114 DAS MITTELALTER - Universität Bern
114 DAS MITTELALTER - Universität Bern
114 DAS MITTELALTER - Universität Bern
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gemeinsame Arbeit an einem berühmten Figurenportal<br />
Die Basler Galluspforte<br />
Die Galluspforte ist eines der bedeutendsten romanischen<br />
Skulpturenwerke der Schweiz. Das heilgeschichtliche<br />
Figurenprogramm des triumphbogenartigen Portals ist<br />
vielseitig interpretiert worden. Ist die gut erhaltene Pforte<br />
ein aus älteren Portalen zusammengestückeltes Flickwerk<br />
oder stellt sie ein streng theologisch begründetes Gesamtkunstwerk<br />
dar?<br />
Im Bogenfeld thront Christus als Weltenrichter<br />
umgeben von Petrus, Paulus und<br />
den Stiftern. Im Türsturz, Bezug nehmend<br />
auf den Kircheneingang, stehen die<br />
törichten Jungfrauen – ihre erloschenen<br />
Lampen in der Hand – vor verschlossener<br />
Tür, die weisen Jungfrauen, deren Lampen<br />
noch brennen, werden jedoch von Christus<br />
empfangen und aufgefordert, einzutreten.<br />
Im Gewände, d. h. in der seitlichen<br />
Umgrenzung links und rechts neben dem<br />
Eingang, stehen die vier Evangelisten; die<br />
in je drei übereinander gestellten Ädikulen<br />
(Baldachinen) dargestellten Werke der<br />
christlichen Barmherzigkeit daneben sollen<br />
dem Gläubigen einen möglichen Weg<br />
Abb. 1: Basel,<br />
Münster, Gal -<br />
luspforte.<br />
(Foto: E. Schmidt<br />
ins ewige Leben exemplarisch vorführen.<br />
Darüber, das Bogenfeld flankierend, stehen<br />
links Johannes der Täufer und rechts<br />
Johannes der Evangelist. Im obersten Register<br />
blasen zwei Engel zum Gericht des<br />
jüngsten Tages; die Toten erwachen, steigen<br />
aus ihren Gräbern und kleiden sich an,<br />
um beim Jüngsten Gericht zu erscheinen.<br />
Ausgangslage<br />
Die Galluspforte am Nordquerhaus des<br />
Basler Münsters wird mit dem spätromanischen<br />
Neubau nach einem allerdings<br />
durch eine zweifelhafte Quelle überlieferten<br />
Brand des Münsters im Jahre 1185 datiert.<br />
Sie verdankt ihre Berühmtheit der<br />
Bezeichnung als erstes Figurenportal im<br />
deutschsprachigen Raum (Abb. 1). Dieser<br />
Umstand hat die kunstgeschichtliche Literatur<br />
bewogen, Herleitungen jedweder<br />
Art zu entdecken. Die verschiedenen inhaltlichen<br />
Anregungen können vor allem<br />
in Frankreich und Italien gefunden werden.<br />
So ist der Gerichtsgedanke am Westportal<br />
der Abteikirche von Cluny, die Werke der<br />
Barmherzigkeit am linken Türpfosten des<br />
Nordportals des Baptisteriums von Parma<br />
ebenfalls anzutreffen.<br />
Auch der antike Triumphbogen von Besançon,<br />
die Porte Noire, gehört zu den<br />
Mosaiksteinen, aus denen das Bild der<br />
Galluspforte sich immer wieder neu zusammensetzen<br />
liess (Abb. 2).<br />
Es galt, diese angeblichen Beziehungen<br />
auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen<br />
und dabei das Münster in seiner Gesamtheit<br />
in die Diskussion einzubeziehen.<br />
Nach der Restaurierung der 1990er-Jahre,<br />
dem 500-Jahrjubiläum der Vollendung des<br />
Münsters und der Ausstellung des Münsterschatzes<br />
sind in jüngster Zeit neue Impulse<br />
zur Erforschung des Basler Münsters<br />
zu verzeichnen. Der Zeitpunkt erschien<br />
deshalb günstig, sich wieder einmal intensiver<br />
mit der Galluspforte als einem<br />
der kunsthistorischen Angelpunkte des<br />
Münsters auseinanderzusetzen.<br />
Stand und Perspektiven<br />
der Forschung<br />
Der Forschungsstand zur Galluspforte<br />
wurde zuletzt 1990 von Dorothea Schwinn<br />
Schürmann zusammengefasst (s. Literaturverzeichnis).<br />
Sie resümierte auch kurz<br />
die Restaurierungsgeschichte des Portals.<br />
Ein wichtiger erster Schritt war die Frage,<br />
wie die «Tür gegen die Linden hinuß» (so<br />
eine Quelle des 16. Jahrhunderts) im Laufe<br />
der Jahrhunderte gesehen und behandelt<br />
wurde. Für diesen rezeptionsgeschichtlichen<br />
Ansatz wurden sämtliche erreichbaren<br />
Bildquellen und Beschreibungen<br />
der Pforte zusammengestellt. Dabei galt<br />
es, die in der genannten Publikation nur<br />
kurz dargestellten Resultate der restauratorischen<br />
Untersuchung von 1986–89 auf-<br />
UNIPRESS<strong>114</strong>/OKTOBER 2002<br />
47