HR_Today_6&7_2022
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Debatte<br />
MEINUNG<br />
MENSTRUATIONSURLAUB?<br />
IN JAPAN GIBT ES IHN BEREITS: DEN MENSTRUATIONSURLAUB. AUCH IN UNSEREN BREITENGRADEN WIRD<br />
ÜBER EINE MÖGLICHE EINFÜ<strong>HR</strong>UNG DISKUTIERT. DOCH BRAUCHT ES IHN ÜBERHAUPT? EINE DEBATTE.<br />
MARTIN GEISENHAINER<br />
Inhaber, Participation Rocks<br />
Die Tatsache, dass wir uns mit dem Umgang der Menstruation<br />
und den damit verbundenen Mühseligkeiten für<br />
Frauen beschäftigen, ist richtig und überfällig. Immerhin<br />
menstruiert die eine Hälfte der Menschheit monatlich.<br />
Das Thema wäre omnipräsent und formal bestens geregelt,<br />
hätte die andere Hälfte besagter Menschheit mit<br />
Monatsblutungen zu kämpfen. Ein öffentlicher Diskurs<br />
ist ein erster, notwendiger Schritt, um das Thema aus<br />
der schamhaften Schmuddelecke zu holen. Den Vorschlag,<br />
das mit einem Menstruationsurlaub zu lösen,<br />
halte ich aus mehreren Gründen für wenig sinnvoll. Zum<br />
einen klingt Urlaub nach Chillen, Erholung und wirkt in<br />
diesem Zusammenhang auf mich eher zynisch. Ausserdem<br />
geraten wir damit ganz schnell in eine Neiddebatte. Insbesondere<br />
durch benachteiligte Männer, die schnell damit beginnen, ihre<br />
verlorene Lebenszeit durch Rasieren in den Ring zu werfen. Problematischer<br />
halte ich allerdings die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Brauchen Frauen<br />
mehr Urlaub als Männer, impliziert das eine geringere Belastbarkeit beziehungsweise<br />
die Notwendigkeit einer längeren Rekreationsphase, was sich<br />
mit Sicherheit auf die Karrieremöglichkeiten von Frauen auswirken würde.<br />
Ebenso wahrscheinlich würde Frauen dieses Thema aber schon bei der<br />
Bewerbung zum Fallstrick werden. Können Organisationen zwischen mehr<br />
oder weniger bezahlten Urlaubstagen wählen – raten Sie mal. Aus meiner<br />
Sicht gehört das Thema in einem weiteren Kontext beleuchtet. Nämlich im<br />
Umgang mit der Selbstorganisation. Der mittelalterliche Command-and-<br />
Control-Ansatz, der impliziert, Anwesenheit sei mit Arbeit gleichzusetzen,<br />
nimmt arbeitnehmenden Menschen, egal welcher sexuellen Identität, die<br />
Chance, zu entscheiden, wann sie in ihrer Kraft und damit in der Lage sind,<br />
konzentriert und produktiv zu arbeiten. Eine fehlende geistige Ausgeglichenheit<br />
oder ein körperliches Ungemach machen es schwer, einen wertvollen<br />
Beitrag zu leisten. Hören wir also damit auf, die Organisation von Arbeit<br />
mit veralteten Rezepten und Konzepten zu gestalten.<br />
EIN ÖFFENTLICHER DISKURS<br />
IST EIN ERSTER,<br />
NOTWENDIGER SC<strong>HR</strong>ITT.<br />
6&7 | <strong>2022</strong><br />
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