Landtagsspiegel23. Jahrgang - Elke Brunnemer
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Am 23. Mai 1949<br />
vom Parlamentarischen Rat in Bonn verkündet<br />
60 Jahre Grundgesetz<br />
60 Jahre Freiheit und Frieden<br />
Eine Würdigung von Altministerpräsident Dr. h.c. Erwin Teufel<br />
Für mich ist die größte Errungenschaft unserer europäischen, abendländischen, westlichen Kultur und Geschichte<br />
der Rechtsstaat. Er gründet in der Aufklärung, auf dem Gedankengut des christlichen Bildes vom Menschen,<br />
auf dem Naturrecht, auf der Freiheit des Individuums, auf dem neuen Verständnis von der Autonomie und der<br />
Vernunft des Menschen. Er war gegen den Absolutismus des Staates und seiner Herrscher gerichtet und wollte<br />
Gewaltenteilung und Begrenzung und Kontrolle der Macht. Er zielte auf Beteiligung der Bürger an ihren Angelegenheiten<br />
und die Überwindung der Unterordnung als Untertanen.<br />
62<br />
Titelseite der ersten Ausgabe des Bundesgesetzblattes vom 23. Mai 1949<br />
mit dem Wortlaut des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, das<br />
am 24. Mai 1949 um null Uhr in Kraft trat.<br />
Die ersten freiheitlichen Verfassungen Badens und<br />
Württembergs zu Beginn des 19. Jahrhunderts bewegten<br />
sich in diese Richtung. Die 13 Forderungen im<br />
„Salmen“ in Offenburg, die der Badischen Revolution<br />
von 1848/49 vorangingen, enthielten die Grundrechte<br />
und Freiheitsrechte. Die Weimarer Verfassung konkretisierte<br />
diese Menschenrechte, ohne ihre Vorstaatlichkeit<br />
und Überstaatlichkeit herauszustellen. Einen<br />
großen Rückschlag brachte der Unrechtsstaat des<br />
Nationalsozialismus, in dem alle Menschenrechte<br />
mit Füßen getreten wurden und menschliches Leben<br />
keinen Wert mehr hatte.<br />
Nach dem totalen Zusammenbruch dieser ideologischen<br />
Herrschaft mit über 50 Millionen Toten im Zweiten<br />
Weltkrieg und Völkermord an Juden, Polen, Sinti und<br />
Roma war das erste Ziel der Verfassungen der Länder<br />
Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und<br />
Baden die Herstellung des Rechts. Jede staatliche Gewalt<br />
stellte sich unter das Recht und keine steht über<br />
dem Recht.<br />
Der Parlamentarische Rat schuf ein Grundgesetz als<br />
Verfassung, in dem erstmals die Menschenwürde, die<br />
Menschenrechte und die Freiheitsrechte des Einzelnen<br />
als überstaatliches Recht festgeschrieben wurden.<br />
Der Staat gibt sie nicht, sondern er gewährleistet und<br />
schützt sie. Jeder Mensch hat diese Rechte, weil er<br />
Mensch ist. Sie können ihm auch nicht genommen werden<br />
und er kann nicht auf sie verzichten. Sie haben Ewigkeitscharakter<br />
und können auch mit verfassungsändernder<br />
Mehrheit nicht geändert werden. Sie stehen im<br />
Grundrechtskatalog und gehen jedem anderen Artikel<br />
und jedem Gesetz vor. Ihr Schutz wird überwacht<br />
durch das neu geschaffene Bundesverfassungsgericht.<br />
Der Rechtsstaat und Sozialstaat des Grundgesetzes<br />
teilt die Macht vertikal zwischen Bund, Ländern und<br />
Gemeinden und horizontal durch die Parlamente,<br />
Regierungen und eine unabhängige Gerichtsbarkeit.<br />
Landtagsspiegel 2009/2010