Landtagsspiegel23. Jahrgang - Elke Brunnemer
Landtagsspiegel23. Jahrgang - Elke Brunnemer
Landtagsspiegel23. Jahrgang - Elke Brunnemer
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
der Öffentlichkeit nur unzulänglich verstanden. Die in<br />
Umfragen dokumentierte Auffassung, es sei nicht die<br />
Aufgabe der Opposition, die Regierung zu kritisieren,<br />
sondern sie solle sie in ihrer Arbeit unterstützen, geht<br />
an der Funktionslogik des Neuen Dualismus völlig<br />
vorbei und produziert Kritik am Parlament. Dasselbe<br />
antiquierte Parlamentsverständnis ist für die weit<br />
verbreitete Kritik an der Fraktionsdisziplin maßgeblich,<br />
die in parlamentarischen Demokratien die Handlungs-<br />
fähigkeit von Parlament und Regierung sichert. Ab-<br />
gesehen von wenigen atypischen Fällen wird sie den<br />
Abgeordneten nicht aufgezwungen. Abgeordnete<br />
schließen sich zu Fraktionen zusammen, weil sie be-<br />
stimmte politische Grundüberzeugungen teilen, im<br />
politischen Wettbewerb für diese werben und versuchen,<br />
sie in staatliche Entscheidungen einfließen zu lassen.<br />
In der Demokratie besteht Politik in der Suche nach<br />
Mehrheiten, und in diesem Prozess erfüllen Parteien<br />
und Fraktionen eine unverzichtbare Funktion. Die Syn-<br />
these von Parteienstaat und Parlamentarismus hat<br />
jedoch dazu geführt, dass die traditionell negativen<br />
Einstellungen der Bürger zu den politischen Parteien<br />
auf ihr Verhältnis zum Parlament ausstrahlen.<br />
Professionalisierung der Arbeit<br />
Die Professionalisierung der Parlamentsarbeit ist für<br />
viele ein weiterer Stein des Anstoßes. Die mit ihr ver-<br />
bundenen kritischen Schlagworte sind zahlreich. Abge-<br />
ordnete hätten sich von ihrer Basis entfernt, sie seien<br />
im Plenum nicht präsent, das Parlament entspreche<br />
in seiner sozialen Zusammensetzung nicht der Gesell-<br />
schaft, bei der Führungsauslese ersetzten Parteikarrieren<br />
Qualität, die Diäten seien zu hoch, die Parlamentsbürokratie<br />
sei zu mächtig. Diese Kritik verkennt, dass<br />
die Professionalisierung und die Demokratisierung<br />
von Parlamenten zwei Seiten derselben Medaille sind.<br />
Die Rekrutierung der Abgeordneten durch politische<br />
Parteien und die Entwicklung des politischen Mandats<br />
zum Beruf haben nicht die Normalbürger aus den Par-<br />
lamenten verdrängt, sondern es erst ermöglicht, dass<br />
sich die Parlamente von Honoratiorenversammlungen<br />
zu Bürgerparlamenten entwickelt haben. Die Abbildung<br />
der Gesellschaft im Parlament – wenn sie denn je erreich-<br />
bar ist – hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ver-<br />
bessert, nicht verschlechtert. Die soziale Distanz zwischen<br />
den Abgeordneten und der Gesellschaft hat sich nicht<br />
vergrößert, sondern verringert. Dies alles geschah nicht<br />
trotz, sondern wegen der starken Position der Parteien<br />
in der Demokratie. In der Professionalisierung besteht<br />
schließlich die einzige Chance für das Parlament – insbesondere<br />
seine Ausschüsse – seinen Einfluss in der<br />
Gesetzgebung geltend zu machen. Die gesetzgeberische<br />
Arbeit der Abgeordneten in den Ausschüssen und den<br />
Fraktionsarbeitskreisen ist zum Beispiel im Bundestag<br />
eine Erklärung für die spärliche Anwesenheit der Ab-<br />
geordneten bei Plenarsitzungen. Sicher sind manche<br />
Aspekte der Parlamentsarbeit korrekturbedürftig.<br />
Ebenso korrekturbedürftig sind allerdings auch viele<br />
in der Öffentlichkeit verbreitete Vorstellungen über<br />
die Parlamente.<br />
Landtagsspiegel 2009/2010 47