HR_Today_6&7_2022
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Sozialversicherungen<br />
THEMA<br />
HERAUSFORDERUNG KLIMAWANDEL:<br />
WIE PENSIONSKASSEN<br />
EINEN BEITRAG LEISTEN<br />
INSTITUTIONELLE INVESTOREN SPIELEN PUNKTO NACHHALTIGKEIT EINE WICHTIGE ROLLE, DA SIE<br />
FINANZSTRÖME IN DIE GEWÜNSCHTEN SEKTOREN LENKEN KÖNNEN – SO AUCH PENSIONSKASSEN.<br />
Gastbeitrag: Beatrice Stadler<br />
Beatrice Stadler ist<br />
ESG-Managerin bei<br />
der Sammelstiftung<br />
Vita. Mit rund 23 500<br />
angeschlossenen Unternehmen<br />
und über<br />
142 000 Versicherten<br />
ist die Sammelstiftung<br />
Vita eine der<br />
grössten teilautonomen<br />
Sammelstiftungen<br />
in der Schweiz.<br />
vita.ch<br />
Der Klimaschutz ist eine der grössten Herausforderung unserer<br />
Zeit. Sollen die Klimaziele des Pariser Abkommens erreicht<br />
werden, ist es entscheidend, die Finanzflüsse klimaverträglich<br />
auszurichten, denn auch Investitionen verursachen CO 2<br />
-Emissionen.<br />
Mit der Integration von ESG-Kriterien im Anlageprozess<br />
leisten Pensionskassen einen Beitrag zur Dekarbonisierung<br />
der Wirtschaft.<br />
Anlage von Pensionskassengelder<br />
Mit einer Bilanzsumme von insgesamt 1063 Milliarden Schweizer<br />
Franken per Ende 2020 verfügen die Vorsorgeeinrichtungen<br />
in der Schweiz beim grünen Anlegen über eine grosse Hebelwirkung.<br />
Die Integration der ESG-Aspekte in ein Anlageportfolio<br />
ist jedoch nicht ganz so trivial, wie es auf den ersten<br />
Blick scheint: Die Vorsorgeeinrichtungen befinden sich in<br />
einem Spannungsfeld von Rendite, Risiko und Nachhaltigkeit.<br />
Wie Vorsorgegelder angelegt werden dürfen, wird in den An -<br />
lagevorschriften der Verordnung über die berufliche Vorsorge<br />
geregelt. In dieser wird allerdings nicht explizit auf nachhaltiges<br />
Investieren eingegangen. Im erweiterten Sinne kann die<br />
Integration von ESG-Kriterien im Anlageprozess als Teil der<br />
treuhänderischen Sorgfaltspflicht verstanden werden.<br />
«Grüne» Anlagen sind demnach gesetzlich erlaubt, solange<br />
das langfristige Vorsorgeziel nicht beeinträchtigt wird und die<br />
Anlagerisiken angemessen diversifiziert sind.<br />
Entscheid über Anlagen liegt beim Stiftungsrat<br />
Mit gestiegenem Bewusstsein für den Klimawandel legen die<br />
Versicherten zunehmend Wert auf eine umsichtige und nachhaltige<br />
Anlage ihres Vorsorgevermögens. Doch wie «grün»<br />
darf es sein? Die Meinung der Versicherten abzuholen, wäre<br />
wünschenswert, ist aber bei grösseren Sammelstiftungen<br />
kaum umsetzbar. Der Entscheid, wie Vorsorgegelder angelegt<br />
werden, obliegt jedoch dem Stiftungsrat. Als oberstes Organ<br />
einer Vorsorgeeinrichtung nimmt er die Interessen der Versicherten<br />
wahr und legt deren strategische Ziele sowie Grundsätze<br />
fest. Auch wenn er sich für verantwortungsbewusstes<br />
Investieren entscheidet, ist es damit allein noch nicht getan.<br />
Ein klarer Umsetzungsfahrplan, eine laufende Messung und<br />
eine transparente Berichterstattung sind ebenso vonnöten.<br />
Gemeinsames Verständnis<br />
Eine erste Hürde ist oft der Konsens. Wie soll die Nachhaltigkeitsstrategie<br />
aussehen? Und wie wird der Begriff Nachhaltigkeit<br />
interpretiert? Zudem gibt es keine einheitliche, allgemein<br />
verbindliche Definition für ESG. Dafür eigene Präferenzen in<br />
Form von Grundsätzen festzulegen, ist elementar, weil diese<br />
die Basis für die Ausgestaltung der Anlagestrategie bilden, in<br />
der ESG-Aspekte auf unterschiedliche Art integriert werden.<br />
Ein zentrales Element ist beispielsweise die direkte Einflussnahme<br />
auf investierte Unternehmen. Das geschieht durch<br />
die Ausübung der Stimmrechte und über einen aktiven Dialog.<br />
Seit der 2013 angenommenen Minder-Initiative ist die Stimmrechtsausübung<br />
bei börsenkotierten Aktien bei den Schweizer<br />
Vorsorgeeinrichtungen fest verankert. Noch liegt der Fokus<br />
meist auf der Vergütung und der Wahl von Verwaltungsratsmitgliedern,<br />
also dem «G» von ESG. Ein stärkeres Abstimmungsverhalten<br />
zu Klima- und sozialen Themen sollte daher<br />
stärker ins Auge gefasst werden.<br />
Ein weiterer einflussreicher Hebel ist das Portfoliomanagement,<br />
wo die klassische Finanzanalyse mit ESG-Kriterien<br />
ergänzt wird. Dabei kommen Negativ- und Positivkriterien<br />
zur Anwendung. Besonders häufig sind Ausschlüsse, die sich<br />
auf Branchen, Aktivitäten oder Geschäftspraktiken beziehen,<br />
wie Firmen, die Massenvernichtungswaffen herstellen, oder<br />
der Kohleabbau. Viele Pensionskassen halten sich hierzu an<br />
die Ausschlussliste des Schweizer Vereins für verantwortungsbewusste<br />
Kapitalanlagen (SVVK-ASIR). Der Verein führt eine<br />
schwarze Liste mit Unternehmen, die nachweislich gegen<br />
Schweizer Gesetze sowie von der Schweiz ratifizierte internationale<br />
Konventionen verstossen. Das Investieren in solche<br />
Firmen ist heutzutage aus ethischen und ökologischen Gründen<br />
nicht vertretbar. Bei den Ausschlüssen steht die Risikoverminderung<br />
im Vordergrund.<br />
Die wirkungsorientierten und Themenanlagen zielen hingegen<br />
darauf ab, einen positiven und messbaren Beitrag zu drängenden<br />
Herausforderungen der Welt zu leisten. Bei der Implementierung<br />
der unterschiedlichen Ansätze muss auf Stufe<br />
Gesamtvermögen jedoch sichergestellt werden, das Vorsorgeziel<br />
nicht zu beeinträchtigen. So ist das Rendite-Risiko-<br />
Profil nachhaltiger Anlagen nicht automatisch besser als jenes<br />
eines klassischen Portfolios und eine eindimensionale Ausrichtung<br />
daher wenig sinnvoll. Einer nachhaltigen Anlage muss<br />
es gelingen, Nachhaltigkeits- und Kapitalmarktziele gleichzeitig<br />
zu erreichen. Pensionskassen sind dabei gefordert, denn<br />
die Formulierung und die konsistente Implementierung einer<br />
Nachhaltigkeitsstrategie werden anhand verschiedener Massnahmen<br />
immer wichtiger. <br />
a<br />
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