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Wenn einer eine Reise tut... - Adolf-Reichwein-Verein

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Am 11. Januar 1945 wurde Helmuth<br />

James von Moltke durch den Volksgerichtshof<br />

unter Roland Freisler wegen<br />

Hochverrats zum Tode verurteilt und<br />

am 23. Januar hingerichtet, obwohl er<br />

ein Gegner des gewaltsamen Umsturzes<br />

war und nicht mit den Geschehnissen<br />

des 20.Juli in Verbindung<br />

stand. Er war bereits aus anderen<br />

Gründen inhaftiert worden, bevor ein<br />

Großteil der Mitglieder des Kreises<br />

sich für den gewaltsamen Sturz der<br />

Diktatur entschied. S<strong>eine</strong> Frau entging<br />

vermutlich nur deshalb dem gleichen<br />

Schicksal, weil das Regime in den Wirren<br />

der letzten Kriegstage ihre aktive<br />

Beteiligung und Mitwisserschaft nicht<br />

mehr erkannte.<br />

Im Herbst 1945 siedelte Freya von<br />

Moltke mit den Söhnen nach Berlin<br />

über, lebte kurzfristig auch in der<br />

Schweiz und dann von 1947 bis 1956<br />

in Kapstadt (Südafrika). Sie war dort<br />

bei <strong><strong>eine</strong>r</strong> Behindertenorganisation als<br />

Sozialarbeiterin tätig. Ihren Beruf als<br />

Juristin hat sie dagegen nie ausgeübt.<br />

Sie kehrte 1956 wieder nach Berlin zurück.<br />

Im Jahre 1960 zog Freya zu dem Sozialwissenschaftler<br />

Eugen Rosenstock-Huessey<br />

(1888-1973) nach<br />

Norwich (Vermont/USA). Er war ein<br />

langjähriger Freund des Ehepaars<br />

Moltke. Dort, auf der Farm "Four<br />

Wells" lebte Freya von Moltke bis zu<br />

ihrem Tode. In ihrer Wahlheimat ist sie<br />

auch beerdigt worden. Seit den achtziger<br />

Jahren war sie amerikanische<br />

Staatsbürgerin.<br />

Der 1998 eingeweihten neuen internationalen<br />

Begegnungsstätte in Krzy�owa<br />

blieb sie zeitlebens aktiv verbunden<br />

und wurde zu <strong><strong>eine</strong>r</strong> von Polen wie<br />

Deutschen geschätzten Identifikationsfigur<br />

für das �neue Kreisau�.<br />

Freya von Moltke repräsentiert <strong>eine</strong><br />

Generation, die viel erlebt und erlitten<br />

hat. Diese Menschen sind noch zu<br />

Kaiser Wilhelms Zeiten geboren,<br />

durchlitten zwei Weltkriege, haben ihre<br />

Schulzeit während der Weimarer Republik<br />

in <strong><strong>eine</strong>r</strong> jungen, letztlich gescheiterten<br />

Demokratie absolviert,<br />

gründeten Familien in der Zeit <strong><strong>eine</strong>r</strong><br />

reichwein forum Nr. 15 Juni 2010<br />

11<br />

Diktatur, lebten seit 1945 in westlichen<br />

Demokratien. Eine Vielfalt des Lebens,<br />

die Medienberichte nicht wiedergeben<br />

können.<br />

In den Medien und der Öffentlichkeit<br />

ist sie zu Lebzeiten zwar stets sehr<br />

stark beachtet worden, doch meist, wie<br />

oben schon angedeutet, eher als Witwe<br />

des bedeutenden Helmuth James<br />

von Moltke.<br />

Von ihrem Tod erfuhr die Öffentlichkeit<br />

am 2. Januar 2010 zunächst durch<br />

Rundfunk- und Fernsehmeldungen.<br />

Die letzte Meldung der ARD-<br />

Tagesschau lautete in zwei Sätzen:<br />

�Freya von Moltke, die Mitbegründerin<br />

des Kreisauer Kreises und Widerstandskämpferin<br />

gegen die nationalsozialistische<br />

Herrschaft starb am<br />

Abend des 1. Januar 2010 im Alter von<br />

98 Jahren in Vermont (USA).<br />

Bis zuletzt förderte und unterstütze sie<br />

die Jugendbegegnungsstätte Kreisau<br />

(Polen) im Zeichen der deutschpolnischen<br />

und europäischen Verständigung.�<br />

Diese Botschaft durchzog die Medienlandschaft<br />

bzw. die Berichterstattung<br />

in den darauf folgenden Tagen.<br />

Gerd Appenzeller titelte im Berliner<br />

Tagesspiegel: �Gehenkt, weil wir zusammen<br />

dachten� - Freya Gräfin von<br />

Moltke starb 98-jährig in den USA.� Er<br />

erläuterte diesen Zitatausschnitt erst<br />

im vorletzten Abschnitt s<strong>eine</strong>s Beitrages.<br />

2<br />

Das bekannte Zitat stammt aus <strong>eine</strong>m<br />

Brief vom 10. Januar 1945, den Helmuth<br />

James von Moltke s<strong><strong>eine</strong>r</strong> Frau<br />

aus dem Gefängnis in Berlin-Tegel<br />

schrieb 3 .<br />

Ludwig Mehlhorns Artikel in der Berliner<br />

Zeitung: �Nichts war vergeblich.<br />

Zum Tod von Freya Gräfin von Moltke<br />

aus der Widerstandsbewegung des<br />

Kreisauer Kreises�, enthält als zusätz-<br />

2 Der Tagesspiegel vom 05.01.2010, S. 3.<br />

3 Moltke schreibt im Brief vom 10. Januar<br />

1945: �Wir haben k<strong>eine</strong> Gewalt anwenden<br />

wollen, k<strong>eine</strong>n einzigen organisatorischen<br />

Schritt unternommen, mit k<strong>eine</strong>m einzigen<br />

Mann über die Frage gesprochen, ob er <strong>eine</strong>n<br />

Posten übernehmen soll. Wir haben<br />

nur gedacht. Wir werden gehenkt, weil wir<br />

zusammen gedacht haben.�.<br />

lichen Schwerpunkt die Darstellung<br />

der Aktivitäten Freyas hinsichtlich des<br />

Auf- und Ausbaus des ehemaligen<br />

Gutes Kreisau (Schloss und Berghaus)<br />

zur europäischen Jugend- und Begegnungsstätte.<br />

4<br />

�Wie gut, dass Kreisau heute polnisch<br />

ist. Das nimmt es heraus aus <strong><strong>eine</strong>r</strong><br />

möglichen deutschen Enge und macht<br />

es von vornherein zu <strong>eine</strong>m europäischen<br />

Ort�, diesen Satz formulierte<br />

Freya von Moltke schon zu Beginn der<br />

Arbeit in der Stiftung �Neues Kreisau�,<br />

die sie seit Anbeginn aktiv unterstützte.<br />

Sie kam zu jährlichen Sitzungen,<br />

Seminaren und Vorträgen nach Kreisau,<br />

Berlin oder Breslau.<br />

Am 7. Januar 2010 fand sich ein längerer<br />

Nachruf von Klaus Harpprecht in<br />

der �Zeit�: �Die Unbeugsame - Zum<br />

Tode von Freya von Moltke, Witwe des<br />

Widerständlers Helmuth James von<br />

Moltke�.<br />

Er nennt die Verstorbene <strong>eine</strong> �der<br />

großen Frauen des vergangenen<br />

Jahrhunderts�. 5<br />

In s<strong>eine</strong>m detaillierten und engagierten<br />

Beitrag streift Harpprecht die Mitwirkung<br />

Freyas an den drei Sitzungen<br />

des Kreisauer Kreises, ihre zeitweise<br />

alleinige Leitung des Gutes in Schlesien,<br />

ihre gute Menschenkenntnis und<br />

ihr organisatorisches Geschick, ihre<br />

Klugheit und eindeutige politische Einstellung,<br />

ihre soziale Verantwortung,<br />

ihre kommunikative Kompetenz und<br />

das gute sowie harmonische Zusammenleben<br />

von Helmuth und Freya von<br />

Moltke, das er <strong>eine</strong> �Partnerschaft der<br />

Gleichen� nennt.<br />

Diese werde besonders auch durch<br />

s<strong>eine</strong> Briefe an s<strong>eine</strong> Frau manifestiert.<br />

In der Online-Ausgabe der �Welt� vom<br />

10. Januar war der Beitrag zu lesen:<br />

�Die zwei Geschichten <strong><strong>eine</strong>r</strong> großen<br />

Familie� von dem Historiker Jochen<br />

Thies aus Berlin 6 , der dabei ist, <strong>eine</strong><br />

4<br />

Berliner Zeitung, 5. Januar 2010, Feuilleton<br />

5<br />

Die Zeit Nr. 2 vom 07.01.2010, im Feuilleton,<br />

S. 52.<br />

6<br />

Die Welt vom 10.01.2010, online-Ausgabe<br />

(Internet)

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