine bestimmte Situation,
als ich als Psychologiestudent ein Gespräch mit meinem
Professor hatte. Plötzlich stürmte sein Chef, der Fachgebietsleiter,
in sein Büro und überschüttete ihn mit Vorwürfen. Dieser Auftritt
dauerte wenige Minuten, in denen der Chef gar nicht bemerkte,
wie unangemessen sein Verhalten war, vor allem in meiner Gegenwart.
Abschließend stieß er noch eine Drohung aus, verließ den
Raum und schlug die Tür zu. Plötzlich herrschte eine ohrenbetäubende
Stille.
Ich war verlegen und unsicher, also stand ich auf, um leise zu
gehen. In diesem Moment drehte sich mein Professor zu mir um
und sagte mit ruhiger Stimme: »Er hat ein Problem, nicht wahr,
Martyn? Also, wo waren wir?« Nie habe ich diese vollkommen
emotionslose Reaktion auf diese aus Sicht der meisten Menschen
höchst verstörende Situation vergessen. Mehr als seine erstaunliche
Gelassenheit hat mich seine Fähigkeit beeindruckt, seine
Aufmerksamkeit wieder auf das zu lenken, was ihm in diesem
Moment wichtig war – ganz ohne sich ablenken zu lassen. Sofort
erkannte ich, wie wichtig es ist, diese Fähigkeit zu üben, doch erst
Jahre später verstand ich, dass sie in der östlichen Psychologie
als Gleichmut bezeichnet wird und ein wichtiger Grundpfeiler der
Achtsamkeit ist.
Achtsamkeit erlaubt es Ihnen also, die Verbindungen zwischen
Ihrem Denken, Ihren Gefühlen und Ihrem Verhalten bewusster
wahrzunehmen. Als achtsamer Mensch reagieren Sie weniger sensibel
auf Ihre Erfahrungen und entwickeln stattdessen eine Reihe
von Antworten auf Herausforderungen und Chancen. Sie nehmen
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