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Wenn einer eine Reise tut... - Adolf-Reichwein-Verein

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(so <strong>Reichwein</strong>) <strong>eine</strong> Stelle in Michigan<br />

erhielt, trennte er sich vor Mitte September<br />

(Tage vor dem 13. oder 16.<br />

9.) 65 von <strong>Reichwein</strong>. Dieser war nun<br />

gezwungen, sich <strong>eine</strong>n neuen Wagen<br />

in Detroit zu kaufen, und die weitere<br />

<strong>Reise</strong> allein durchzuführen. 66 Herrmanns<br />

Name wird in k<strong>eine</strong>m weiteren<br />

Brief erwähnt, nirgends, auch nicht bei<br />

der Planung in New York oder Washington<br />

und bei Besuchen, wird auf<br />

den kurzzeitigen Begleiter auch nur indirekt<br />

Bezug genommen.<br />

Die Daten der NG-Akten wie auch die<br />

privaten Briefe 67 zeigen, dass die <strong>Reise</strong><br />

sehr plötzlich zustande kam: im<br />

Brief an Wilfried Schüler (14.6.) wie in<br />

dem an Hermberg (ca. 18.6.) geht er<br />

von Planungen für Prerow aus, erst im<br />

Brief an die Mutter (1.7.26) heißt es:<br />

�die 14 Tage seit m<strong><strong>eine</strong>r</strong> Rückkehr<br />

[aus England] sind wieder sehr ereignisreich<br />

gewesen�. Die Formulierungen<br />

<strong>Reichwein</strong>s zur <strong>Reise</strong> sind eigenartig<br />

unbestimmt � der Mutter gegenüber<br />

ist es <strong>eine</strong> �Einladung�, bei der<br />

NG heißt es in passiver Konstruktion:<br />

�Durch <strong>eine</strong> günstige Kombination von<br />

Möglichkeiten ist die[se] Aufforderung<br />

an mich herangetreten�; beide Male<br />

wird der Name des Einladenden bzw.<br />

Auffordernden nicht genannt. Erst im<br />

Rechenschaftsbrief vom 19. September<br />

steht der Name � das war zwingend,<br />

weil die Trennung Herrmanns finanzielle<br />

Nachforderungen <strong>Reichwein</strong>s<br />

an die NG zur Folge hatte.<br />

Mir scheint das Vorhaben folgendermaßen<br />

zustande gekommen zu sein.<br />

65 Im Brief an Hada Schüler am 3.10. (Pallat<br />

Nr. 67) datiert <strong>Reichwein</strong> den Unfall auf den<br />

16. 9., zwei Tage vor den Jahrestag des<br />

Todes s<strong>eine</strong>s Sohnes. Im Brief an die NG<br />

(19.9. Anhang N Nr. III) nennt er als Unfalldatum<br />

�vor 6 Tagen�, also den 13.; der Brief<br />

ist flüchtig geschrieben, aber offiziell. Das<br />

Todesdatum ist für <strong>Reichwein</strong> prägend gewesen.<br />

Hat er 6 und 16 verwechselt?<br />

66 In der Reihenfolge der Orte, die <strong>Reichwein</strong><br />

im Brief an die NG vom 19.9. (Anhang<br />

I Nr. III) angibt, wird Detroit vor anderen<br />

Orten in Michigan genannt; dort hat er sich<br />

aber das Auto gekauft. Hatte also Herrmann<br />

bereits <strong>eine</strong> Stellung erhalten, bevor<br />

sie Orte in Michigan aufsuchten? Oder waren<br />

sie zusammen in anderen Orten Michigans<br />

gewesen und dann nach Detroit zurückgekehrt?<br />

67 Pallat Nr. 62-64.<br />

reichwein forum Nr. 15 Juni 2010<br />

30<br />

<strong>Reichwein</strong> hatte möglicherweise schon<br />

länger <strong>eine</strong> Forschungsreise nach<br />

Amerika vor. Dies legt ein Brief an<br />

Becker Ende April 1926 nahe, mit dem<br />

er vergeblich um <strong>eine</strong>n Besuch mit der<br />

Begründung bat �ich hätte gern Ihr<br />

Urteil über ein ziemlich weitreichendes<br />

Projekt gehabt, das sich wohl nur<br />

mündlich vortragen ließe.� 68 Ziemlich<br />

spät � in der zweiten Hälfte Juni � erfuhr<br />

er von der Planung Herrmanns für<br />

<strong>eine</strong> Durchquerung des Kontinents<br />

und der Möglichkeit, daran teilzunehmen.<br />

Wer Herrmann war, wann er ihn<br />

kennenlernte, ob evtl. sein Bruder Richard.<br />

der auch Agronom war, die Bekanntschaft<br />

vermittelte, war mir nicht<br />

möglich zu eruieren. 69 Da Herrmann<br />

von <strong>Reichwein</strong> nicht mehr genannt<br />

wird, handelte es sich offensichtlich<br />

um <strong>eine</strong> vorübergehende Zweckverbindung.<br />

Herrmann hatte die <strong>Reise</strong><br />

gründlich vorbereitet, indem er <strong>eine</strong><br />

spezielle Autoanfertigung von Ford für<br />

die Durchquerung der USA erstand; ob<br />

er den Pkw und die Schiffsreise I.<br />

Klasse aus eigener Tasche bezahlte<br />

oder ein Dritter, ist unbekannt; jedenfalls<br />

war der PKW sein eigenes Auto.<br />

<strong>Reichwein</strong> hat die Mitfahrgelegenheit �<br />

war sie wirklich �<strong>eine</strong> Aufforderung�<br />

oder kam sie auf Nachfrage zustande?<br />

� als einmalige Chance verstanden,<br />

die er aus <strong>eine</strong>m wissenschaftlichen<br />

und beruflichen Interesse wie in <strong><strong>eine</strong>r</strong><br />

schwierigen persönlichen Notlage �<br />

Tod des Sohnes, Scheidung � ergriff,<br />

vielleicht sogar im Bewusstsein der<br />

Unsicherheit, ob die <strong>Reise</strong> wirklich bis<br />

San Francisco gehen würde.<br />

<strong>Reichwein</strong> suchte Becker � wohl am<br />

30. Juni � auf, in Jena vielleicht damit<br />

begründend, er wolle ihn um <strong>eine</strong>n Zuschuss<br />

für das Volkshochschulheim<br />

bitten, 70 tatsächlich wegen der Finanzierung<br />

s<strong><strong>eine</strong>r</strong> Forschungsreise. 71 Er<br />

68 Der kurze handschriftliche Brief ist nicht<br />

datiert, er enthält aber den Vermerk der<br />

Ablehnung vom 22.4.26 (Nachlass Becker<br />

3425, wie Anm. 40).<br />

69 Die Töchter Richard <strong>Reichwein</strong>s haben<br />

k<strong>eine</strong> weiteren Kenntnisse aus der Studienzeit<br />

Richard <strong>Reichwein</strong>s (frdl. Auskunft Roland<br />

<strong>Reichwein</strong>s). Richard <strong>Reichwein</strong> hatte<br />

in Gießen studiert.<br />

70 Vgl. Anm. 39.<br />

71 Vgl. a. Anm. 53.<br />

unterstrich gegenüber der NG die Seriosität<br />

s<strong>eine</strong>s Vorhabens durch die<br />

Darstellung s<strong><strong>eine</strong>r</strong> wissenschaftlichen<br />

Planungen, den Hinweis auf s<strong>eine</strong><br />

�wissenschaftlichen� Arbeiten �China<br />

und Europa� (1923) sowie �Die Rohstoffe<br />

der Erde� (1924), auf die Anschauung<br />

aus �<strong>Reise</strong>n in die europäischen<br />

Länder �in den letzten Jahren�,<br />

auf das Gutachten Kesslers zur Habilitation<br />

und auf die � die tatsächlichen<br />

Umstände beschönigende � Darstellung<br />

der <strong>Reise</strong>route, der <strong>Reise</strong>zeit<br />

auch im Zusammenhang der klimatischen<br />

Verhältnisse 72 sowie das eigens<br />

angefertigte Auto.<br />

Die Trennung von Herrmann hatte für<br />

<strong>Reichwein</strong> gravierende Folgen. Von<br />

der Zusage der finanzierten <strong>Reise</strong> in<br />

<strong>eine</strong>m Spezialauto bis San Francisco<br />

blieb nichts übrig. Der Kauf des neuen<br />

Wagens strapazierte sein Budget über<br />

die Maßen. Er war zudem für den größeren<br />

zweiten und dritten Teil der <strong>Reise</strong><br />

allein, was er in s<strong>eine</strong>m persönlichen<br />

Brief an Schweinitz am 9. Dezember<br />

1926 beklagte: �Eine sehr<br />

wichtige Erfahrung habe ich gemacht:<br />

dass man eigentlich solche � oft recht<br />

abenteuerliche � <strong>Reise</strong> nicht allein<br />

machen sollte; ein guter Kamerad wäre<br />

oft recht von Nöten.� (Anhang I Nr.<br />

IV)<br />

Man wird wohl nicht fehlgehen, in der<br />

USA-<strong>Reise</strong> <strong>eine</strong> für <strong>Reichwein</strong> nicht<br />

untypische Waghalsigkeit zu sehen. 73<br />

Der 28jährige <strong>Reichwein</strong> ergriff die<br />

Chance, die darin lag, und hatte alles<br />

in allem ungeheuer Glück. Sechs Monate<br />

später als geplant � 26. Juni<br />

1927 74 statt 1. Dezember 1926 75 ��<br />

kehrte er nach Deutschland zurück,<br />

mit <strong>eine</strong>m fertigen Buch; er hatte ein-<br />

72 In den Briefen vom 19.9.26 und 9.12.26<br />

an die NG (Anhang I Nr. III, VI) und vom<br />

2.1.27 an Schmidt-Ott (Anhang I Nr. VII)<br />

nennt er die Wetterbedingungen überraschend<br />

schlecht, die Regenzeit in Mexiko<br />

war nicht eingeplant. Im Brief an die Freunde<br />

vom 23.10. (Pallat Nr. 68) drohen<br />

Schneestürme den Weg über die Pässe<br />

unbefahrbar zu machen.<br />

73 Ich halte es nicht für Zufall, dass er Bekker<br />

am 22.VII.1926 schrieb �womit ich die<br />

Sache nun wagen werde.� (Anhang I Nr. II).<br />

74 26.6.1926 Jena nach Amlung, wie Anm.<br />

38, S. 201.<br />

75 Pallat Nr. 69.

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