Flensburg Journal Ausgabe 187 - April 2018
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Sein Leben, seine Zeppeline<br />
Während eines Zwölf-Wochen-Lehrgangs befand sich der Ausbilder<br />
indes voll in seinem Element. „Man fliege ein Luftschiff nicht<br />
wie ein Flugzeug, man benutze es vielmehr wie ein Segelboot“,<br />
dozierte er. Hugo Eckener soll ein sehr penibler Lehrer gewesen<br />
sein. Vor den Übungsfahrten stellte er sich mit einer Flüstertüte<br />
vor die Halle. „Luftschiff Marsch!“, skandierte er. Dann zogen 300<br />
Mann den Zeppelin nach draußen. „Luftschiff halt!“, schrie der<br />
Ausbilder und stieg als letzter in die Gondel, während die Männer<br />
der Bodenmannschaft die Stahlseile vom Schiffskörper lösten.<br />
An Bord ging es preußisch zu. Jeder Handgriff wurde einstudiert,<br />
jede mögliche Situation besprochen. Manchmal ließ Hugo Eckener<br />
auch eine Landung auf dem Wasser üben. Als ein Kommandantenanwärter<br />
zu steil ansetzte, intervenierte der Ausbilder:<br />
„Abbrechen, wir sind doch kein U-Boot!“ Wenig später ergänzte<br />
er knorrig: „Beim Landen zeigt sich der wahre Künstler!“ Wenn<br />
Hugo Eckener mit einem Schüler besonders zufrieden war, zog<br />
er eine Zigarre aus der Tasche: „Die rauchen wir nachher zusammen<br />
im Casino.“<br />
Ein Dreiergestirn: Hugo Eckener, Graf Ferdinand von Zeppelin und Peter<br />
Strasser.<br />
Sammlung Uwe Eckener.<br />
FLENSBURG JOURNAL • 04/<strong>2018</strong><br />
Der Experte arbeitete ein eigenes Flughandbuch aus und besprach<br />
häufiger die allgemeine Lage mit Peter Strasser. Dieses<br />
Duo, das Betriebswissen mit dem militärischen Geist vereinte, firmierte<br />
in Nordholz als „Papst“ und „Kaiser“. Peter Strasser war davon<br />
überzeugt, dass die Zeppeline mit Angriffen auf die Industrie<br />
und auf Verkehrsachsen die Engländer empfindlich schwächen<br />
könnten. Hugo Eckener sah es ähnlich. „An einer Stelle hat das<br />
Bombenwerfen Zweck – über England“, schrieb er einmal. „Dort<br />
kommen wir vorerst mit Batterien und Bataillonen nicht heran.“<br />
Als sich herumsprach, dass die aus der Luft abgeworfene Munition<br />
sehr streute, formulierte der zivile Fachmann: „Es werden<br />
mehr Wohnhäuser als Fabriken sein, die getroffen sind, da bin<br />
ich mir sicher. Aber auch so mag man die moralische Wirkung<br />
auf die Beefs nicht unterschätzen.“ Als die Engländer ab 1916<br />
Phosphor-Brandgeschosse einsetzten, stürzten die Zeppeline immer<br />
häufiger als lodernde Kometen ab. Von den insgesamt 73<br />
eingesetzten Marine-Luftschiffen wurden im Ersten Weltkrieg 53<br />
zerstört, 40 Prozent der Besatzungen verloren ihr Leben.<br />
Während das deutsche Heer seine Luftschiffflotte auflöste, setzte<br />
Peter Strasser auf „Höhenkletterer“, die es bis auf 7300 Meter<br />
schafften. Das Einsatzspektrum der Zeppeline verkleinerte sich<br />
allerdings – und damit auch der Tätigkeitsbereich von Hugo<br />
Eckener. Eine Feier zum Kaisergeburtstag, ein Ständchen zum eigenen<br />
Geburtstag oder die Verfolgung eines englischen U-Boots<br />
auf der Nordsee waren besondere Ereignisse. Insgesamt drückten<br />
die trostlose Monotonie von Nordholz und die Dauer des Krieges<br />
auf das Gemüt. Am 21. Mai 1917 schrieb Hugo Eckener an<br />
seine Frau: „Jeder meint, der andere sei am Ende seiner Kraft,<br />
und immer noch kann es dieser einen Monat länger aushalten.<br />
Es scheint, als ob nur die wirkliche Hungersnot in einem Lager ein<br />
Ende bringen sollte.“<br />
Im Oktober 1917 plötzlich eine Sonderaufgabe. Die deutschen<br />
Truppen in Ostafrika sollten mit Nachschub versorgt werden. Das<br />
funkelnagelneue Luftschiff L59 war für diese Solofahrt auserkoren.<br />
Hugo Eckener war in die Vorbereitungen eingebunden, reiste<br />
nach Berlin, um sich mit anderen Mitarbeitern des „Luftschiffbaus<br />
Zeppelin“ auszutauschen und die Fertigstellung des neuen<br />
Modells in Staaken zu begleiten. Der mehrwöchige Aufenthalt in<br />
der Reichshauptstadt wurde durch eine gute Verköstigung und<br />
einige Theaterbesuche gewürzt – wenngleich die Vorstellungen<br />
enttäuschten. „Die ernsthaften Menschen haben ihr Denken auf<br />
das große politische Problem eingestellt“, erkannte Hugo Eckener.<br />
Beim bulgarischen Konsulat besorgte er sich ein Visum, betreute<br />
im November die Überfahrt des L59 nach Jambol und beriet<br />
die Startvorbereitungen auf dem Balkan. Wenige Tage später<br />
schwebte erstmals ein Zeppelin über Afrika und der Wüste, bis ihn<br />
über Sudan ein Funkspruch erreichte: „Umkehren!“ Die militärische<br />
Mission war zu spät gekommen, die deutschen Kolonialtruppen<br />
hatten sich aus Ostafrika zurückgezogen. Da musste sich<br />
Hugo Eckener bereits wieder mit der niedersächsischen Einöde<br />
anfreunden.<br />
Anfang 1918 betätigte er sich bisweilen publizistisch, überarbeitete<br />
sein Lehrbuch und spendierte im Casino belegte Brötchen,<br />
als ihm das Eiserne Kreuz erster Ordnung verliehen wurde. Insgesamt<br />
dominierte aber der Trübsal die Tage in Nordholz, militärische<br />
Erfolge rückten immer mehr in die Ferne. Am 5. August 1918<br />
stürzte Peter Strasser mit dem L70 ab. „Nur seine Freundschaft<br />
war es, die mich bisher noch nicht gehen lassen wollte“, notierte<br />
Hugo Eckener. Fünf Tage später verbrachte er einen traurigen<br />
50. Geburtstag. Bei Ausbruch der Matrosenrevolte im November<br />
kehrte er nach Friedrichshafen zurück und machte sich Gedanken<br />
über die Zukunft. „Die DELAG wird wohl in irgendeiner Form<br />
wiederkommen“, sinnierte der Pionier am Bodensee. „Ich werde<br />
natürlich dabei sein, aber das Fahren anderen überlassen.“ Mit<br />
der letzten Einschätzung täuschte er sich ganz gewaltig…<br />
Fortsetzung folgt...<br />
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