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Bretter - ORF

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Vorwort<br />

Man kann alles lernen. Kann man alles lernen? Für Schauspieler gibt es das Reinhardt-Seminar. Für<br />

Künstler die Angewandte und die Bildende. Für Filmemacher die Filmhochschule, für Musiker die<br />

Musikhochschule und die Jazzakademie, für Schriftsteller. Für Schriftsteller nichts. Für Schriftsteller<br />

die „Schule für Dichtung“ und Volkshochschulkurse und fertig.<br />

Darüber sollte Elisabeth Gehrer und wer immer sie als Wissenschaftsministerin ablösen wird, einmal<br />

nachdenken: Dass es im Literaturland – was heißt: im Literaturnobelpreisland! – Österreich keine<br />

Schriftsteller-Ausbildung gibt. Nur learnin by doing (oder besser: learning by Verlagsabsagen), nur<br />

Internet-Foren, nur Literaturwettbewerbe wie jener, bei dem ich mit 17 mal mitgemacht habe. Nur<br />

Talentwettbewerbe, wie den „Wortlaut“.<br />

Talentwettbewerb, ja: Denn das ist es, was ein Auswahlverfahren wie der FM4-Literatur wettbewerb<br />

und seine Jury tatsächlich leisten können: Talent zu erkennen, hoffentlich, auf der Basis<br />

eines einzigen Textes. Wobei es sich insgesamt, so selbstkritisch und pessimistisch muss man das<br />

leider betrachten, um ein fehleranfälliges System handelt: Vielleicht tut sich das junge Talent mit<br />

dem vorgegeben Thema schwer, macht vielleicht grad eine komplizierte Zeit durch, ist unglücklich<br />

verliebt, muss sich um Dinge kümmern, die der Schaffung von Literatur nicht zuträglich sind. Und<br />

wenn die Texte allen widrigen Umständen zum Trotz doch ausgedacht, verfasst, überarbeitet und<br />

endlich abgeschickt wurden, haben die Mitglieder der Jury, in dem Moment, in dem sie die Texte zu<br />

lesen und zu beurteilen haben, vielleicht ganz ähnliche Probleme ... Was ich damit sagen will: Der<br />

„Wortlaut“ ist nicht der Papst. Die „Wortlaut“-Jury ist nicht unfehlbar. Ein Literaturwettbewerb wie<br />

der „Wortlaut“ kann Schriftstellerinnen und Schriftsteller nicht erfi nden, und er will sie auf keinen<br />

Fall aufhalten. Auch wenn ihre Texte in diesem Buch fehlen.<br />

Das Thema „<strong>Bretter</strong>“ war vorgegeben, an das sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weniger<br />

oder mehr hielten: Sie richteten ihre Texte daran aus oder ließen die „<strong>Bretter</strong>“ einfl ießen, durchaus<br />

auch auf suboriginelle Weise, denn die „<strong>Bretter</strong>, die die Welt bedeuten“ und das „Brett vor dem<br />

Kopf“ wurden den Mitgliedern der Jury so oft über den Kopf gezogen, dass es schon auch wehtat.<br />

Was im Prinzip in Ordnung ist: Eine Jury soll ruhig leiden. Diese Jury versuchte trotzdem redlich,<br />

die besten Texte auszuwählen, dennoch: Die 10 Texte, die in diesem Buch zu lesen sind, sind das<br />

vielleicht nicht. Aber es sind die 10 auffälligsten: Texte, die durch ihre Ideen bestachen, ihren Stil,<br />

durch ihre Fantasie oder ihre Frechheit, durch ihren Mut. Durch ihr unübersehbares Talent. Oder<br />

durch alles zusammen.<br />

Wie ich mit 17 mal bei einem Literaturwettberb mitgemacht habe, fl og mein Beitrag schon in der<br />

ersten Runde raus. Die Autorinnen und Autoren, deren Texte hier zwischen diese beiden Buchdeckel<br />

gelangten, waren sehr viel erfolgreicher; und mit was? Mit Recht.<br />

Doris Knecht, September 2005<br />

Doris Knecht ist Journalistin in Wien und Zürich; sie schreibt für Falter, Tagesanzeiger, profi l und<br />

Presse. Ihr Buch „Hurra. Anleitung zum Doppelleben in 111 Schritten” ist im Czernin-Verlag<br />

erschienen.<br />

vorwort<br />

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