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Bretter - ORF

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Aber Sie haben Recht, ich wollte Ihnen ja die Sache mit dem Zaun erklären. Also: Dieser wunderbare<br />

Zaun verlieh dem Lager eine großartige Atmosphäre. Den Vorschlag, ihn gleich einzureißen<br />

und durch einen Drahtzaun zu ersetzen (vom Strom war bei uns im Frühjahr ’43 noch nicht die<br />

Rede), habe ich sofort zurückgewiesen. Es mussten zunächst die Ställe, die Scheunen und die<br />

Baracken, dazu die Essräume und die Brunnen errichtet oder instand gesetzt werden. Ich erinnere<br />

mich, dass einer meiner ersten Befehle ausdrücklich lautete, beim Bau der Wachtürme in den Ecken<br />

des Lagerareals strengstens darauf zu achten, die Substanz der <strong>Bretter</strong>zäune nicht zu beschädigen.<br />

Ärger gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, den setzte es dann erst später, so im Hochsommer<br />

1944, kurz bevor die weiblichen Häftlinge dann nach Birkenau gebracht wurden.<br />

Der Alltag im Lager? Ja, mein junger Freund, das ist eine sehr berechtigte Frage, denn wenn es<br />

so etwas wie Entlastungsgründe für mich braucht bei diesem Prozess, dann genau das. Ich habe<br />

peinlich genau darauf geachtet, dass Disziplin und Ordnung herrschten. Wir hatten eine Aufgabe<br />

zu erfüllen und das Letzte, was ich mir zu Beginn meiner Tätigkeit dort nachsagen lassen wollte,<br />

war, dass durch irgendwelche aufrührerischen Aktionen oder auch durch wilde Erschießungen die<br />

Arbeit leide.<br />

Sie müssen wissen, das Lager Babitz war ein Wirtschaftshof. Es ging um landwirtschaftliche<br />

Produktion für das Stammlager. Getreide, Kohl, Wruke, Raps, Rüben wurden angebaut, dazu gab<br />

es die Pferdezucht, die ein Kommando von männlichen Häftlingen übernahm. Das andere der<br />

beiden Kommandos arbeitete mit den Frauen auf den Feldern außerhalb des Lagers. Die Ernten<br />

waren gut, die Böden ertragreich. Wir bekamen regelmäßig Dünger aus Birkenau, Asche aus den<br />

Krematorien. Das tat den Böden gut. Die Pferde, die auf den Feldern eingesetzt wurden, hat man<br />

leider, angeblich kriegswichtig, im Mai 1944 beschlagnahmt. Mir blieb nichts anderes übrig,<br />

als Häftlinge vor die Pfl üge und Eggen spannen zu lassen. Aber das ging auch, freilich etwas<br />

langsamer.<br />

Was draußen auf den Feldern bei der täglichen Arbeit geschah, entzieht sich weitgehend meiner<br />

Kenntnis. Mir wurde ein Trupp ganz junger SS-Männer aus den Totenkopfbataillons zugeteilt,<br />

leider auch einige Ukrainer darunter. Fragen Sie mich nicht, warum seit Mitte ’43 immer mehr SS-<br />

Leute aus ostischen Gebieten zu uns stießen. Na ja, jedenfalls gingen gerade die nicht unbedingt<br />

zimperlich um mit den Häftlingen, die ja auch zu einem Großteil aus Ukrainerinnen bestanden. Bei<br />

den Frauen war das die Hauptgruppe, neben einigen Russinnen und vielleicht zwei Dutzend Polinnen.<br />

Jüdinnen waren bei den Frauen keine dabei, aber immer wieder mal ein paar bei den<br />

männlichen Häftlingen. Die meisten blieben aber nur kurze Zeit und wurden dann wieder abgezogen<br />

ins Stammlager.<br />

Einer der SS-Ukrainer, Schwarzer, glaube ich, hieß der, soll ziemlich gewütet haben draußen auf den<br />

Feldern, und auch einer der jungen Totenköpfl er mit Namen Sauer. Ich habe die beiden ausdrücklich<br />

ermahnt, die Arbeit dadurch nicht zu sehr leiden zu lassen, denn den Versorgungsauftrag der IG<br />

Farben für deren Mitarbeiter, der im Juni 1943 bei mir auf dem Tisch lag, wollte ich auf keinen<br />

Fall gefährdet wissen. Ansonsten interessierte mich das nicht, was auf den Feldern geschah. Mein<br />

Verantwortungsbereich war das eigentliche Lagerareal, und da war ich strikt darauf bedacht, dass<br />

zwar Disziplin, aber eben auch anständige hygienische Verhältnisse und gute Versorgung für die<br />

Häftlinge herrschten.<br />

Ich frage Sie: Wo gab es das schon, dass die Stuben in einem Lager im Winter beheizt waren? Dass<br />

es einen Herd gab in jeder Stube, mehrere Schüsseln mit warmem Wasser, zwei Toiletten? Ich habe<br />

das angeordnet und zwei meiner Mitarbeiterinnen bei der Lagerkommandantur, Frau Bormann und<br />

Frau Friedel Fuhrmann – sie lebt übrigens hier in Wien, wussten Sie das? – achteten peinlich genau<br />

auf Hygiene und Sauberkeit. Einmal gab es eine Typhusepidemie, da haben wir die Häftlinge ihre<br />

Sachen selbst waschen lassen und nicht die verseuchten Kleider aus Birkenau genommen. Binnen<br />

kürzester Zeit war die Epidemie eingedämmt.<br />

Drei Mal am Tag gab es eine Mahlzeit, früh und abends auch Kaffee. Verhungert ist uns niemand und<br />

wenn auf meinem Schreibtisch Meldungen ankamen, dass die Lieferungen aus Babitz umfangreich<br />

und von großer Güte waren, dann ließ ich schon mal eine Sau schlachten zur Belohnung für die<br />

Häftlinge. Das war im Übrigen recht lustig anzuschauen, denn ich überließ diese Tätigkeit ein<br />

paar ganz jungen Polinnen, die so etwas noch nie gemacht hatten. Meine Männer hatten mir das<br />

vorgeschlagen und ich ließ dafür alle Häftlinge antreten zum Zuschauen. Friedel Fuhrmann übergab<br />

sich allerdings, als sie sah, wie die jungen Dinger gierig das warme Blut der Sau tranken.<br />

Kurzum, es herrschte eine geregelte Ordnung in Babitz. Ich möchte sogar behaupten, dass die<br />

Häftlinge froh waren, hier zu sein und nicht in einem der anderen Wirtschaftshöfe, in Plawy<br />

interview mit einem unbescholtenen<br />

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