Bretter - ORF
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im jüngsten Alter die schwersten Gehörschäden von der brüllenden Säge, die aus brutalen<br />
Baumstämmen zahme <strong>Bretter</strong> und Latten schneidet. Der Wald ist gefährlich, mit seinen<br />
Tieren und dunklen Stellen, an denen der Chef sich gerne versteckt. Gern geht er hinein in den<br />
Wald mit dem Sohn und zeigt ihm seinen Zapfen, den der Kleine streicheln darf. Ein zahmes Tier<br />
des Waldes, man darf es nur keinem weitererzählen, sonst beißt es dich tot. Der Samen des Zapfens<br />
tropft still auf die Erde, der Sägewerkchef braucht schließlich mehr Bäume.<br />
Die Mutter weiß es längst, welche Tiere der Sohn im Wald streicheln darf, doch die Herz-Schläge<br />
des Mannes lassen sie schweigen wie das Gold in ihrem Schmuckkästchen. Der Mann stopft ihr das<br />
Maul mit Juwelen und zum Dank dafür darf er ihr seinen Schwanz nachstopfen. So ein Hochzeitstag<br />
tut gut; und das Kind bleibt verschont. Sich selber schont der heilige Werkschef nicht, er arbeitet<br />
hart und ist der Partei ein treues Mitglied, von dem man viel erwarten kann. Man stärkt ihm den<br />
Rücken mit Stücken aus Geld und Geschäften, die man ihm bereitwillig zuspielt. Der Trachtenverein<br />
lässt sich ein Holzblockhaus bauen und hängt dort ein Bild von ihrem Götzen auf: Bürgermeister soll<br />
er werden; unser Obmann ist er schon längst und wir vertrauen ihm blind.<br />
Blind muss man sein, um ihm zu vertrauen. Brutal wie seine Säge zeigt er rücksichtslos seinen<br />
Mitbewerbern die messerscharfen Zähne. Überall mischt er mit, in der Wirtschaft wie beim Kartenspiel<br />
im Wirtshaus. Locker fallen ihm die Sprüche, wie warmes Sägemehl, zwischen den alpinweißen<br />
Zähnen hervor und überzeugen seine Anhänger (er hat einen ganzen Fuhrpark davon). Dass er<br />
seinem Kind im Wald einen Zapfenstreich spielt, darüber will niemand etwas wissen, wenn der<br />
Sägewerkbesitzer eine Stammtischrunde schmeißt. Die Menschen um ihn haben nur eine Stimme,<br />
der er kein Gehör schenkt, er will sie nur zählen – die Wahl steht schon vor der Tür. Das Kind hat<br />
noch keine Stimme, es dürfte sie auch nicht benutzen; zuviel könnte es sagen. Und wieder schlägt<br />
er im hirschgeweihgesäumten Vorhaus dem Kind auf die Schläfe und bringt es dazu noch mehr zu<br />
stottern und öfter ins Bett zu pinkeln, damit es die Schläge verdient. Schlagen Sie zu, steht es in<br />
seinen Werbeprospekten geschrieben und so kann man sich an ihm und seinem Holzblockhaus ein<br />
Beispiel nehmen.<br />
Schon steht er vor der Tür, der heilige Wahlsonntag unseres Herrn. Der Kirchengang ist eine<br />
schöne Pfl icht. Der Sägewerkchef hört schon die Stimme des heiligen Jesus auf dem Wahlzettel<br />
sein Kreuzerl aufstellen, auf dem der Sohn des Volkes heute nur für dessen Partei sterben soll. Der<br />
neue Pfarrer fi ckt keine Kinder und so ist der Sohn als Ministrant dabei, denn die besten Seiten<br />
des Kindes hebt der Vater sich gerne für das eigene fl eischige Wohl auf. Wohlauf geht’s nach der<br />
Predigt vom hochheiligen Messezentrum ins Wirtshaus, dem Wahlbüro der Marktgemeinde, wo die<br />
Blitzlichter der örtlichen Berichterstattung den Spitzenkandidaten erwarten. Dort steckt er sein Ding<br />
in den Schlitz und die Zähne blitzen den Linsen entgegen – das Kind wird auf den Arm genommen.<br />
Der Familiensonntagsspaziergang führt in die Wahlzentrale im neu gebauten Trachtenvereinshaus.<br />
Gespannt steht die Sägewerksfamilie vor dem Bildschirm. Der Kandidat trägt vor Aufregung eine<br />
raue Latte in der Hose, die das Kind, zur Feier des Tages, heute noch hobeln wird dürfen.<br />
Im Sägewerk brennt’s! tönen die Rufe – und alles rennt. Angesengt steht es da, das heilige<br />
Segenwerk, in seiner eigenen Asche versinkend. Verschwindende, lodernde Reste erblickt er noch,<br />
der Sägewerkchef in lodener Weste. In Flammen steht es, sein Lebenswerk, in die er sich stürzt, um<br />
zu retten, was schon lange verloren ist (er hat sich noch nie zurückhalten können). Die Frau hält das<br />
Kind an seiner kurz angebundenen Leine und ihnen beiden die Augen zu, im Augenblick da er sich<br />
in sein Glutnest wirft. Da brennt es, sein Leben, und er legt sich selber nach. Wo sind unser heiligster<br />
Gott und seine hoch gepriesenen Mitarbeiter? – mit der freiwilligen Feuerwehr beim Kirchenwirt? Mit<br />
Blaulicht kommen sie angefahren – Weihwasser marsch! – es heult die Sirene und Irene, die Frau,<br />
und ihr Kind heulen mit ihr Tränen, um das Feuer zu löschen; doch der neueste Bürgermeister der<br />
schönen Marktgemeinde steigt nicht mehr aus seiner Asche.<br />
Die Segenwerkskapelle spielt ihn schön, den Trauermarsch, als man den seligen Chef zu Grabe<br />
trägt. Die Mitarbeiter tragen Trauer, doch vielmehr Furcht vor der Arbeitslosigkeit in ihren Köpfen<br />
und Herzen. Das Kind und die Mutter weinen Rotz und Wasser – sie sind jetzt erlöst. So lässt<br />
man ihn hinab, damit er hinauffahren möge in seinen angebeteten Himmel, im maßgetischlerten<br />
Eichensarg. Darin liegt er, weich gebettet, umhüllt von den <strong>Bretter</strong>n seines Lebens-Werkes.<br />
Dem Kind gefällt die Blasmusik; dass es bald nie wieder glücklich werden wird können, weiß es<br />
noch nicht und unschuldig befühlt es in seiner Rocktasche einen einsamen Zapfen.<br />
segenwerksbesitzer<br />
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