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Landtagsspiegel23. Jahrgang - Elke Brunnemer

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der Öffentlichkeit nur unzulänglich verstanden. Die in<br />

Umfragen dokumentierte Auffassung, es sei nicht die<br />

Aufgabe der Opposition, die Regierung zu kritisieren,<br />

sondern sie solle sie in ihrer Arbeit unterstützen, geht<br />

an der Funktionslogik des Neuen Dualismus völlig<br />

vorbei und produziert Kritik am Parlament. Dasselbe<br />

antiquierte Parlamentsverständnis ist für die weit<br />

verbreitete Kritik an der Fraktionsdisziplin maßgeblich,<br />

die in parlamentarischen Demokratien die Handlungs-<br />

fähigkeit von Parlament und Regierung sichert. Ab-<br />

gesehen von wenigen atypischen Fällen wird sie den<br />

Abgeordneten nicht aufgezwungen. Abgeordnete<br />

schließen sich zu Fraktionen zusammen, weil sie be-<br />

stimmte politische Grundüberzeugungen teilen, im<br />

politischen Wettbewerb für diese werben und versuchen,<br />

sie in staatliche Entscheidungen einfließen zu lassen.<br />

In der Demokratie besteht Politik in der Suche nach<br />

Mehrheiten, und in diesem Prozess erfüllen Parteien<br />

und Fraktionen eine unverzichtbare Funktion. Die Syn-<br />

these von Parteienstaat und Parlamentarismus hat<br />

jedoch dazu geführt, dass die traditionell negativen<br />

Einstellungen der Bürger zu den politischen Parteien<br />

auf ihr Verhältnis zum Parlament ausstrahlen.<br />

Professionalisierung der Arbeit<br />

Die Professionalisierung der Parlamentsarbeit ist für<br />

viele ein weiterer Stein des Anstoßes. Die mit ihr ver-<br />

bundenen kritischen Schlagworte sind zahlreich. Abge-<br />

ordnete hätten sich von ihrer Basis entfernt, sie seien<br />

im Plenum nicht präsent, das Parlament entspreche<br />

in seiner sozialen Zusammensetzung nicht der Gesell-<br />

schaft, bei der Führungsauslese ersetzten Parteikarrieren<br />

Qualität, die Diäten seien zu hoch, die Parlamentsbürokratie<br />

sei zu mächtig. Diese Kritik verkennt, dass<br />

die Professionalisierung und die Demokratisierung<br />

von Parlamenten zwei Seiten derselben Medaille sind.<br />

Die Rekrutierung der Abgeordneten durch politische<br />

Parteien und die Entwicklung des politischen Mandats<br />

zum Beruf haben nicht die Normalbürger aus den Par-<br />

lamenten verdrängt, sondern es erst ermöglicht, dass<br />

sich die Parlamente von Honoratiorenversammlungen<br />

zu Bürgerparlamenten entwickelt haben. Die Abbildung<br />

der Gesellschaft im Parlament – wenn sie denn je erreich-<br />

bar ist – hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ver-<br />

bessert, nicht verschlechtert. Die soziale Distanz zwischen<br />

den Abgeordneten und der Gesellschaft hat sich nicht<br />

vergrößert, sondern verringert. Dies alles geschah nicht<br />

trotz, sondern wegen der starken Position der Parteien<br />

in der Demokratie. In der Professionalisierung besteht<br />

schließlich die einzige Chance für das Parlament – insbesondere<br />

seine Ausschüsse – seinen Einfluss in der<br />

Gesetzgebung geltend zu machen. Die gesetzgeberische<br />

Arbeit der Abgeordneten in den Ausschüssen und den<br />

Fraktionsarbeitskreisen ist zum Beispiel im Bundestag<br />

eine Erklärung für die spärliche Anwesenheit der Ab-<br />

geordneten bei Plenarsitzungen. Sicher sind manche<br />

Aspekte der Parlamentsarbeit korrekturbedürftig.<br />

Ebenso korrekturbedürftig sind allerdings auch viele<br />

in der Öffentlichkeit verbreitete Vorstellungen über<br />

die Parlamente.<br />

Landtagsspiegel 2009/2010 47

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