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Landtagsspiegel23. Jahrgang - Elke Brunnemer

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Sachpolitik hat es immer schwerer<br />

In der Münchner Zentrale wunderten sich die Kollegen,<br />

was denn aus dem einst so stillen und biederen Baden-<br />

Württemberg geworden ist. Mit Sachpolitik hatte das<br />

wenig zu tun. Aber die hat es ohnehin immer schwerer.<br />

Über Themen, die für das Land wichtig sind, die<br />

Verwaltungsreform beispielsweise, stand in der Süd-<br />

deutschen Zeitung nicht viel, weil sich fast jedes Bundes-<br />

land mit seiner eigenen Verwaltungsreform herum-<br />

schlägt. Umgekehrt interessiert sich wohl kaum ein<br />

Leser aus Stuttgart, wie denn die Kreise in Schleswig-<br />

Holstein neu zugeschnitten werden.<br />

Konkret sieht die Arbeit als Korrespondent einer über-<br />

regionalen Zeitung dann so aus, dass man auf viele<br />

Pressekonferenzen geht und zu vielen Hintergrundgesprächen,<br />

aber deshalb noch immer kein Artikel da-<br />

rüber in der Zeitung steht. Natürlich berichtet man<br />

so oft wie möglich tagesaktuell. Viele Texte haben aber<br />

eher einen grundsätzlichen Charakter: Man schreibt<br />

nicht über jede Forderung der FDP, die einen täglich<br />

per Pressemitteilung erreicht. Sondern macht eher ein<br />

zusammenfassendes Stück über die Lage der Liberalen<br />

im Land insgesamt.<br />

Der Korrespondent aus Stuttgart liegt immer im Wett-<br />

bewerb mit den anderen Korrespondenten der Zeitung<br />

in Dresden, Hamburg, Düsseldorf und anderswo. Mor-<br />

gens gehen die Angebote ein, dann entscheidet gegen<br />

elf Uhr die Zentrale in München, wer am heutigen Tage<br />

zum Zuge kommt und wer nicht. Der Platz reicht nicht<br />

für alle. Einfacher ist es immer, einen großen Artikel<br />

in der Zeitung unterzubringen, wenn man den Halbsatz<br />

hinzufügen kann: „Baden-Württemberg wird als erstes<br />

Bundesland ...“. So etwas gefällt der Zentrale. So war<br />

es im Juni 2009, als Baden-Württemberg als erstes<br />

Bundesland beschloss, ein Verkaufsverbot für Alkohol<br />

einzuführen. Und so war es auch bei den jahrelangen<br />

Kämpfen um ein Kopftuchverbot.<br />

Bundesweit aufmerksam wird seit jeher die baden-württembergische<br />

Bildungspolitik verfolgt, unter Annette<br />

Schavan sowieso, aber auch die von Helmut Rau. Das<br />

Kultusministerium ist eines der stärksten Ressorts<br />

in der Landespolitik, mit einem großen Gestaltungsspielraum.<br />

Andere haben es da schwerer. Der Stellenwert<br />

der Landespolitik ist in den vergangenen Jahren ohnehin<br />

eher gesunken. Vor kurzem forderte Minister Wolfgang<br />

Reinhart wieder einmal mehr Rechte für das Parlament.<br />

Plenum wieder lebendiger<br />

Viele Abgeordnete im Parlament fordern dagegen einen<br />

neuen Landtag, ein moderneres Gebäude, mit einem<br />

größeren Plenarsaal, in den mehr Licht einstrahlt und<br />

mit bequemeren Stühlen. Den Abgeordneten ist das<br />

heutige Gebäude wohl einfach zu piefig, sie hätten gerne<br />

etwas mehr Glanz und vielleicht auch Aufmerksamkeit.<br />

Letztere haben sie bereits durch ihr Ansinnen bekommen,<br />

das viel öffentliche Kritik auf sich zog. In der Bevölke-<br />

rung hält sich das Verständnis für einen millionen-<br />

teuren Neubau in Grenzen, vor allem in Zeiten knapper<br />

öffentlicher Haushalte. So stand es in allen Zeitungen,<br />

auch in der Süddeutschen. Eigentlich wissen aber auch<br />

die Abgeordneten längst selber, was ihre Arbeit span-<br />

nender macht: Mehr aktuelle Debatten nämlich und<br />

spontane Befragungen der Regierung. So wurde es in<br />

der Landtagsreform von allen Fraktionen vereinbart.<br />

Und man merkt es auch schon, das Plenum ist wieder<br />

lebendiger geworden.<br />

Politischer Korrespondent lautet eigentlich die Be-<br />

zeichnung des SZ-Redakteurs in Stuttgart. Mittlerweile<br />

hat sich das Aufgabengebiet aber weit über die Lan-<br />

despolitik hinaus ausgedehnt. Der Korrespondent ist<br />

für das ganze Land zuständig. Er schreibt Geschichten<br />

über die Probleme des Tourismus im Schwarzwald<br />

und über die geringe Arbeitslosigkeit in Oberschwaben.<br />

Durch diese Geschichten sollte der Leser im besten<br />

Fall ein authentisches Bild dieses Landes bekommen.<br />

Aufgabe des Journalisten: genau hinschauen<br />

Das Jahr 2009 war in der ersten Hälfte eines der ar-<br />

beitsreichsten Jahre, aber auch eines der bedrückends-<br />

ten. Der Freitod des Unternehmers Adolf Merckle und<br />

der Amoklauf von Winnenden waren traurige Ereignisse.<br />

Daneben merkte man, dass die Wirtschaftskrise<br />

in einem Land wie Baden-Württemberg besonders<br />

durchschlägt, weil hier so viele Autobauer und ihre<br />

Zulieferer sitzen, die besonders von der Krise getroffen<br />

sind. „Wir können alles, außer Hochdeutsch“, heißt<br />

ja der berühmte Werbeslogan des Landes. Jetzt muss<br />

man sagen: „Wir können alles, auch Krise.“ Und in<br />

dieser Krise merkt man auch, dass die Landespolitik<br />

wieder wichtiger wird, als man vorher dachte. Viele<br />

Unternehmer, die den Staat schon fast verachtet haben,<br />

erwarten sich wieder seine Hilfe, hoffen auf Bürg-<br />

schaften und Kredite. Das Gefühl für die Milliarden<br />

scheint manchem Politiker aber ein wenig abhanden<br />

gekommen zu sein. Es ist nun wieder die Aufgabe der<br />

Journalisten, genau hinzuschauen, wer was bekommt<br />

und wofür. Es wird immer etwas zu schreiben geben.<br />

Auf der Pressetribüne<br />

des Plenarsaals: das<br />

Parlamentsgeschehen<br />

im Blick<br />

Arbeit im Redaktions-<br />

büro unter Zeitdruck:<br />

Bis 16 Uhr muss<br />

der Artikel in der<br />

Zentrale sein.<br />

Landtagsspiegel 2009/2010 49

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