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114 DAS MITTELALTER - Universität Bern

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helm und Rodrigo beurteilten islamische<br />

Herrscher vornehmlich danach, wie sie die<br />

politischen Tugenden ausübten, zum Nutzen<br />

oder zum Schaden ihrer Reiche und<br />

Völker, ohne dabei Rücksicht auf christliche<br />

Belange zu nehmen.<br />

Eindrucksvoll gelang es beiden Autoren,<br />

Sympathien und Antipathien zu formulieren<br />

und Persönlichkeitsbilder zu zeichnen,<br />

in denen das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein<br />

von Eigenschaften wie<br />

milde, freigebig, gütig, gerecht, gottesfürchtig,<br />

religiös, umsichtig, menschlich,<br />

moderat, friedfertig, beständig, geduldig,<br />

würdig, glücklich und gesegnet, jedoch<br />

nicht die Tatsache der Andersgläubigkeit,<br />

eine grosse Rolle spielten. Herrscher<br />

mochten gut oder schlecht, stark oder<br />

schwach sein, sie waren vor allem für Rodrigo<br />

am schlimmsten, wenn sie sich als<br />

solche Leichtgewichte erwiesen, dass in<br />

ihrer Regierungszeit nichts passierte, was<br />

würdig gewesen wäre, überliefert zu werden:<br />

Welch ein Unterschied zu Adam von<br />

Bremen und Otto von Freising, die noch<br />

Abb. 5: Ein besonderer Kreuzfahrer und<br />

Verehrer des Heiligen Landes: Ritter Kuno<br />

von Buchsee als Stifter der Johanniterkomturei<br />

in Münchenbuchsee, Kt. <strong>Bern</strong>, Chorfenster<br />

in der Kirche von Münchenbuchsee<br />

(13. Jh).<br />

(Peter Meyer (Hg.), <strong>Bern</strong>er – deine Geschichte; 1981, S. 63)<br />

28 UNIPRESS<strong>114</strong>/OKTOBER 2002<br />

Abb. 4: Zahlreiche Kreuzfahrer-Darstellungen<br />

in den<br />

Chroniken dienen der Verherrlichung<br />

der «christlichen<br />

Helden» und ihrer Taten:<br />

Gottfried von Bouillon und<br />

der päpstliche Kreuzzugslegat,<br />

Bischof Adhémar von Le<br />

Puy, an der Spitze des siegreichen<br />

Heeres auf dem ersten<br />

Kreuzzug (13. Jh).<br />

(Silvia Rozenberg (Hg.), Knights of the<br />

Holy Land)<br />

Nutzen und Würde der Historiographie<br />

von ihrem christlichen Gehalt abhängig<br />

machten!<br />

3. Das Recht<br />

Die lateinischen Gesellschaften in Spanien<br />

und im Heiligen Land werden oft<br />

als Pionier- oder Frontgesellschaften beschrieben,<br />

wobei man bewusst oder unbewusst<br />

assoziiert, dass ununterbrochen<br />

Reconquista-Kriege, Heilige Kriege oder<br />

Kreuzkriege geführt worden seien. Insgesamt<br />

waren jedoch die Friedenszeiten<br />

viel häufiger und länger als die Kriegszeiten,<br />

und nicht selten waren jene auch<br />

vertraglich gesichert. Die Basis dazu war<br />

das Recht, worauf Wilhelm und Rodrigo,<br />

Abb. 6: Friedenszeiten waren<br />

viel länger als die Zeiten des<br />

Krieges und boten Chancen<br />

zur Verständigung: Muslim<br />

und Christ beim Schachspiel<br />

(11./12. Jh).<br />

(Terry Jones, Alan Ereira, Die Kreuzzüge,<br />

München 1995, S. 96)<br />

beide hochrangige politische Mitgestalter<br />

ihrer Reiche, wenigstens reflexiv in ihrer<br />

Historiographie Einfluss nehmen konnten.<br />

Im Gegensatz zu den herrschenden<br />

Vorstellungen der lateinischen Papstkirche,<br />

in denen Ungläubigen entweder gar<br />

keine oder nur mindere Rechte zugebilligt<br />

wurden, machten sie keinerlei Unterschiede.<br />

Daher sei diese Form inhalt-<br />

licher Wahrnehmung «der Vorrang gleichen<br />

Rechts» genannt. Für diesen Vorrang<br />

trat insbesondere Wilhelm von Tyrus<br />

ein. Er zögerte nicht, den feindlichen<br />

Nachbarn gerade auch dann das Recht auf<br />

Heimat, Freiheit, Eigentum und Familie<br />

zuzugestehen, wenn die territoriale oder<br />

städtische Hoheit des muslimischen Ge-

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