Bretter - ORF
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Rudi Stüger jun.<br />
geboren 1984 in Gmunden. Er wächst in Ebensee auf dem Gebiet des ehemaligen Konzentrationslagers<br />
auf, besucht zuerst ein Gymnasium in Bad Ischl und später ebendort die Handelsakademie. Am<br />
Lesen hatte er schon immer seine Freude, seit wenigen Jahren widmet er sich auch aktiv dem<br />
Schreiben. Was einmal aus ihm werden wird, weiß er noch nicht. Was er weiß ist, dass er M. liebt!<br />
Segenwerksbesitzer<br />
Eine selige Säge, eine gesegnete Säge, die der Pfarrer abgesegnet hat mit seinem Weihwasser, ehe<br />
man ihn abgesägt hat, als er dem Ministranten ins heiligste Weihrauchfasserl gegriffen hat. So eine<br />
besitzt er. Auf dem Land macht man so etwas, dass man sich die Säge segnen lässt, damit keiner,<br />
der bei der Arbeit den Kopf verliert, die Hand verliert oder auch nur ein paar Finger. Der heilige Gott<br />
und seine Mitarbeiter schauen auf das Sägewerk und seine Mitarbeiter und ganz besonders auf den<br />
Chef, der es veranlasst hat, dass sein Werk gesegnet, sein Sägewerk zum Segenwerk gemacht wird.<br />
Ein gesegnetes Werk zum Sägen von Holz, ein gefährliches Handwerk, ein schwerer Beruf, zu dem<br />
man berufen sein muss, wie er glaubt.<br />
So steht er jeden Morgen auf und geht hinüber, nur über die Straße, denn er wohnt gleich neben<br />
seinem heiligen Werk, im selbstgebauten Holzblockhaus mit Herrgottswinkel. Das Holz vor der<br />
gesegneten Hütte imponiert, er zeigt es gernejedem und lagert es auf einem Holzplatz vor der<br />
Säge, dass jeder es sehe. Die Mitarbeiter sind glücklich, dass es ihn gibt, wo könnten sie sonst ihre<br />
wertlose Zeit verbringen, als im kreischenden Segenwerk. Sie hören gut zu, was der Chef sagt, und<br />
gehorchen. Die Hörigkeit des Fußvolks ist ihm wichtig. Er verkauft seine Hölzer bis nach Italien,<br />
wohin er gern auf Urlaub fährt, darum muss alles wie am Schnürchen laufen – das Überleben des<br />
Werks hängt am seidenen Faden (der Wirtschaft geht’s nicht gut; darum wählt er die Partei des<br />
Volkes und hört dessen Musik). Woher das Geld kommt, ist egal, wichtig ist, dass die Mitarbeiter<br />
aus Österreich sind. Er hat es sich nie leicht gemacht, der Sägewerksbesitzer, zahlt anständige<br />
Löhne an anständige Angestellte und Arbeiter. Die Sicherheit der Holzarbeiter ist geboten,<br />
wenn auch nicht oberstes Gebot, denn an der Wirtschaftlichkeit kommt man nicht vorbei. In der<br />
heutigen Zeit hat kaum jemand Geld, es gibt immer mehr Bettler, die sich kein Holzblockhaus, wie<br />
er es besitzt, leisten können.<br />
Die Partei der Blumen und Wiesen, die Landschaftspartei in der heimischen Parteienlandschaft ist ihm<br />
ein Dorn im Auge. Er soll nicht so viel absägen vom schönen, alles umgebenden Wald der Umgebung.<br />
Geld kann man nicht essen, Gold kann man nicht atmen, sagen sie ihm, während er sich mit einer<br />
großzügigen Spende an den Bergsteigerbund selber lobt. Die Natur ist ihm wichtig, nichts hat er lieber<br />
als einen bodenständigen Familienausfl ug in die heimischen Berge, in denen er sich auf heimeligen<br />
Lichtungen ablichten und in den örtlichen Zeitungen abdrucken lässt. Ein Foto beim Abdrücken auf<br />
der Rotwildjagd, im Walkjanker, mit Abzeichen bestückt, hausgemacht von der braven Frau bestickt.<br />
Eine brave Frau, die sticken und gar nicht übel fi cken kann. Manchmal muss er aber trotzdem<br />
hindreschen auf ihr noch jung aussehendes Gesicht. Er hält sie sich gerne bei der Stange, damit<br />
ihr nicht einfi ele eines anderen Stängel zu begehren. Das Kind schaut lieb aus in seinen gestrickten<br />
Wollstutzen und der kleinen Trachtenlederhose. Die Eintracht der Familie mit der Kleintracht des Kindes<br />
macht sich gut im Vierfarbdruck für das Wahlplakat des Sägewerkbesitzers und Bürgermeiste<br />
rsesselanwerbers. Für rechts und Ordnung will er sorgen und sich um die kleinen, betriebsamen<br />
Leute kümmern und nicht um die Kümmeltürken, die uns das Holz wurmig machen und mit ihren<br />
unmäßigen Kindermassen die Schulen verseuchen. Mit der Wirtschaft muss es bergauf gehen,<br />
sagt er beim Interview vom Lokalfernsehsender, vor dem stählernen Gipfelkreuz, das zeigt, dass die<br />
Alpen uns heilig sind.<br />
Seine gesegneten Mitarbeiter wählen ihn nicht, denn sie fürchten ihn, auch wenn er ihnen<br />
das Brot in ihr Körberl legt; nicht einmal die Sekretärin, der er des Öfteren die schönen Fladen<br />
aus den Körbchen holen darf und ein dickeres Gehalt zahlt, solange sie nur nicht zunimmt,<br />
wird ihn wählen. Er vernascht gern hin und wieder eine gute Jause, während die brave Frau<br />
im Holzblockhaus einen Haushalt führt, der ihr das Ein-und-Alles sein muss. Spaß muss sein;<br />
doch zuerst kommt die Arbeit und so haben die Mitarbeiter nicht viel zu lachen und schon<br />
segenwerksbesitzer<br />
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