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AUTOINSIDE Ausgabe 4 – April 2024

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POLITIK & RECHT<br />

DAS SAGEN DIE EXPERTEN<br />

Rechtsratgeber<br />

§<br />

Das Arbeitszeugnis als Streitfall<br />

Ob während der Dauer des Arbeitsverhältnisses oder nach dessen Beendigung <strong>–</strong> das Arbeitszeugnis<br />

fungiert als omnipräsenter Begleiter im Berufsleben. Jannis Föry und Tahir Pardhan<br />

Jannis Föry, juristischer Mitarbeiter Rechtsdienst.<br />

Tahir Pardhan, Leiter Rechtsdienst & Politik.<br />

Als Allererstes ist festzuhalten, dass ein Arbeitszeugnis nicht auf<br />

einer Kulanzbasis fusst. Vielmehr haben Arbeitnehmende gemäss<br />

Art. 330a Abs. 1 OR einen normierten und persönlichen Anspruch<br />

darauf, jederzeit ein solches Zeugnis verlangen zu dürfen. Dieser<br />

Anspruch ist zwingend und muss grundsätzlich durch Arbeitgebende<br />

innert angemessener Frist gewährt werden <strong>–</strong> ein Trödeln bei<br />

der Erstellung kann schnell mal zu einer Haftung führen.<br />

Während des Arbeitsverhältnisses wird von einem Zwischenzeugnis<br />

gesprochen, wohingegen nach der Beendigung ein Schlusszeugnis<br />

vorliegt. Eine weitere Unterscheidung wird betreffend<br />

Umfang des Zeugnisses vorgenommen. Ein Vollzeugnis bezieht<br />

sich auf die Art, Dauer sowie die Leistung und das Verhalten. Ein<br />

einfaches Zeugnis stellt eine blosse Arbeitsbestätigung dar. Der<br />

Anspruch auf Ausstellung beider Arten von Zeugnissen verjährt<br />

gemäss Art. 127 OR nach zehn Jahren.<br />

Ein besonderes Augenmerk gilt es auf den Inhalt des Arbeitszeugnisses<br />

zu richten. Des Öfteren bestehen bestimmte Diskrepanzen<br />

zwischen den Ansichten von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden<br />

in Bezug auf die Ausführungen im Zeugnis <strong>–</strong> besonders in<br />

Fällen eines strittigen Auseinandergehens. Hierbei sollten bestimmte<br />

Grundsätze beachtet werden. Das Zeugnis muss grundsätzlich<br />

wohlwollend verfasst sein, andererseits aber auch wahr, vollständig<br />

und klar. Für Vollzeugnisse sollte eine wohlwollende Formulierung<br />

gewählt werden, um das berufliche Fortkommen der Arbeitnehmenden<br />

nicht zu erschweren. Andererseits muss zukünftigen Arbeitgebenden<br />

ein möglichst wahres und klares Bild vermittelt werden. Das Vollzeugnis<br />

darf daher auch negative Tatsachen oder andere Gründe,<br />

welche Einfluss auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatten,<br />

enthalten, jedoch nur unter der Bedingung, dass diese Tatsachen<br />

einen prägenden Einfluss auf das gesamte Arbeitsverhältnis hatten<br />

oder noch immer haben. So darf gemäss Bundesgericht eine<br />

krankheitsbedingte Abwesenheit nur dann erwähnt werden, wenn<br />

sie einen erheblichen Einfluss auf Leistung, Verhalten oder Eignung<br />

hatte und damit einen sachlichen Grund für eine nachfolgende Auflösung<br />

des Arbeitsverhältnisses bildete. Einmalige Vorfälle, die keine<br />

wesentliche Rolle spielen, dürfen nicht erwähnt werden.<br />

Arbeitnehmenden steht es bei Unzufriedenheit über das Zeugnis<br />

offen, gerichtlich auf Berichtigung des Zeugnisses zu klagen, falls<br />

keine Einigung mit dem Arbeitgeber erzielt werden kann. Dabei muss<br />

ein Vorschlag eines berichtigten Zeugnisses eingereicht werden.<br />

Für positive Punkte, die im Zeugnis fehlen, aber nach Auffassung<br />

des Arbeitnehmenden unbedingt erwähnt werden sollen, muss<br />

dieser den Beweis für die aufzunehmenden Aussagen erbringen.<br />

Umgekehrt muss der Arbeitgeber die im Zeugnis beschriebenen<br />

Tatsachen belegen können, sofern es sich dabei um negative Beschreibungen<br />

handelt.<br />

Nicht nur seitens der Arbeitnehmenden kann eine Klage drohen.<br />

Falls ein ausgestelltes Zeugnis einen falschen objektiven Eindruck<br />

über den Arbeitnehmenden gegenüber seinem neuen Arbeitgeber<br />

erweckt, besteht die Gefahr, dass der dadurch entstandene<br />

Schaden eines künftigen Arbeitgebers eventuell gestützt auf Art.<br />

41 OR ersetzt werden muss.<br />

Die Erstellung eines Arbeitszeugnisses kann je nach Arbeitsverhältnis<br />

eine knifflige Gratwanderung darstellen. Um möglichst auf der<br />

sicheren Seite zu stehen, sollte dem Element des Wohlwollens Rechnung<br />

getragen werden, hierbei jedoch nicht gegen den Grundsatz der<br />

Wahrheit verstossen werden. In kritischen Fällen kann auf diese<br />

Weise ein langwieriges und eventuell kostspieliges Verfahren<br />

verhindert werden.<br />

•<br />

Weitere Infos unter:<br />

agvs-upsa.ch/de/AGVS-Rechtsratgeber<br />

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<strong>April</strong> <strong>2024</strong> | <strong>AUTOINSIDE</strong>

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