HR_Today_6&7_2022
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THEMA<br />
Reverse Coaching<br />
VERKE<strong>HR</strong>T HERUM<br />
REVERSE COACHING BEDEUTETE IN DER VERGANGENHEIT, DASS JUNGE MITARBEITENDE<br />
ÄLTERE IN IT-FRAGEN COACHEN, WÄ<strong>HR</strong>END ERFA<strong>HR</strong>ENE MITARBEITENDE JÜNGERE<br />
BEI WEICHEN FAKTOREN BERATEN. DAS KONZEPT ÄNDERT SICH GERADE.<br />
Gastbeitrag: Rebecca Eberle, Sandra Vögel, Stephan Laske, Peter Ziswiler, Gerhard Graf<br />
6&7 | <strong>2022</strong><br />
Rebecca Eberle,<br />
Consultant Change<br />
Management & <strong>HR</strong>,<br />
Horváth Schweiz<br />
Sandra Vögel,<br />
Senior Advisor Change<br />
Management & <strong>HR</strong>,<br />
Horváth Schweiz<br />
Peter Ziswiler,<br />
C<strong>HR</strong>O Georg<br />
Fischer AG<br />
Die Arbeitswelt hat sich verändert und damit die Ansprüche<br />
der Arbeitnehmenden. Auch das Reverse Coaching muss in<br />
diesem Kontext neu betrachtet werden. Dass es nicht «einfach<br />
so» weitergeht, verdeutlichen die Erfahrungen eines <strong>HR</strong>-Leitenden<br />
eines KMU: «In den letzten beiden Wochen kündigten<br />
drei Nachwuchstalente. Einer nimmt einen Lehrerjob an, die<br />
zweite geht zu einem Start-up-Unternehmen und der dritte<br />
weiss noch gar nicht, was er machen möchte. Ich bin seit<br />
vielen Jahre als <strong>HR</strong>-Leiter tätig und habe so etwas noch nicht<br />
erlebt. Wir haben einen guten Ruf, gelten als Vorzeigearbeitgeber,<br />
sind weltweit aktiv, zahlen überdurchschnittliche<br />
Gehälter und kümmern uns um unsere Leute. Trotzdem verlassen<br />
Spitzentalente unser Unternehmen.» Als Austrittsgrund<br />
fielen immer häufiger die Worte «fehlender Austausch» und<br />
«Lernträgheit». «Ich glaube, erfahrene Angestellte müssen<br />
junge Mitarbeitende besser verstehen. Wie sie denken, arbeiten,<br />
sich vernetzen und leisten. Älteren müssen aufhören,<br />
‹den Jungen› zu erklären, wie die Welt funktioniert, was richtig<br />
und was falsch ist. Andersrum denke ich, dass jüngere<br />
Generationen einen Mehrwert für ihre Karrieren daraus ziehen,<br />
wenn sie besser verstehen, welche Glaubenssätze, Denkhaltungen<br />
und Wertemuster auch künftig für Erfolg stehen. Wenn<br />
wir es schaffen, Erfahrungen und Hintergründe auf Augenhöhe<br />
zusammenzubringen, könnte etwas Neues und Wertstiftendes<br />
für unser Unternehmen entstehen, das uns für die<br />
Zukunft fit macht.»<br />
Reverse Coaching unter der Lupe<br />
Doch was bedeutet Reverse Coaching 2.0 – in Bezug auf<br />
Funktionsarchitektur, Inhalte, Rollen sowie die Aspekte Lernen<br />
und Funktionsbedingungen? Es illustriert einen Modus, wie<br />
unterschiedliche Erfahrungen, Kompetenzen und Werthaltungen<br />
miteinander verknüpft werden. Dabei ist die generationenübergreifende<br />
Entwicklung nebst dem kultur-, hierarchie-<br />
oder teamübergreifenden Lernen ein weiteres<br />
Ordnungskriterium. Wofür sich ein Betrieb entscheidet, hängt<br />
von der aktuellen Unternehmenssituation ab. Die generationenübergreifende<br />
Zusammenarbeit soll Lernvielfalt und Professionalität<br />
im Businessalltag stärken und alle Mitarbeitenden<br />
in ihrer Unterschiedlichkeit aktivieren und entwickeln.<br />
Hierfür praktizieren die Beteiligten ein wechselseitiges Geben<br />
und Nehmen, um das Unternehmen im Sinne einer Hochleistungsorganisation<br />
«zukunftsfitter» zu machen. «Reverse»<br />
steht dabei für eine Dynamik, die an die Kreislaufwirtschaft<br />
erinnert: Das klassische Rollenkonzept von Coach und Coachee<br />
löst sich auf. Beide entscheiden themenspezifisch selbstorganisiert,<br />
wie sie innerhalb eines Austauschs oder über<br />
mehrere Sitzungen hinweg das Wechselspiel ihrer Rollen<br />
gestalten und welche Inhalte sie besprechen. Beispielsweise<br />
Arbeitsmodelle, Wertsysteme, Qualitätsbewusstsein, Digitalisierung<br />
oder Arbeitsmethodik. Die Praxis zeigt, dass die<br />
Lernpräferenz beider Beteiligten darüber entscheidet, wie sie<br />
die Sitzungen gestalten und worüber sie sprechen.<br />
DAS KLASSISCHE<br />
REVERSE COACHING 2.0<br />
ERMÖGLICHT INHALTLICHE<br />
VIELFALT DER PERSPEKTIVEN<br />
UND DENKWEISEN<br />
IM UNTERNEHMEN.<br />
Reverse Coaching 2.0 ermöglicht inhaltliche Vielfalt der Perspektiven<br />
und Denkweisen im Unternehmen. Je unterschiedlicher<br />
die Beteiligten nach Alter, Geschlecht, fachlicher Ausrichtung<br />
oder kulturellem Hintergrund den Dialog suchen,<br />
desto grösser die Chance, passende Antworten auf die<br />
Komplexität und Dynamik des Unternehmens zu finden und<br />
in die Denk- und Handlungsmuster des eigenen Handelns<br />
zu bringen. Auf diese Weise wird abstrakt geforderte Diversität<br />
praktisch eingelöst. Das «Andere» macht neugierig, ist<br />
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