HR_Today_6&7_2022
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Fokus Forschung<br />
MEINUNG<br />
<strong>HR</strong> MANAGEMENT VON MORGEN:<br />
TRENDS, DIE BLEIBEN WERDEN<br />
MÜSSEN SICH SCHWEIZER ARBEITGEBENDE AUF DIE «GREAT RESIGNATION»<br />
VORBEREITEN UND WIRD HOMEOFFICE ZUR NEUEN NORMALITÄT? WIE<br />
VERÄNDERTE SICH DAS <strong>HR</strong> MANAGEMENT SEIT DEM AUSBRUCH DER PANDEMIE?<br />
DIE WICHTIGSTEN ERKENNTNISSE AUS DER AKTUELLEN CRANET-<strong>HR</strong>M-STUDIE.<br />
Gastbeitrag: Marina Pletscher<br />
Marina Pletscher ist Doktorandin und<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität<br />
Luzern. Ihre Forschungsschwerpunkte sind<br />
Führungskommunikation und Talentmanagement.<br />
Zugleich ist sie auch als selbständige<br />
Kommunikationsmanagerin tätig.<br />
Darüber hinaus nutzen Organisationen immer<br />
häufiger digitale Lösungen bei der Suche nach<br />
Talenten. Statt in Zeitungen Stelleninserate zu<br />
schalten (es wurde ein Rückgang um nahezu die<br />
Hälfte festgestellt), nutzen heute 70 Prozent der<br />
Unternehmen soziale Medien bei der Rekrutierung.<br />
Kommunikation über direkte Vorgesetzte zugenommen.<br />
Ausserdem reduzierten 47 Prozent der<br />
befragten Unternehmen regelmässige persönliche<br />
Besprechungen mit ihren Mitarbeitenden,<br />
während 76 Prozent verstärkt elektronische Kommunikationskanäle<br />
verwenden.<br />
Im Gegensatz zu den USA haben Schweizer<br />
Arbeitgebende offenbar keinen Grund, infolge<br />
abflachender Pandemiekurve eine «Great Resignation»<br />
zu befürchten. Die freiwillige Fluktuation<br />
ging in der Schweiz im Vergleich zur letzten<br />
CRANET-Erhebung im Jahr 2014 sogar zurück<br />
und liegt bei durchschnittlich 7 Prozent.<br />
Allerdings zeigen die Daten, dass sich die Arbeitsmodelle<br />
dramatisch verändern und sich neue<br />
Ansätze etablieren. Beispielsweise der Trend zur<br />
Homeoffice-Arbeit. Der Umfrage zufolge bieten<br />
heute 96 Prozent der Unternehmen die Möglichkeit,<br />
remote zu arbeiten. Bei einem Fünftel<br />
(21 Prozent) arbeitet über die Hälfte der Mitarbeitenden<br />
im Homeoffice.<br />
Das instabile wirtschaftliche Umfeld brachte die<br />
Unternehmen dazu, sich flexibleren Arbeitsbedingungen<br />
zuzuwenden. Um den Personalbedarf<br />
zu decken, greifen Organisationen deshalb<br />
zunehmend auf Zeitarbeitsfirmen (76 Prozent)<br />
oder Selbstständige und Freiberufler (62 Prozent)<br />
zurück. Kurzfristige Vertretungen aufgrund von<br />
Krankheit, Projektarbeit und saisonalen Auftragsschwankungen<br />
gehören zu den häufigsten Gründen<br />
für deren Einsatz.<br />
Für bestehende Arbeitskräfte werden digitale<br />
<strong>HR</strong>-Lösungen ebenfalls zum gängigen Instrument.<br />
So hat sich die Einführung von Employee<br />
Self Service fast verdoppelt (66 Prozent im Jahr<br />
2021). Unternehmen nutzen sie, um Mitarbeitenden<br />
die Möglichkeit zu geben, mehrere <strong>HR</strong>-bezogene<br />
Aufgaben selbst zu erledigen, beispielsweise<br />
Urlaubsanträge, Spesenabrechnungen, Schulungsplanung.<br />
Zudem entscheidet sich die Mehrheit<br />
der Unternehmen für die digitale Weiterbildung<br />
ihrer Talente: 75 Prozent der Befragten<br />
nutzen E-Learning-Programme für die Schulung<br />
und Fortbildung der Mitarbeitenden.<br />
Kommunikation im Mittelpunkt<br />
Noch nie war Führung so herausfordernd wie<br />
heute: Ein verändertes Arbeitsumfeld, Ungewissheit<br />
und die zunehmende Digitalisierung verlangen<br />
von Managerinnen und Managern aussergewöhnliche<br />
Kommunikationskompetenzen. Als<br />
unmittelbare und vertrauenswürdigste Informationsquelle<br />
haben sich die direkten Vorgesetzten<br />
zu zentralen Kommunikatoren entwickelt – die<br />
überwiegende Mehrheit bezeichnete sie als wichtigste<br />
Mediatoren des Informationsflusses. Folglich<br />
hat in etwa 31 Prozent der Unternehmen die<br />
Die Vermittlung von Informationen reicht für den<br />
Erfolg nicht aus: Unternehmen sollten auch auf Mitarbeitende<br />
hören. Die Datenanalyse ergab, dass<br />
Organisationen, die eine Bottom-up-Kommunikation<br />
(beispielsweise über das Vorschlagswesen)<br />
fördern, profitabler und wachstumsstärker sind.a<br />
CRANET<br />
CRANET ist die umfassendste wissenschaftliche<br />
Studie des (inter)nationalen Personalmanagements.<br />
Mit Vertretern aus über 50 Ländern ist<br />
CRANET das weltweit grösste <strong>HR</strong>M-Forschungsnetzwerk<br />
und das einzige, das seit über drei Jahrzehnten<br />
vergleichende Daten zum internationalen<br />
<strong>HR</strong>M sammelt. In der Schweiz wird das Projekt<br />
vom Center für Human Resources Management<br />
(CE<strong>HR</strong>M) an der Universität Luzern durchgeführt.<br />
Die Ergebnisse der neusten CRANET-Umfrage<br />
(2021) sind im Bericht «<strong>HR</strong>M in Switzerland: People<br />
& Practices» verfügbar. Die Daten enthalten<br />
ausführliche Informationen zu <strong>HR</strong>M-Praktiken<br />
und basieren auf den Angaben von 174 Unternehmen<br />
mit mindestens 100 Mitarbeitenden.<br />
bit.ly/CRANET_<strong>2022</strong><br />
Dennoch sind die Unternehmen nicht bereit, bei<br />
der Qualität Kompromisse einzugehen: 64 Prozent<br />
der befragten Organisationen gaben an, die<br />
fachlichen Anforderungen an Zeitarbeitskräfte<br />
seien genauso hoch wie die an Festangestellte.<br />
Digitaler Wandel<br />
In den letzten Jahren waren viele Unternehmen<br />
gezwungen, ihre internen Prozesse zu optimieren<br />
und Führung auf Distanz zu ermöglichen. Infolgedessen<br />
stieg die Nachfrage nach digitalen Lösungen<br />
für das Personalmanagement: Der Bedarf<br />
an Outsourcing-Aktivitäten hat sich bei <strong>HR</strong>-<br />
Informationssystemen und -Technologien fast<br />
verdoppelt und liegt nun bei rund 50 Prozent.<br />
Elektronische Kommunikation<br />
Kommunikation direkt an /<br />
von Senior Management<br />
Kommunikation durch direkte Vorgesetzte<br />
Teambriefings<br />
Mitarbeitendenbefragungen<br />
18,4%<br />
31,2%<br />
30,6%<br />
29,1%<br />
Interne Kommunikationswege, die seit dem Ausbruch der Pandemie verstärkt genutzt werden<br />
76,5%<br />
6&7 | <strong>2022</strong><br />
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