Bretter - ORF
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Klopf auf Holz, das weiß er auch nicht, aber das hat er nicht vergessen. Noch nie hat er gewusst,<br />
was das bedeutet.<br />
Ein ganzes Leben fragt man sich, was das bedeutet, Klopf auf Holz. Immerhin, man könnte ja<br />
irgendwo anrufen und fragen, denkt er.<br />
Es klopft.<br />
Herein, denkt Herr Maté. Doch er sagt es nicht.<br />
Gescheiter wäre, Heraus, meint er. Immerhin wohnt die Totenuhr doch im Brett. Totenuhr, komischer<br />
Name, denkt er.<br />
Im Mittelalter haben die Leute viel Angst gehabt. Herr Maté hat keine Angst. Vor Uhren hat er<br />
überhaupt keine Angst. Er hat auch eine Uhr.<br />
Man könnte sie wieder mal aufziehen, denkt er.<br />
Nicht vergessen: Kuckucksuhr aufziehen, Klopf auf Holz fragen!<br />
Hoffentlich bekomme ich Besuch, denkt er.<br />
Herr Maté hat einen Einfall: Wenn die Totenuhr in die Kuckucksuhr übersiedelt, kann sie vielleicht<br />
zusammen mit dem Kuckuck die Stunden ansagen. Der Kuckuck ruft und der Wurm klopft. Das<br />
wäre lustig. Jedenfalls, aus Holz ist sie, die Uhr. Auch der Kuckuck.<br />
Grauslich wäre eine Wurmuhr. Statt des Kuckucks sieht jede Stunde ein Wurm aus der Uhr und<br />
klopft.<br />
Grauslich, denkt er. Lustig wäre es aber doch.<br />
Es klopft.<br />
Herr Maté dreht sich ein wenig im Bett. Zeit aufzustehen, denkt er.<br />
Langsam richtet er sich auf und setzt sich auf die Kante. Von hier kann er sehen, dass es draußen<br />
schon hell ist. Drüben beim Fenster steht der Sessel. Wenn er sich zuerst am Bett, dann am<br />
Schreibtisch anhält, kann er bis zum Sessel gehen.<br />
In der Früh wird das Frühstück gebracht. Im Styropor. Herr Maté mag das nicht. Er mag es nicht,<br />
wenn er noch im Bett liegt, wenn ihm das Frühstück gebracht wird. Styropor mag er auch nicht.<br />
Natürlich kann man das Essen nicht in einer Steinschale bringen, das leuchtet ihm ein. Aus<br />
Holz vielleicht, zumindest im Mittelalter, damals vielleicht aus Holz, Steinschalen vielleicht in der<br />
Steinzeit.<br />
Das müsste man im Lexikon nachlesen, ob in der Steinzeit das Essen in Steinschalen gebracht<br />
wurde, denkt Herr Maté.<br />
Einem König vielleicht. Königen wurde das Essen vielleicht in Steinschalen gebracht.<br />
Jetzt hat er den Sessel erreicht und setzt sich.<br />
Am Morgen scheint die Sonne durchs Fenster.<br />
Der Bügel der Straßenbahn zieht über das Fensterbrett.<br />
Auf der Baustelle drüben wird gehämmert und gesägt.<br />
Wenn die Straßenbahn um die Kurve quietscht kann er bis fünf zählen, dann zieht der Bügel über<br />
das Fensterbrett.<br />
Man könnte den Sessel auch näher ans Fenster rücken, denkt Herr Maté, um die Straßenbahn zu<br />
sehen. Vielleicht hat der Bügel ja gar keine Straßenbahn. Unsinn, denkt Herr Maté, einen Bügel<br />
ohne Straßenbahn gibt es nicht.<br />
Außerdem sieht Herr Maté nicht mehr so gut. Jedenfalls hört er. Die Jungen sehen, denkt er, sehen<br />
besser als sie hören. Es scheint ihm, dass er früher auch besser gesehen als gehört hat. Wenn man<br />
alt ist, hört man besser als man sieht. Besser, denkt er, besser ist vielleicht nicht das richtige Wort.<br />
Logisch, denkt er, die Geräusche kommen auch um die Ecke.<br />
Die Straßenbahn quietscht. Herr Maté zählt bis fünf, dann zieht ihr Bügel über das Fensterbrett.<br />
Es klopft.<br />
Herein, sagt Herr Maté.<br />
Jemand kommt herein mit der Zeitung und einer Styroporschachtel in der Hand.<br />
Meistens Hühnerkeule, denkt er. Herr Maté öffnet die Schachtel. Dampf steigt aus dem Styropor<br />
auf.<br />
Und Gurkensalat, denkt Herr Maté, seltsam, Gurkensalat. Gurken kocht man nicht. Paprika,<br />
Paradeiser, Kohl alles kocht man, denkt er. Erbsen, denkt er, Erbsen kocht man auch.<br />
Vielleicht in der französischen Küche, denkt er, da kocht man ja auch Schnecken. Vielleicht kocht<br />
herr maté<br />
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