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Wenn einer eine Reise tut... - Adolf-Reichwein-Verein

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sie gerne in Kreisau vertreten hätte,<br />

hatte sie die <strong>Reise</strong> dorthin untersagt.<br />

Sie selbst wollte erst dann wieder nach<br />

Kreisau/Krzyzowa zurückkehren, wenn<br />

sie von den Polen offiziell eingeladen<br />

würde. Das geschah auch bald danach,<br />

und sie folgte der Einladung des<br />

Warschauer "Clubs der Katholischen<br />

Intelligenz" ("KIK") nach Krzy�owa, wie<br />

es nun auf polnisch heißt, Kreisau offiziell<br />

zu besuchen. Seitdem verehren<br />

sie die Polen wegen dieser Haltung.<br />

Sie hatte es geschafft, zwischen<br />

Deutschland und Polen <strong>eine</strong> Brücke zu<br />

bauen und entscheidend dazu beigetragen,<br />

das Krzy�owa/Kreisau zu <strong>eine</strong>m<br />

Ort internationaler, vor allem europäischer<br />

Begegnungen und des lebendigen<br />

Dialogs wurde, besonders<br />

zwischen Jugendlichen. Für sie war<br />

das "Wir"-Gefühl so wichtig und den<br />

Geist der "Kreisauer" für ein menschliches<br />

und demokratisches Europa im<br />

"Neuen Kreisau" wieder zu beleben,<br />

das sie mehr und mehr liebte und das<br />

noch zur "großen Freude ihres Alters"<br />

wurde.<br />

Eines Tages überraschte mich Freya<br />

mit der Frage ob ich <strong>eine</strong>n Teil ihres<br />

Manuskriptes lesen wolle, an dem sie<br />

grade arbeite. Das war im Jahr 1996,<br />

als ich sie wieder einmal in Vermont<br />

besuchte. Der C.H.Beck-Verlag würde<br />

ein kl<strong>eine</strong>s Buch mit ihrem Bericht<br />

über ihr Leben in Kreisau während der<br />

Jahre 1930 bis 1945 herausgeben Ich<br />

sei die Erste, der sie ihren Text zum<br />

Lesen gebe.<br />

Ihr Vertrauen, das sie mir durch ihr<br />

Angebot entgegen brachte, beeindruckte<br />

mich. Ich war aber auch sehr<br />

daran interessiert, noch mehr Details<br />

über ihr Leben in Kreisau zu erfahren.<br />

Schließlich las ich nicht nur diesen <strong>eine</strong>n<br />

Teil ihres Manuskriptes, sondern<br />

alles, was sie bis dahin geschrieben<br />

hatte. Rasch fanden wir zur gemeinsamen<br />

Arbeit zusammen. Wir gingen<br />

ihren gesamten Text durch und besprachen<br />

m<strong>eine</strong> Anmerkungen. Sie<br />

schrieb humorvoll und mit sprödem<br />

Charme, zum Teil etwas überspitzt im<br />

lockeren umgangssprachlichen Stil.<br />

Wies ich sie zum Beispiel auf diesen<br />

oder andere m<strong><strong>eine</strong>r</strong> Meinung nach<br />

kritische Stellen hin, war sie durchaus<br />

reichwein forum Nr. 15 Juni 2010<br />

17<br />

bereit, Veränderungen und Verbesserungen<br />

zu akzeptieren und vorzunehmen.<br />

Es bereitete mir Vergnügen,<br />

wenn sie mir auch mal strikt mit der<br />

knappen Bemerkung widersprach<br />

"Nein, das finde ich aber nicht!" Dieser<br />

Äußerung folgte dann auch k<strong>eine</strong> Diskussion<br />

mehr.<br />

Am Ende waren wir beide glücklich -<br />

und zufrieden!<br />

Das kl<strong>eine</strong> Buch erschien im folgenden<br />

Jahr unter dem Titel "Erinnerungen an<br />

Kreisau 1930-1945" und fand viele Interessenten.<br />

Ich freute mich sehr über ihren Erfolg,<br />

denn sie hatte es verstanden, mit dieser<br />

Geschichte und ihrem lebendigen<br />

Erzählstil, bis ins kleinste Detail, ihre<br />

Leser zu fesseln.<br />

Freya wurde im Jahr 2004 zum 60.<br />

Jahrestag des "20. Juli 1944" als Ehrengast<br />

von der Bundesregierung eingeladen.<br />

Dieses Mal war sie gerne und<br />

ein wenig stolz die Begleiterin von<br />

Bundeskanzlers Gerhard Schröder,<br />

auch umringt von weiteren Prominenten.<br />

Sie hatte aber ebenso neben den Interviews<br />

mit zahlreichen Zeitungen<br />

und Fernsehsendern noch genügend<br />

Zeit, sich noch vor den offiziellen Veranstaltungen<br />

mit m<strong><strong>eine</strong>r</strong> Nichte Miriam<br />

(Tochter m<strong>eine</strong>s Bruders Roland, zu<br />

der Freya ein besonderes Verhältnis<br />

hatte) und mir zu treffen. Wir luden sie<br />

beide einfach am Vortag zu <strong>eine</strong>m<br />

gemeinsamen Brunch ein, um sie einmal<br />

ganz für uns all<strong>eine</strong> zu haben,<br />

wohl wissend, dass zu viele Menschen<br />

sie bei den späteren Feiern und Begegnungen<br />

bedrängen würden. Dieses<br />

vertraute Zusammensein zu Dritt blieb<br />

für uns unvergesslich.<br />

Im August 2005 starb nach kurzer<br />

Krankheit und überraschend Freyas<br />

Sohn Konrad. Dieser Tod traf sie so<br />

sehr, dass sie der Schmerz nicht mehr<br />

los ließ.<br />

Anfang Oktober 2007, zur Zeit des "Indian<br />

Summer", besuchte ich Freya<br />

zum letzten Mal im schönen und inzwischen<br />

vertraut gewordenen "Four<br />

Wells". Wie sie, liebe ich diese Jahreszeit<br />

ganz besonders, in der sich die<br />

Blätter der Bäume in Vermont vom<br />

leuchtenden Goldgelb übers Feuerrot<br />

bis ins dunkle Violett verfärben. Es war<br />

fast wieder so, wie beim ersten Mal vor<br />

gut 40 Jahren. Äußerlich hatte sich<br />

auch am Haus seitdem wenig verändert.<br />

Dafür war in all den Jahren <strong>eine</strong><br />

entspannte Vertrautheit zwischen uns<br />

beiden entstanden.<br />

Wer einmal bei Freya zu Besuch sein<br />

durfte, weiß, dass sie auch <strong>eine</strong> perfekte<br />

Gastgeberin war und ganz<br />

selbstverständlich und gerne für ihre<br />

Gäste kochte.<br />

Zwar betonte sie mit zunehmenden<br />

Alter, dass sie nun - leider - nicht mehr<br />

in der Lage sei, diese Aufgaben <strong><strong>eine</strong>r</strong><br />

Gastgeberin zu ihrer eigenen Zufriedenheit<br />

erfüllen zu können, aber - und<br />

das war ebenfalls typisch für sie - als<br />

ich dieses letzte Mal zu ihr kam, bat<br />

sie mich, gemeinsam mit dem Historiker<br />

Peter Hoffmann und dessen Frau<br />

- sehr geschickt eingefädelt -, doch<br />

wieder zum Lunch zu sich.<br />

Freya war auch <strong>eine</strong> Meisterin der<br />

Freundschaftspflege und sehr geschickt<br />

im Zusammenführen von Menschen.<br />

Sie pflegte ebenfalls, wie m<strong>eine</strong><br />

Mutter, <strong>eine</strong> rege Korrespondenz, nicht<br />

nur mit den ihr nahe stehenden Menschen.<br />

Damals machte ich m<strong>eine</strong> letzten Fotos<br />

von Freya. Inzwischen akzeptierte<br />

sie es, von mir dabei in den Mittelpunkt<br />

gerückt zu werden.<br />

Beim Abschiednehmen am Ende dieses<br />

Tages fragte mich Freya überraschend:<br />

"kommst Du morgen wieder,<br />

morgen so zwischen 10.00 und 11.00<br />

Uhr?" Einen zweiten Besuch hatten wir<br />

zuvor gar nicht vereinbart, aber wie<br />

konnte ich ihr diesen Wunsch abschlagen?!<br />

Ich kehrte erst einmal zu Freyas<br />

Schwiegertochter Ulrike zurück (Konrads<br />

erste Frau), die mich liebevoll in<br />

ihrem abgelegnen, wenn auch nur 10<br />

Autominuten von Freya entfernt liegendem<br />

kl<strong>eine</strong>n und gemütlichen<br />

Waldhäuschen aufgenommen hatte,<br />

um Freya jegliche Arbeit abzunehmen.<br />

Wir hatten uns seit ihrer Hochzeit nur<br />

ab und zu wieder gesehen und uns so<br />

viel zu erzählen. Sie vertraute mir unter<br />

anderem an, dass Freya ihr gegenüber<br />

schon den Wunsch geäußert habe,<br />

einmal von ihr betreut zu werden,

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