Angebote für pflegende Angehörige
Gemeinsam von der RAGA, der Regionalen ArbeitsGemeinschaft Alten- und Angehörigenberatung Berlin, und der aperçu Verlagsgesellschaft mbH wird der Berliner Ratgeber „Angebote für pflegende Angehörige“ herausgegeben – eine umfangreiche Publikation mit Angeboten und für pflegende Angehörige.
Gemeinsam von der RAGA, der Regionalen ArbeitsGemeinschaft Alten- und Angehörigenberatung Berlin, und der aperçu Verlagsgesellschaft mbH wird der Berliner Ratgeber „Angebote für pflegende Angehörige“ herausgegeben – eine umfangreiche Publikation mit Angeboten und für pflegende Angehörige.
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Nachbarschaftshilfe<br />
Nuray Arslan liebt die Nachbarschaftshilfe,<br />
die abgerechnet werden kann<br />
Unbeschwert tanzen<br />
Nuray Arslan bekommt leuchtende Augen, als sie vom<br />
jüngsten Henna Fest erzählt. Vor der bevorstehenden<br />
Hochzeit werde ausgelassen gefeiert, getanzt, gegessen.<br />
Dass die alleinerziehende Mutter eines autistischen<br />
Kindes mit Down-Syndrom ohne Probleme daran teilnehmen<br />
konnte, verdankt sie einer niedrigschwelligen<br />
Entlastungsleistung. „Die Nachbarn fragt man ein-,<br />
zweimal – aber dann?“<br />
Bei der Nachbarschaftshilfe als Leistung zur Unterstützung<br />
im Alltag können pflegebedürftige Personen<br />
mit einem Pflegegrad von einer anerkannten<br />
Nachbarschaftshelferin oder einem anerkannten<br />
Nachbarschaftshelfer betreut werden. Nachbarschaftshelfer/-innen<br />
müssen zur Anerkennung<br />
einen 6-Stunden-Kurs absolvieren und erhalten <strong>für</strong><br />
die Betreuung eine Aufwandsentschädigung von<br />
acht Euro pro Stunde. Pflegebedürftigen stehen<br />
maximal 125 € im Monat als Entlastungsbetrag zur<br />
Verfügung. Nachbarschaftshelfer/-innen können so<br />
die häusliche Versorgung pflegebedürftiger Menschen<br />
unterstützen.<br />
Nuray Arslan hat dank der abrechenbaren Nachbarschaftshilfe<br />
kein schlechtes Gewissen mehr, konnte<br />
unbeschwert beim Henna Fest tanzen, während ihr<br />
Sohn bei der Nachbarin war, die ihn kennt und regelmäßig<br />
betreut. „Wir haben das organisiert, jeder hat<br />
seine Nachbarschaftshelfer“, berichtet die 52-Jährige.<br />
Wir – das sind die „Besonderen Menschen“, so heißt ihr<br />
Verein. Besondere Menschen sind Menschen mit dauerhaften<br />
Erkrankungen, von „Behinderung“ sprechen<br />
sie nicht so gern. Gemeinsam feiern sie am 21.3. den<br />
Weltdownsyndromtag „am 21., weil bei ihnen das 21.<br />
Chromosom dreimal vorkommt, statt zweimal“, am 2.4.<br />
den Welt autismustag, am 14.10. den Weltdiabetestag.<br />
Ein Verein, der stark macht<br />
Gerade waren sie beim Wintermarkt im Görlitzer<br />
Park dabei mit Linsensuppe und Salaten. Bei solchen<br />
Events werden Spendengelder <strong>für</strong> die jährlichen Reisen<br />
gesammelt, die sie mit dem Deutschen Familienverband<br />
unternehmen. „Dann muss auch keiner nach<br />
Geld in der Familie fragen.“ Der Verein hilft, Behinderungen<br />
zu akzeptieren. „Für manche ist das schwer“,<br />
weiß Nuray Arslan. „Für mich war es okay, es war<br />
meins“, sagt sie, die Hände ausgebreitet auf der Brust.<br />
„Ich war 42, reif genug, hatte schon zwei gesunde Kinder“.<br />
Ihre Großen sind selbstständig, arbeiten als Er-<br />
Nuray Arslan, Gründerin<br />
und Leiterin des 2016<br />
gegründeten Vereins<br />
„Besondere Menschen“<br />
in der Köpenicker Straße<br />
in Kreuzberg<br />
zieherin und Jurist, und unterstützen die Mama und<br />
ihren Verein, der gemeinsam stark macht.<br />
„Wir wissen, die Erkrankung wird bleiben.“ Sie sind froh<br />
über ihre Räume in der Köpenicker Straße, die auch mit<br />
Rollstuhl begehbar sind, wo sie sich treffen zum Reden,<br />
Nähen, zu Deutschkursen. Sie laden Experten ein und<br />
bieten dabei Übersetzungen an. Wenn die Runde größer<br />
ist, sind sie gerne im Familienzentrum in der Cuvrystraße,<br />
wo auch die Idee zum Verein entstand.<br />
„Einer kann nicht laufen, einer kann nicht reden, wir<br />
haben Diabetes, Down-Syndrom, Autismus, Muskelerkrankungen<br />
und wir wissen, das wird bleiben. So lieben<br />
wir uns. So leben wir miteinander“, strahlt Nuray Arslan,<br />
wenn sie von den „Besonderen Menschen“ erzählt.<br />
Die Pharmazeutisch-Technische Assistentin hat ihre<br />
Schicht in der Apotheke hinter sich, bald bringt der<br />
Fahrdienst den Sohn aus der Förderschule nach Hause.<br />
Er wird der Letzte sein, der aussteigt. „Er liebt das Autofahren,<br />
und ich habe kein Auto.“ Nuray Arslan lächelt.<br />
Sie scheint immer eine Lösung zu finden. Wie das mit<br />
dem Entlastungsbetrag und der Nachbarschaftshilfe<br />
funktioniert, das haben die Besonderen Menschen auch<br />
schon vielen im Kiez erklärt. Und bei Bedarf helfen sie<br />
sich untereinander beim Ausfüllen der Formulare.<br />
www.besondere-menschen-ev.de<br />
© Nößler/aperçu<br />
Birgit Nößler<br />
Gemeinsam wird gelebt, gefeiert, gelernt, gelacht…<br />
„Besondere Menschen“ führen Krankheiten zusammen,<br />
die bleiben werden. Den Verein prägt Frauenpower:<br />
Überwiegend Frauen, meist mit türkischen oder<br />
kurdischem Migrationshintergrund und in der Mehrzahl<br />
nicht in Deutschland geboren, finden Zusammenhalt.<br />
© Besondere Menschen e. V.