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Wenn einer eine Reise tut... - Adolf-Reichwein-Verein

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chen, die später durch <strong>eine</strong>n zweiten<br />

Teil über das gleiche Problem für die<br />

Südstaaten einschließlich Kalifornien<br />

ergänzt werden soll. Im allgem<strong>eine</strong>n<br />

muß ich sagen, daß recht wenig Zeit<br />

zum Verarbeiten des Gesehenen und<br />

Erfahrenen während der <strong>Reise</strong> selbst<br />

gegeben ist; die vorüberstreifenden<br />

Dinge nehmen die ganze Aufmerksamkeit<br />

in Anspruch. Ich erhoffe sehr<br />

etwas Muße nach m<strong><strong>eine</strong>r</strong> Rückkehr,<br />

um das Material zu sichten und in entsprechende<br />

Form zu bringen.�<br />

Wir fahren gerade die Aleuten entlang,<br />

deren schneeige Häupter gen Norden<br />

schimmern. Der nördliche Pazifik ist<br />

ein recht stürmischer Geselle in dieser<br />

Jahreszeit.<br />

Mit verbindlichen Grüßen Ihr stets ergebener<br />

<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />

Nächste Postadresse: c/o German<br />

Consulate General San Francisco<br />

(Cal) US<br />

Nr. VIII<br />

[ohne Briefkopf] Tacoma / 12. März<br />

1927<br />

Sehr geehrter Herr von Schweinitz!<br />

Wie ich aus Briefen, die mir kürzlich<br />

aus Jena zugegangen sind, entnehme,<br />

sind in <strong>eine</strong>m Teil der deutschen Presse<br />

Tatarennachrichten über mich verbreitet<br />

worden, die zum größten Teil<br />

direkte Falschmeldungen sind. Ich<br />

kann leider aus den Andeutungen, die<br />

ich besitze, nicht entnehmen, ob diese<br />

Nachrichten tatsächlich verbreitet sind<br />

oder nur lokal bekannt wurden. So bin<br />

ich auch im unklaren, ob Ihnen bis jetzt<br />

überhaupt etwas davon bekannt wurde.<br />

Auf jeden Fall möchte ich aber, um<br />

Missverständnissen vorzubeugen, jetzt<br />

schon darauf hinweisen, daß ich am<br />

Zustandekommen solcher Meldungen<br />

unbeteiligt bin und auch k<strong>eine</strong>n Anlaß<br />

dazu gegeben habe. 181<br />

Der einzige Fall, den ich selbst konkret<br />

übersehen kann, ist <strong>eine</strong> Meldung der<br />

�Leipziger Neuesten Nachrichten�� �<br />

die ich übrigens auch nicht im Wortlaut<br />

kenne � daß ein Prof.(!) <strong>Reichwein</strong> aus<br />

Jena in Seattle bestohlen worden sei.<br />

181 v. Schweinitz antwortet am 7.4.27, ihm<br />

sei nichts bekannt geworden (BArch, wie<br />

Anm. 50).<br />

reichwein forum Nr. 15 Juni 2010<br />

45<br />

Der Nachricht liegt insofern <strong>eine</strong> Tatsache<br />

zugrunde, als ich tatsächlich<br />

bestohlen worden bin und dies natürlich<br />

dem zuständigen Polizeiamt gemeldet<br />

habe. Ich gab klipp und klar an:<br />

Dr. R. aus Jena in Deutschland, nur<br />

auf die Frage, zu welchem Zweck ich<br />

reise, zum Studium der wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse des Landes, da ich<br />

Nationalökonom sei. Nun kennen Sie<br />

gewiß die Sensationssucht der amerikanischen<br />

Zeitungen; also wie üblich,<br />

sieht sich so ein Redakteur die Polizeiberichte<br />

an und der Fall kam ihm<br />

gerade recht. Mittags war die Phantasiemeldung,<br />

von der ich selbst erst<br />

später erfuhr, gedruckt, dass ein Prof.<br />

d. Nationalökonomie aus Jena in<br />

Deutschland umso- und soviel Geld<br />

bestohlen worden sei. Auf dem üblichen<br />

Weg, so konstruiere ich, kam<br />

dann wohl diese Notiz in die Hände<br />

der �Leipziger Neuesten Nachrichten�.<br />

Da ich weiß, daß wir in Deutschland<br />

solche Zeitungsattacken ernster nehmen<br />

als hierzulande üblich ist, gebe<br />

ich dieß[?] vorsichtshalber der Notgemeinschaft<br />

zur Kenntnis. Aber vielleicht<br />

ist es nicht einmal notwendig<br />

gewesen. <strong>Wenn</strong> notwendig, können<br />

wir Anfang Mai darauf zurückkommen,<br />

zu welcher Zeit ich in Deutschland zu<br />

sein gedenke. <strong>Wenn</strong> Sie mir ein paar<br />

kurze informierende Zeilen dazu geben<br />

könnten, wäre ich Ihnen sehr<br />

dankbar. M<strong>eine</strong> Adresse ist: Tonila,<br />

Jal., Mexico, en la casa del Sr Baumbach.<br />

Gegenwärtig bin ich vor der Vollendung<br />

<strong>eine</strong>s Buches, das ich während<br />

der <strong>Reise</strong> niedergeschrieben habe,<br />

und in dem bereits die Eindrücke m<strong><strong>eine</strong>r</strong><br />

jetzigen <strong>Reise</strong> und einiges gesammelte<br />

Material � wenn auch nur<br />

sehr zum Teil � verwertet sind. Titel:<br />

�Rohstoffwirtschaft des Erdraums.� Es<br />

ist umfangreicher geworden, wie[!] ich<br />

ursprünglich dachte, so daß ich ein<br />

wenig Sorge habe, ob Dr Gustav Fischer<br />

es drucken kann; denn ein früherer<br />

Vertrag, den wir abgeschlossen<br />

haben, betraf <strong>eine</strong> noch konzentrierte<br />

Form. Aber ich hoffe sehr und glaube<br />

auch zuletzt, dass dies kein Hindernis<br />

sein wird!<br />

Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr<br />

ergebener <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />

Nr. IX 182<br />

Randnotiz in Paquets[?] Schrift: 1. VII.<br />

27<br />

Zwischen Veracruz und Tampico, 25.<br />

Mai 1927<br />

Lieber Herr Paquet/ ich bin auf der<br />

Heimreise, ein reiches <strong>Reise</strong>jahr geht<br />

zu Ende. Die Staaten, Alaska, Japan,<br />

China, die Philippinen und zuletzt Mexiko<br />

liegen hinter mir. Hinter mir?<br />

Stimmt nicht. Manches ist mir aufgegangen;<br />

unendlich viele tägliche Einzelerfahrungen<br />

verdichten sich jetzt zu<br />

Bildern. Ich schreibe dies auf <strong>eine</strong>m<br />

kl<strong>eine</strong>n Frachtdampfer der HAPAG,<br />

den ich mir zur Heimreise ausgesucht,<br />

da ich das gewöhnliche Passagierdasein<br />

mit dreimaligem Umziehen täglich<br />

nicht liebe. Wir gehen jetzt nach Tampico,<br />

liegen dort 6 Tage um Zinkerz zu<br />

nehmen und fahren dann gerade<br />

durch bis Antwerpen, wo ich � voraussichtlich<br />

am 26. Juni � in den Zug<br />

überwechsele, um Zeit einzusparen.<br />

Der Aufenthalt in Tampico ist mir sehr<br />

angenehm � obwohl die Hitze brüten<br />

wird � da es schwer ist vom Land heranzukommen<br />

und mich die Ölgeschichte<br />

dort, die ja im nordamerikanisch-mexikanischen<br />

Spiel <strong>eine</strong> große<br />

Rolle einnimmt, interessiert. Ich hoffe<br />

dort <strong>eine</strong>n jüngeren deutschen Geologen<br />

zu treffen, Dr. von Bülow, der speziell<br />

die mexikanischen Ölvorkommen<br />

studiert, allerdings nur die bekannten,<br />

und das ist, nach m<strong>eine</strong>m Eindruck,<br />

der kl<strong><strong>eine</strong>r</strong>e Teil des vorhandenen. Ich<br />

hoffe während der Seereise endlich<br />

die �Rohstoffwirtschaft des Erdraums�<br />

im ersten Band zu Ende zu führen, sodaß<br />

ich nach der Rückkehr für weitere<br />

Auswertungen frei bin.<br />

Ich weiß nicht, ob ich Ihnen gelegentlich<br />

ein mal geschrieben habe, daß ich<br />

einige Monate im Dienst der U.S.<br />

Shipping Board stand und als Kadett,<br />

später als Junior Officer auf <strong>eine</strong>m<br />

21000 t-Dampfer den Pazifik bereiste,<br />

auf diese Weise habe ich <strong>eine</strong>n Teil<br />

182 Der Brief befindet sich im Besitz von<br />

Frau Henriette Klingmüller, Mannheim, der<br />

Tochter Paquets (Kopie im RA).

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