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114 DAS MITTELALTER - Universität Bern

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Mit den <strong>Bern</strong>er Stadtläufern des Spätmittelalters unterwegs<br />

«Uber hoch Berg /<br />

durch finstre Wäld»<br />

Bis ins 13. Jahrhundert zurück reichen die Anfänge des<br />

bernischen Botenwesens. Nachdem <strong>Bern</strong> 1353 der<br />

Eidgenossenschaft beigetreten war und diplomatisch<br />

eine wichtigere Rolle spielte, wuchs die Bedeutung der<br />

louffenden botten. Spätestens ab 1426 trugen die<br />

Läufer eine Amtskleidung in den Stadtfarben rot und<br />

schwarz. Die territoriale Ausdehnung des Stadtstaates sowie<br />

die zahlreichen Konflikte des 15. und frühen 16. Jahrhunderts<br />

führten nochmals zu einer Expansion des <strong>Bern</strong>er<br />

Botenwesens.<br />

In Zeiten der elektronischen Datenübertragung<br />

sind Schlagworte wie Revolution<br />

der Kommunikationskultur heute in aller<br />

Munde. Ob der Faszination der jeweils<br />

neuesten Entwicklung geraten die jeweils<br />

letzten Modelle schnell in Vergessenheit.<br />

Und kaum jemand ist sich bewusst, dass<br />

sich bereits mit dem Entstehen des Botenwesens<br />

im 14. Jahrhundert eine Neuerung<br />

gegeben hat, die für die Zeitgenossen mindestens<br />

so einschneidend gewesen dürfte.<br />

Ich Bin ein berayter pot zu fuess<br />

deshalb ich mich vil leyden muess<br />

Es sey gleych Schnee / Wint oder Regen<br />

So mus ich doch hinaus allwegen<br />

Zu wasser unnd landt überal<br />

Uber hoch Berg und tieffe thal<br />

Durch finstere Wäld / stauden und<br />

hecken<br />

Da mich offt die schnaphannen<br />

schrecken<br />

Und mir als nehmen was ich thu tragen<br />

Und mir die hawt darzu vol schlagen<br />

Im Winter leyd ich grosse kelt<br />

Im herbst mich das ungwitter quelt<br />

Im Summer leyd ich grosse hytz<br />

Da ich mich offt Beym Wirt versitz<br />

Und Leich gar verdien mein lon<br />

So ist er offt vorhyn verthon [...]<br />

Mit diesen schlichten Versen beschreibt<br />

ein laufender Bote im Jahr 1530 auf einem<br />

Nürnberger Flugblatt des Kupferstechers<br />

Hans Guldenmund die dunklen Seiten<br />

seines abenteuerreichen Berufs (Abbildung<br />

1). Schlechte Strassenverhältnisse,<br />

22 UNIPRESS<strong>114</strong>/OKTOBER 2002<br />

schwierige Witterungsbedingungen, Gefahren<br />

durch Raubüberfälle und Kriege<br />

und nicht zuletzt auch betrügerische Wirte,<br />

die sich an seinem kargen Lohn bereichern<br />

wollen, gehörten zum Alltag. Auch wenn<br />

dieses Flugblatt als Schmähschrift gegen<br />

freischaffende Läufer gedacht war, die<br />

auf dem hart umkämpften, von der Thurn<br />

und Taxi’schen Post beherrschten Informationsmarkt<br />

eine unliebsame Konkurrenz<br />

darstellten, schildert es doch in überhöhter<br />

Form Alltagsprobleme, die jeder spätmittelalterliche<br />

Laufende oder berittene Bote<br />

aus eigener Anschauung kannte. Dies gilt<br />

auch für die <strong>Bern</strong>er Stadtläufer, auf deren<br />

Wirken sich die folgenden Ausführungen<br />

konzentrieren. Seit dem 14. Jahrhundert<br />

beförderten sie den grössten Teil<br />

der mündlichen und schriftlichen Korrespondenz<br />

des obersten Führungsgremiums,<br />

des <strong>Bern</strong>er Rates. Wie jede halbwegs autonome<br />

Stadt war auch das reichsfreie <strong>Bern</strong><br />

um einen regen Nachrichtenaustausch bemüht,<br />

der einerseits der Verwaltung eines<br />

beachtlichen Stadtgebietes galt, andererseits<br />

auch der Kontaktpflege mit anderen<br />

Städten und Ländern der Alten Eidgenossenschaft<br />

sowie ausserhalb dieser Gebiete<br />

gelegenen Mächten des Alten Reiches.<br />

Louffende botten<br />

Die Wurzeln des bernischen Botenwesen<br />

reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück.<br />

Bereits im ältesten <strong>Bern</strong>er Stadtrecht, der<br />

Abb. 1: Läufer mit voller<br />

Ausrüstung unter -<br />

wegs: Die Illustration entstammt<br />

einem Flugblatt<br />

des Nürnberger Kupferstechers<br />

Hans Guldenmund<br />

(1530).<br />

(Hans-Dieter Heimann, Zur Visualisie-<br />

rung städtischer Dienstleistungskultur,<br />

S. 28, in «Anzeiger des Germanischen<br />

Nationalmuseums 1993».<br />

©Preussischer Kulturbesitz, Berlin)

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