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Landtagsspiegel23. Jahrgang - Elke Brunnemer

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Nichtraucherschutz neu geregelt<br />

Verstößt ein absolutes Rauchverbot in Eckkneipen<br />

gegen das Grundgesetz? Mit der Frage musste sich<br />

das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe befassen.<br />

Auf den Prüfstand der Richter kam neben der Berliner<br />

Regelung auch das damalige baden-württembergische<br />

Nichtraucherschutzgesetz. 2007 hatte der Landtag<br />

beschlossen, dass in Baden-Württemberg nicht nur in<br />

Schulen, Jugendeinrichtungen, Krankenhäusern, Ge-<br />

fängnissen und Behörden, sondern auch in Kneipen,<br />

Restaurants und Diskotheken nicht mehr geraucht<br />

werden darf. Ausnahmen waren dem Gesetz zufolge<br />

nur in vollständig abgetrennten Nebenräumen möglich.<br />

Einzig Festzelte blieben von dem Rauchverbot ausgenommen.<br />

Die Wirte kleiner Kneipen ohne Nebenraum<br />

liefen gegen die Bestimmungen Sturm, sahen sie sich<br />

doch in ihrer Existenz bedroht. Laut Umfragen erlebten<br />

tatsächlich zahlreiche Eckkneipen-Betreiber deutliche<br />

Umsatzeinbrüche. Selbst das Statistische Landesamt<br />

stellte einen Umsatzrückgang in der Branche fest.<br />

Wirtschaftsminister Ernst Pfister wurde mit Beschwerdebriefen<br />

von betroffenen Wirten geradezu überhäuft.<br />

Zwei Gastronomen, darunter der Betreiber des „Pfauen“<br />

in Tübingen, legten schließlich in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde<br />

ein. Sie sahen sich in ihrem Grundrecht<br />

auf freie Berufsausübung verletzt. Ihre Klagen<br />

hatten Erfolg: Am 30. Juli 2008 erklärte das Bundesverfassungsgericht<br />

das absolute Rauchverbot in Ein-<br />

raumkneipen auf der gegenwärtigen Rechtsgrundlage<br />

für verfassungswidrig. Mit ihrem Urteil kritisierten<br />

die Verfassungsrichter nicht das Rauchverbot an sich,<br />

sondern die Benachteiligung der Kleingastronomie.<br />

Für „Raucherkneipen“ legten sie zugleich detaillierte<br />

Auflagen fest. Den Ländern Baden-Württemberg und<br />

Berlin wurde eine Übergangsfrist für eine Neuregelung<br />

bis Ende 2009 gewährt.<br />

Verhandelt über die<br />

Nichtraucherschutzgesetze<br />

Baden-Württembergs<br />

und Berlins: das Bundes-<br />

verfassungsgericht<br />

Das Gericht überließ es dabei dem Gesetzgeber, ob mit<br />

einem „ausnahmslosen Rauchverbot“ in der gesamten<br />

Gastronomie oder mit einer Ausnahme für Einraumkneipen<br />

dem Urteil Rechnung getragen wird. Ein „Totalverbot“<br />

komme nicht in Frage, machte Pfister umgehend für die<br />

FDP deutlich, die ohnehin stets für Raucher-Eckkneipen<br />

war und der ursprünglichen Regelung nur unter Murren<br />

zugestimmt hatte. Gesundheitsministerin Monika Stolz<br />

(CDU) legte letztlich einen Gesetzentwurf vor, der das<br />

Rauchen in den kleinen Kneipen wieder gestattet. Nach<br />

der Anhörung stimmte im November 2008 das Kabinett<br />

zu. Im Dezember passierte die neue Regelung dann nach<br />

der Ersten Lesung den Sozialausschuss, im Februar<br />

2009 schließlich den Landtag. Änderungsanträge von<br />

SPD und Grünen, die ein ausnahmsloses Rauchverbot<br />

durchsetzen wollten, blieben erfolglos. Seither darf in<br />

einräumigen Kneipen mit weniger als 75 Quadratmetern<br />

Gastfläche offiziell wieder gequalmt werden. Voraussetzungen:<br />

Die Kneipe muss als Rauchergaststätte ge-<br />

kennzeichnet sein, Personen unter 18 Jahren haben<br />

keinen Zutritt, und außer Getränken werden höchstens<br />

kalte Speisen einfacher Art angeboten.<br />

Fraktionen und Personalien<br />

Auch das Personalkarussell drehte sich wieder, diesmal<br />

bei der FDP: Ohne vorherige Aussprache wählten die<br />

Fraktionsmitglieder im Juni 2009 bei der turnusgemäßen<br />

Vorstandswahl ihren Vorsitzenden Dr. Ulrich Noll ab.<br />

Der Zahnarzt aus Aichtal hatte den Posten fünf Jahre<br />

zuvor von Ernst Pfister übernommen, als dieser Wirt-<br />

schaftsminister wurde. In seiner Amtszeit fiel er durch<br />

den ein oder anderen Querschuss auf, etwa in der Frage<br />

der Zukunft von Hauptschulen oder in der Diskussion<br />

um einen Ausbau des Stuttgarter Flughafens. Noll hatte<br />

sich mit seinen eigenwilligen Ansichten zwar profilieren<br />

können, aber damit nicht nur den Koalitionspartner<br />

CDU, sondern auch den einen oder anderen Parteifreund<br />

verärgert. Dass der Ärger groß genug war, um ihn zu<br />

entmachten, kam allerdings überraschend. Nur 6 von<br />

15 Abgeordneten gaben Noll ihre Stimme, obwohl es<br />

keinen Gegenkandidaten gab. Zu einem zweiten Wahl-<br />

gang trat der Entthronte nicht mehr an. Als „Betriebsunfall“<br />

stellten Fraktionsmitglieder nach der turbulenten<br />

Sitzung den Wechsel an der Spitze dar. Doch Spekulationen,<br />

es habe Absprachen gegeben, ließen nicht lange<br />

auf sich warten.<br />

Nolls Nachfolger wurde Dr. Hans-Ulrich Rülke aus Pforzheim,<br />

der seit 2006 ein Mandat hat und eigentlich nur<br />

für einen der drei Stellvertreterposten kandidieren wollte.<br />

Mit acht Ja- bei vier Nein-Stimmen und drei Enthaltungen<br />

übernahm der Studiendirektor den Fraktionsvorsitz.<br />

Zu seinen Stellvertretern wählte die Fraktion Dr. Birgit<br />

Arnold, Dr. Friedrich Bullinger und Hagen Kluck.<br />

Während Rülke Karriere macht, ist für die SPD-Landesvorsitzende<br />

Ute Vogt mit der Bundestagswahl im Sep-<br />

tember 2009 der Lebensabschnitt Landtag vorbei. Nach<br />

eher leidvollen Erfahrungen in Stuttgart verkündete Vogt<br />

im Herbst 2008, sie kandidiere wieder für den Bundestag.<br />

Dort hatte sie von 1994 bis 2005 schon einmal<br />

Karriere gemacht und es in der rot-grünen Bundesregierung<br />

bis zur Parlamentarischen Staatssekretärin im<br />

Innenministerium gebracht. Nach der Landtagswahl<br />

2006 wurde sie zunächst SPD-Fraktionschefin im Lan-<br />

desparlament, scheiterte letztlich aber an Widerstand<br />

in den eigenen Reihen. Den Posten hängte sie Anfang<br />

2008 im Zuge ständiger Diskussionen um ihre Führungs-<br />

qualitäten an den Nagel. Nun will die Juristin in Berlin<br />

wieder „durchstarten“. Der Neuanfang auf vertrautem<br />

Terrain in der Bundeshauptstadt ist ihr als Spitzenkandidatin<br />

der Landes-SPD sicher. Wer bei der Landtagswahl<br />

2011 ihren Platz als Herausforderer von Ministerpräsident<br />

Oettinger einnehmen wird, steht noch nicht<br />

fest. Mit dem Satz „Ich strebe keine neue Landtagskandidatur<br />

an“ machte Vogt unmissverständlich klar,<br />

dass eine Rückkehr für sie nicht in Frage kommt. Aber<br />

trotz aller Querelen fand sie auch versöhnliche Worte:<br />

„Es war eine Zeit, in der ich viel gelernt habe.“<br />

Neuer Fraktionschef<br />

der FDP/DVP:<br />

Dr. Hans-Ulrich<br />

Rülke (links) folgt<br />

auf Dr. Ulrich Noll.<br />

Landtagsspiegel 2009/2010 19

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