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Wenn einer eine Reise tut... - Adolf-Reichwein-Verein

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S. 113). Die Ämter des Präsidenten<br />

und des Generalsekretärs waren �Ehrenämter�;<br />

Rothe wurde aber wegen<br />

s<strong><strong>eine</strong>r</strong> vielen Auslandsreisen und der<br />

umfangreichen Korrespondenz als<br />

Mitglied in der Schrifttumsabteilung<br />

geführt, so dass er ministerielle Hilfe in<br />

Anspruch nehmen konnte. In Überlingen,<br />

s<strong>eine</strong>m Wohnort seit 1940, wurde<br />

ihm mit Übernahme des Amtes <strong>eine</strong><br />

Sekretärin bezahlt (vgl. Hausmann<br />

2004, S. 53). Von 1942 bis 1944 hat<br />

Rothe viele Auslandsreisen zu den<br />

dortigen Sektionen der ESV unternommen.<br />

Rothe hatte bereits 1940 am Weimarer<br />

Dichtertreffen teilgenommen und dort<br />

<strong>eine</strong>n Vortrag über �Die Überwindung<br />

westlerischen Geistes durch die deutsche<br />

Dichtung� gehalten. Wie schon<br />

der Titel vermuten lässt, war es <strong>eine</strong><br />

insgesamt zwiespältige Rede, die<br />

möglicherweise mit bewirkt hat, dass<br />

ihm ein Jahr später die Rolle des Generalsekretärs<br />

der ESV angeboten<br />

wurde. In s<strong><strong>eine</strong>r</strong> Rede ging es Rothe<br />

um �die geschichtliche Auseinandersetzung<br />

und Abgrenzung zwischen<br />

uns und dem Westen� (1941, S.77),<br />

wozu er auch England und die USA<br />

zählte. Der �westlerische Geist� war für<br />

ihn �oberflächlich� (�alles ist erklärbar�,<br />

S.82), der deutsche Geist durch Tiefe<br />

gekennzeichnet; dieser fragt nach dem<br />

�´geheimen Gesetz`�, das �über allem<br />

Menschlichen und Zeitlichen noch<br />

herrscht� (S.86) und das deutlich wird<br />

durch Begriffe wie �Gemeinschaft�,<br />

�Volk�, �Reich�, �Heimat�, �Mensch�,<br />

�Sprache� (S. 88 ff.). Seit dem �finsteren<br />

November� (S.87) (1918) zeige die<br />

Dichtung über den Krieg das geeinte<br />

deutsche Volk und das großdeutsche<br />

Reich (vgl. S. 91 und 93). Er warnte<br />

aber vor den �Auswüchsen <strong><strong>eine</strong>r</strong> ´Blutund<br />

Bodenliteratur`� und vor dem �miserablen�<br />

und �verlogenen� Gebrauch<br />

des �Wortes ´deutsch`� (S.92). Die<br />

Dichtung habe Europa in s<strong><strong>eine</strong>r</strong> �Buntheit<br />

und Vielheit� zu zeigen und sich<br />

von �westlerischer Uniformität und<br />

Gleichmacherei� abzugrenzen. - In <strong>eine</strong>m<br />

kurzen Essay �Sehr dicht beiein-<br />

23 Vgl. die kritischen Anmerkungen zu Ca-<br />

reichwein forum Nr. 15 Juni 2010<br />

20<br />

ander� - veröffentlicht im Juni 1942 in<br />

der Zeitschrift �Europäische Literatur� -<br />

schrieb Rothe über das Weimarer<br />

Dichtertreffen im Oktober 1941. Deutsche<br />

und ausländische Dichter seien<br />

sich �´noch mitten im Kampf´� näher<br />

gekommen und hätten �Gemeinsamkeit�<br />

verspürt; es sei �das Bewußtsein<br />

des großen, allen gemeinsamen Erbes�<br />

gewesen. Man sei sich aber auch<br />

des �Auftrages� bewußt geworden, da<br />

die europäische Kultur �´bedroht`� (S.<br />

13) sei. � In s<strong><strong>eine</strong>r</strong> Rede �Vom Amt<br />

des Künstlerischen heute und morgen�<br />

in Berlin 1942 stellte Rothe im Anschluss<br />

an <strong>eine</strong> Bemerkung Goethes<br />

fest, dass Dichter wohl �vorbildliche<br />

Soldaten� seien, aber k<strong>eine</strong>n �kriegerischen<br />

Sinn� (S. 24) hätten. Zwar beschrieben<br />

Dichter in ihren Werken<br />

�kriegerische Helden�, aber es sei<br />

doch ein �Anderssein� zwischen dem<br />

�Künstlerischen� und dem �militanten<br />

Geist�(S. 25). Bei der �Begegnung� der<br />

Dichter zeige sich die �Herrlichkeit und<br />

Größe des europäischen Geistes�. Im<br />

Verlauf des Krieges (2. �Weltkrieg�) sei<br />

die �Gemeinsamkeit der abendländischen<br />

Werte und Güter� (S. 26) wieder<br />

deutlich geworden. Das Abendland<br />

unterscheide sich dabei grundsätzlich<br />

von �amerikanischer Uniformität� und<br />

�tatarischer Gleichmacherei� (S. 27).<br />

Vertreter des Propagandaministeriums<br />

reagierten sauer auf die Rede Rothes<br />

und wollten ihn als Generalsekretär<br />

der ESV ablösen. Das geschah jedoch<br />

nicht; Rothe schien �unersetzlich� zu<br />

sein (vgl. Hausmann 2004, S. 64).<br />

Nach dem Kriege wurde Rothe Mitte<br />

Februar 1947 wegen s<strong><strong>eine</strong>r</strong> Zusammenarbeit<br />

mit dem NS-Regime in der<br />

Funktion als Generalsekretär der ESV<br />

verhaftet (vgl. Südkurier vom<br />

28.3.1947). Rothe lag im politischen<br />

Streit mit �linken Kräften�, denen er<br />

vorwarf, wieder <strong>eine</strong> Diktatur herbeiführen<br />

zu wollen, die ihn dagegen anklagten,<br />

als Generalsekretär der ESV<br />

habe er dazu beigetragen, �Europa mit<br />

<strong><strong>eine</strong>r</strong> geistvoll gefärbten nationalsozialistischen<br />

Propaganda zu überziehen�<br />

(Hausmann 2004, S. 101 Anm. 202).<br />

Die Untersuchung durch die französi-<br />

rossa von Ernst Loewy 1969, S. 273 ff.<br />

sche Militärbehörde führte zu dem Ergebnis,<br />

dass Rothe am 25.April 1947<br />

aus dem Internierungslager entlassen<br />

wurde. Es wurde aber <strong>eine</strong> �Art Verbannung�<br />

gegen ihn ausgesprochen,<br />

d.h. er durfte bis April 1948 den Kreis<br />

Überlingen nicht betreten und den<br />

Wohnort Donaueschingen nicht verlassen<br />

(S. 100).<br />

Eigene literarische Werke hat Rothe<br />

nach 1945 nicht mehr verfasst; er hat<br />

stattdessen Sachbücher geschrieben<br />

oder aus dem Französischen ins<br />

Deutsche übersetzt. Ab 1955 gab es<br />

<strong>eine</strong> erste berufliche Zusammenarbeit<br />

mit Arnold Bergstraesser, damals Direktor<br />

des �Forschungsinsti<strong>tut</strong>es der<br />

Deutschen Gesellschaft für Auswärtige<br />

Politik� in Frankfurt/Main; seit 1956<br />

hatte er die �redaktionelle Betreuung�<br />

(Rothe, A., E-Mail vom 9.1.2010) der<br />

Schriften Bergstraessers und s<strong><strong>eine</strong>r</strong><br />

Mitarbeiter am Insti<strong>tut</strong> übernommen.<br />

Ab 1959 hat er im �Insti<strong>tut</strong> für kulturpolitische<br />

Forschung� in Freiburg, geleitet<br />

von Bergstraesser, mitgearbeitet. 1964<br />

hat er zusammen mit Fritz Hodeige<br />

das Buch �Atlantische Begegnungen.<br />

Eine Freundesgabe für Arnold Bergstraesser�<br />

herausgegeben. In den<br />

sechziger Jahren hat er zudem das<br />

zweibändige Werk �Geschichte<br />

Deutschlands und die Deutschen� von<br />

Pierre Gaxotte übersetzt (1965 und<br />

1967). Rothe und s<strong>eine</strong> Frau sind<br />

1961 nach Freiburg umgezogen. Dort<br />

ist er am 12.5.1970 gestorben.<br />

2. Die Beziehung zwischen <strong>Adolf</strong><br />

<strong>Reichwein</strong> und Carl Rothe<br />

<strong>Reichwein</strong> und Rothe haben sich in<br />

den �frühen zwanziger Jahren� (LBD<br />

1999, S. 292 und 418 f.) kennen gelernt.<br />

Ein Berührungspunkt war sicherlich<br />

die Jugendbewegung, der beide<br />

angehört haben. Arnold Rothe, der<br />

Sohn Carl Rothes, hält es für möglich,<br />

dass sich beide schon 1923 bei der<br />

Jugendtagung in Dresden vom 30. Juli<br />

bis 5. August getroffen haben, da Rothe<br />

dort 1923/24 als kaufmännischer<br />

Angestellte tätig war (E-Mail vom<br />

9.1.2010). Wahrscheinlich kam es<br />

auch zu Begegnungen, während<br />

<strong>Reichwein</strong> in Jena als Erwachsenenbildner<br />

(ab 1923) und Rothe beim<br />

Deutschnationalen Handlungsgehilfen-

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