Bretter - ORF
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Da mischten sich böse wie erstaunte Blicke aus dem enttäuschten Publikum und ich ortete gleich,<br />
dass ich zwischen sämtliche Fronten gleichzeitig geraten war.<br />
Entgegen des ursprünglichen Plans war Rupert Tomassi durch das Erscheinen des Ensembles<br />
nicht aus der Fassung zu bringen. Im Gegenteil, er ging zum Gegenangriff über, schlug ungewohnt<br />
amikale Töne an und hatte mittlerweile jedem außer mir auf die Schulter geklopft. Während Ate<br />
weiteren Rauch in meinem Zimmer verteilte, sich ihres Pullovers entledigte und eine enge weiße<br />
Bluse präsentierte, unter der sie berechtigterweise nichts zu tragen schien, wurden Heras Augen mit<br />
jedem Atemzug von der Missgunst zerfressen. Noch dazu hatte sie sich auf meinen Schoß gesetzt,<br />
so als wäre das wieder die natürlichste Sache der Welt. Nun wünschte ich doch, oben würde ein<br />
Feuer ausbrechen oder einer der Halbtoten würde sich aus dem Fenster stürzen, damit sie von<br />
unserem Sitz weggelockt wurde, aber keiner meiner Kollegen schien mir heute einen Gefallen tun<br />
zu wollen.<br />
„Es ist der reinste Psychoterror“, fi ng eine Gepeinigte, die die Gräfi n Du Barry spielte, an, ihr Leid<br />
zu klagen.<br />
„Es ist ja kein Wunder, so wie wir in die Schulden geführt worden sind“, gab die Herzogin von<br />
Châteauroux zu bedenken. Auf Heras Zwischenfrage versicherte ich, dass ich mich nicht in ihre<br />
Revolution eingemischt hatte. In Wahrheit hatten sie mich mehr als einmal gebeten, ihr Robespierre<br />
zu sein, aber ich erinnerte sie beständig daran, dass man diesen ein paar Jahre nach der Wende<br />
ebenfalls aufs Schafott gezerrt hatte.<br />
Ich staunte selbst, wie gut sich meine Frau aufs Zuhören verstand, wenn die Sorgen nicht aus meiner<br />
Richtung klangen. Sie erfuhr, dass neuerdings JEDER Mitarbeiter beim Verlassen des Theaters<br />
die Eingangshalle kontrollieren musste, ob auch ja alle Programmblätter und Champagnergläser<br />
weggeräumt worden waren. Zigaretten waren in den Büroräumen verboten worden (von Marihuana<br />
in den Technikräumen ganz zu schweigen) und draußen vor der Tür durfte nur geraucht werden,<br />
wenn gerade Regenzeit war.<br />
„Geatmet wird auf Befehl“, sagte die Du Barry. „Trinkwasser wird kostenpfl ichtig.“<br />
Natürlich war auch an mir nicht vorbeigegangen, dass er umherschritt mit seinem drahtigen Gang<br />
und seiner wehenden weißen Mähne, als wollte er Franz-Josef Strauß’ Geist wiedererwecken, weil<br />
es bei ihm zu einem ordentlichen Stoiber-Speichellecker nicht ganz gereicht hatte. Immer mehr<br />
und mehr Kollegen gingen plötzlich auf Kur oder ließen sich von Nervenärzten behandeln. Niemand<br />
stellte sich mehr als Betriebsrat auf. Jeder achtete plötzlich auf seinen Rücken, weil Mobbing und<br />
Anschwärzen wie die Pest grassierten. Während sie Hera weitererzählten und diese aufgeregt in<br />
meinem Schoß zu wippen begann, starrte ich Ate an, die im Schneidersitz wippte, eine Hand in<br />
ihren Schoß gelegt und mit ihrem Blick eine Reaktion in meiner Hose zu provozieren versuchte. Ich<br />
wehrte mich tapfer, auch wenn ich wusste, dass ich Tag für Tag zu einem leichteren Opfer werden<br />
würde.<br />
Tomassi wandte die besonders feige Taktik an, mit niemandem von Angesicht zu Angesicht die<br />
Klingen zu kreuzen, sondern nahm sich immer den jeweiligen Vorgesetzten zur Seite und hielt ihn<br />
mit seiner Nerverei von der Arbeit ab. Es schien, als wollte er das Theater lieber vernichten, als es<br />
aus dem Orkan zu fahren. Nur so erklärt es sich, dass er die skurilsten Entscheidungen traf: Erst am<br />
Abend zuvor hatte er die Feuerwache rausgeworfen und einen unachtsamen Raucher, der ein alter<br />
Freund von ihm war, dafür eingestellt.<br />
Er hatte einige frühzeitige Pensionen bewilligt, um wichtige Machtpositionen unter seiner Hand zu<br />
sammeln. Das alles ging im Höllentempo eines Oligarchen vor sich; aber dennoch blickte er zu<br />
dumm aus der Wäsche, als dass das alles auf seinem eigenen Mist gewachsen wäre.<br />
Ate hatte nun tatsächlich ihre Nippel wie kleine rosa Antennen in meine Richtung gestellt. Ich war<br />
süchtig nach ihren Funkwellen und wollte ehebaldigst an ihren Knöpfen drehen. Hera tatschte<br />
derweil unwissend an meiner Hand mit dem Ehering herum, so als solle jeder sehen, welch Glück<br />
wir nicht hatten, für immer zusammengeschweißt zu sein.<br />
Überall wurde gespart, erzählten die Mädchen weiter, dafür wurden Millionen für die neue Bühne,<br />
bessere Werbung und freundliche Presseberichte ausgegeben. Er kam montags bis sonntags<br />
wann immer es ihm passte und kontrollierte sogar wie der Nachtwächter seine Arbeit erledigte. Im<br />
Innenraum des Theaterkörpers schlich sich der Schlendrian wie ein Wurm durch das morsche Holz.<br />
Der Bühnenboden glänzte dafür wie der Sternenhimmel in der Beleuchtung darüber.<br />
Dann war die Berichterstattung vorüber und man erwartete, dass von Hera und mir ein Urteil<br />
gesprochen wurde. Mir war, als hätten die Schüler den Eltern ihr Leid über den neuen Klassenvorstand<br />
bretter<br />
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