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HR_Today_6&7_2022

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Arbeit und Recht<br />

THEMA<br />

ursprünglichen Endtermin. Zur Illustration wird<br />

von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, das<br />

unter Einhaltung einer einmonatigen Frist auf<br />

Monatsende gekündigt werden kann. Wird am<br />

15. Mai auf den 30. Juni gekündigt, kommt die<br />

Kündigungsfrist auf den Zeitraum 1. bis 30. Juni<br />

zu liegen. Eine Arbeitsunfähigkeit kann daher erst<br />

ab dem 1. Juni die Sperrfrist auslösen und einen<br />

Unterbruch der Kündigungsfrist bewirken. Ist der<br />

Arbeitnehmende aber während der Kündigungsfrist<br />

arbeitsunfähig, so steht die Kündigungsfrist<br />

während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit still,<br />

solange nicht die Dauer der Sperrfrist überschritten<br />

ist. Ist der Arbeitnehmende also beispielsweise<br />

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vom 11. Juni bis und mit 20. Juni arbeitsunfähig,<br />

steht die Kündigungsfrist während dieser zehn Tage<br />

still und läuft erst am 21. Juni weiter. Das hat zur<br />

Folge, dass die Kündigungsfrist erst 10 Tage später<br />

abläuft, also am 10. Juli statt am 30. Juni. Hinzu<br />

kommt, dass im Beispielfall das Monatsende als<br />

Endtermin festgelegt ist. Deshalb geht das Arbeitsverhältnis<br />

gestützt auf Artikel 336c Absatz 3 OR<br />

nicht am 10. Juli, sondern erst am Monatsende und<br />

somit am 31. Juli zu Ende. Wichtig zu wissen: Eine<br />

weitere Arbeitsunfähigkeit während dieser «zusätzlichen»<br />

Verlängerungsphase aufgrund eines Endtermins<br />

beziehungsweise aufgrund von Artikel 336c<br />

Absatz 3 OR (wie hier vom 11. Juli bis zum 31. Juli)<br />

kann keine Sperrfrist mehr auslösen, zumal die<br />

Kündigungsfrist ja schon abgelaufen ist.<br />

Zusätzliches Kopfzerbrechen kann die folgende<br />

Konstellation bereiten: Eine Arbeitsunfähigkeit,<br />

welche die Kündigungsfrist unterbricht, zieht sich<br />

in das nächste Dienstjahr, für das eine andere<br />

Sperrfrist gilt. Das kann beim Übergang vom<br />

ersten zum zweiten Dienstjahr, oder aber jenem<br />

vom fünften zum sechsten Dienstjahr geschehen<br />

(siehe Tabelle). Hier wird mehrheitlich angenommen,<br />

dass die kürzere Sperrfrist massgebend ist,<br />

wenn die Kündigungsfrist nach dem durch die<br />

Sperrfrist eingetretenen Unterbruch noch im<br />

alten Dienstjahr abläuft. Eine allfällige zusätzliche<br />

Verlängerung aufgrund von Artikel 336c<br />

Absatz 3 OR zum Endtermin bleibt insofern unbeachtlich.<br />

Ist die Kündigungsfrist im alten Dienstjahr<br />

aber noch nicht abgelaufen, kommt die<br />

längere Sperrfrist zum Tragen, wobei die Dauer<br />

der im alten Dienstjahr «verbrauchten» Sperrfrist<br />

angerechnet wird.<br />

a<br />

SÄMTLICHE HAUPT- UND NEBENTÄTIGKEITEN BEIM GLEICHEN<br />

ARBEITGEBENDEN UNTERSTEHEN DEM BVG-OBLIGATORIUM<br />

Rechtsanwältin Sonja<br />

Stark-Traber, LL.M.,<br />

Sozialversicherungsfachfrau<br />

mit eidgenössischem<br />

Fachausweis,<br />

ist Partnerin in der<br />

Wirtschaftsanwaltskanzlei<br />

Suter Howald<br />

Rechtsanwälte in Zürich<br />

und sowohl beratend als<br />

auch prozessierend im<br />

Arbeits- und Sozialversicherungsrecht<br />

tätig.<br />

suterhowald.ch<br />

BGE 9C_31/2021, Urteil vom 14. April <strong>2022</strong> (zur Publikation<br />

vorgesehen)<br />

Das Urteil<br />

Arbeitnehmer A. war von 2011 bis 2017 als Sozialarbeiter in<br />

einem 100-Prozent-Pensum tätig und bei der BVK Personalvorsorge<br />

des Kantons Zürich in der beruflichen Vorsorge<br />

versichert. In den Jahren 2013 bis 2015 arbeitete er zugleich<br />

in einem geringen Pensum als sozialpädagogischer Familienbegleiter.<br />

Für diese Nebentätigkeit wurden ihm vom Lohn<br />

keine BVG-Beiträge abgezogen. Für beide Tätigkeiten war A.<br />

beim Kanton Zürich angestellt.<br />

A. klagte beim Sozialversichersicherungsgericht des Kantons<br />

Zürich auf Entrichtung der ordentlichen BVG-Beiträge auf<br />

seinem Nebenverdienst. Das Sozialversicherungsgericht wies<br />

die Klage gestützt auf Art. 1j Abs. 1 lit. c BVV2 ab. Nach dieser<br />

Bestimmung sind Arbeitnehmende, die nebenberuflich<br />

tätig und für eine hauptberufliche Erwerbstätigkeit obligatorisch<br />

versichert sind, oder im Hauptberuf eine selbständige<br />

Erwerbstätigkeit ausüben, der obligatorischen Versicherung<br />

gemäss BVG nicht unterstellt. Das Sozialversicherungsgericht<br />

befand, diese Regelung gelte auch im Fall von Mehrfachbeschäftigungen<br />

beim gleichen Arbeitgebenden, die in keinem<br />

Zusammenhang zueinander stünden.<br />

Das Bundesgericht wiederum hiess die von A. gegen den<br />

Entscheid erhobene Beschwerde gut. Grund für den Erlass<br />

von Art. 1j Abs. 1 lit. c BVV2 sei es gewesen, so weit wie möglich<br />

zu verhindern, dass Arbeitnehmende, die im Dienste<br />

mehrerer Arbeitgebenden stehen, für jede Tätigkeit der obligatorischen<br />

beruflichen Vorsorge unterstellt würden. Das<br />

würde bei den beteiligten Vorsorgeeinrichtungen einen nicht<br />

unerheblichen administrativen Aufwand verursachen, der bei<br />

geringfügigen Nebenerwerbstätigkeiten in keinem Verhältnis<br />

zum verbesserten Vorsorgeschutz des Arbeitnehmenden<br />

stünde. Dieser Zweckgedanke komme jedoch nicht zum<br />

Tragen, wenn ein Arbeitnehmender beim gleichen Arbeitgebenden<br />

mehrere Tätigkeiten ausübe. In diesen Fällen sei<br />

jeweils dieselbe Vorsorgeeinrichtung zuständig, womit der<br />

Mehraufwand für die Versicherung kaum ins Gewicht falle.<br />

Weiter sei auch auf die nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr<br />

hinzuweisen, die bestünde, wenn die aus verschiedenen Tätigkeiten<br />

erzielten Löhne beim gleichen Arbeitgebenden nicht<br />

kumuliert würden. Ein Arbeitgebender könnte damit durch<br />

Abschluss mehrerer Arbeitsverträge mit demselben Arbeitnehmenden<br />

Arbeitsverhältnisse schaffen, die den Mindestlohn<br />

für die obligatorische Versicherung gemäss BVG nicht erreichen,<br />

und auf diese Weise das BVG-Obligatorium ganz oder<br />

teilweise umgehen.<br />

Daraus folgt gemäss Bundesgericht, dass in Fällen, in denen<br />

ein Arbeitnehmender beim gleichen Arbeitgebenden sowohl<br />

im Haupt- als auch im Nebenerwerb tätig ist, Art. 1j Abs. 1<br />

lit. c BVV2 keine Anwendung findet. Vielmehr sind in diesen<br />

Fällen die erzielten Löhne in Anwendung von Art. 2 Abs. 1 BVG<br />

zusammenzurechnen.<br />

Konsequenz für die Praxis<br />

Soweit ein Arbeitnehmender für seine hauptberufliche Tätigkeit<br />

obligatorisch in der beruflichen Vorsorge versichert ist, unterstehen<br />

allfällige Nebentätigkeiten nicht dem BVG-Obligatorium<br />

(Art. 1j Abs. 1 lit. c BVV2). Falls für die Nebentätigkeit keine freiwillige<br />

Versicherung gemäss Art. 46 BVG abgeschlossen wird,<br />

ist der erzielte Nebenverdienst deshalb nicht BVG-beitragspflichtig.<br />

Das Bundesgericht stellte mit dem vorliegenden Entscheid<br />

jedoch klar, dass das nicht gilt, wenn die Mehrfachbeschäftigung<br />

durch den gleichen Arbeitgebenden erfolgt. In diesem Fall sind<br />

BVG-Beiträge auf dem gesamten Verdienst zu entrichten. Arbeitgebende,<br />

die mehr als ein Arbeitsverhältnis mit dem gleichen<br />

Arbeitnehmenden eingehen, sollten deshalb sicherstellen, dass<br />

die BVG-Beiträge auf dem gesamten Lohn entrichtet werden,<br />

um spätere Nachforderungen zu vermeiden.<br />

a<br />

6&7 | <strong>2022</strong><br />

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