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Wenn einer eine Reise tut... - Adolf-Reichwein-Verein

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Ereignisse der Welt, in die wir geboren<br />

sind, in ihrer Bedeutung erkennen<br />

wollen, müssen wir diese Hingabe an<br />

die Dinge besitzen. An unsere Gefährten<br />

vor allem, Menschen und Tiere<br />

in ihrer tausendfältigen Gestalt.� Bezogen<br />

auf die Weltwirtschaft formulierte<br />

er daher �Es gibt <strong>eine</strong> �Logik der Dinge�,<br />

die sich nicht wegzaubern läßt.� 157<br />

Solche Sicht berührt sich mit marxistischen<br />

Überzeugungen, wonach ein<br />

Sozialist sein politisches Verhalten<br />

nicht an Wünschbarem, sondern an<br />

den realen Entwicklungen der Wirtschaft<br />

ausrichtet. Die Dingliebe, die<br />

Beobachtung der Weltwirtschaft, bestätigt<br />

<strong>Reichwein</strong>s sozialistischen<br />

Überzeugungen: die Logik der Dinge<br />

in der Weltwirtschaft ist die weltweite<br />

Planung der Wirtschaft. Er ist �ökonomischer<br />

Sozialist�, wie er sich 1930 in<br />

<strong>eine</strong>m Brief an Curtius bezeichnet. 158<br />

Bezeichnenderweise ist bei <strong>Reichwein</strong><br />

nirgends ein Hinweis auf Marktmöglichkeiten<br />

und deren Bedeutung vorzufinden.<br />

Für Deutschlands Aufgabe setzte er<br />

�an Stelle der imperialistischen Methoden<br />

die Parole genossenschaftlicher<br />

Zusammenarbeit� 159 und gibt ihm im<br />

Kampf um die Rohstoffversorgung <strong>eine</strong><br />

besondere Rolle: �An diesem<br />

Scheideweg der Geschichte warten<br />

s<strong><strong>eine</strong>r</strong> besten forschenden Kräfte Aufgaben,<br />

zu deren Lösung gerade in<br />

Deutschland entscheidende Worte gesagt<br />

werden können, zur rationellen<br />

Bewirtschaftung nämlich aller Rohstoffe.�<br />

Man geht wohl nicht fehl, in<br />

diesem letzten Satz zugleich <strong>Reichwein</strong>s<br />

Hoffnung auf s<strong>eine</strong> eigene wissenschaftlich-politische<br />

Rolle skizziert<br />

zu sehen.<br />

Das Werk fand Ende der 20er Jahre<br />

starke Beachtung und vielfach recht<br />

positive Rezensionen. 160 Auffällig ist<br />

die Tatsache, dass eher die einschlä-<br />

157<br />

<strong>Reichwein</strong>, Weltwirtschaft, wie Anm.<br />

133, S. 10.<br />

158<br />

In diesem Brief an Curtius (Pallat Nr.<br />

123) geht es ihm positiv um den �ökonomischen<br />

Kollektivismus�.<br />

159<br />

<strong>Reichwein</strong>, Rohstoffwirtschaft, wie Anm.<br />

37, S. VIIf., X f.<br />

160<br />

Amlung hat bisher 24 Rezensionen gefunden<br />

(s. die bevorstehende Werkausgabe<br />

<strong>Reichwein</strong>s Band 2).<br />

reichwein forum Nr. 15 Juni 2010<br />

38<br />

gige Verbandspresse sowie politische<br />

Zeitschriften (Europäische Revue, Geopolitik)<br />

sich interessierten; die Rezensionen<br />

der wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Organe waren stark geographisch<br />

orientiert. 161 Fragt man nach<br />

der weiterwirkenden Bedeutung von<br />

<strong>Reichwein</strong>s Werk, so <strong>tut</strong> man sich<br />

schwer. Rohstoffwirtschaft (engl. Ressource<br />

sector) wird nach der Systematik<br />

der ZBW (Deutsche Zentralbibliothek<br />

der Wirtschaftswissenschaften)<br />

für �Grundstoffindustrie, Rohstoffgewinnung,<br />

Rohstoffindustrie, Rohstoffverarbeitung��<br />

�benutzt� und �umfasst<br />

das Aufsuchen, die Gewinnung und<br />

Verarbeitung von Rohstoffen.� 162 Sie<br />

berührt viele Zweige der Wirtschaftswissenschaften,<br />

ist aber k<strong>eine</strong> eigenständige<br />

Unterdisziplin; sie wird von<br />

der ZBW als <strong><strong>eine</strong>r</strong> von 34 Wirtschafts-<br />

161<br />

Als solche sehe ich an: Jahrbücher für<br />

Nationalökonomie und Statistik (129. Band.<br />

III. Folge 74. Band 1928 II S. 921f. Rezensent<br />

Nationalökonom und Bevölkerungswissenschaftler<br />

Paul Mombert: �zum erstennmal<br />

<strong>eine</strong> solch umfassende Darstellung�),<br />

Weltwirtschaftliches Archiv (28.<br />

Band (1928 II S. 196-198, Rezensent Leiter<br />

der arbeitsmaktpolitischen Abteilung des<br />

ADGB Wladimir Woytinski: �<strong>eine</strong> wichtige<br />

Bereicherung der deutschen wirtschaftsgeographischen<br />

Literatur�), Schmollers<br />

Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung<br />

und Volkswirtschaft (55. Jg. I. Halbband<br />

1931 S. 187 Rezensent der Geograph<br />

Rühl).<br />

162<br />

Standard-Thesaurus Wirtschaft des<br />

ZBW (Deskriptoren)<br />

(http://zbw.eu/stw/versions/latest/about,<br />

19.02.2010). � In der Übersicht Wirtschaftswissenschaften<br />

der Universitätsbibliothek<br />

der Christian-Albrechts-Universität<br />

zu Kiel ist die Weltwirtschaft mit dem Untergebiet<br />

Rohstoffwirtschaft ein Teil der<br />

Volkswirtschaftslehre (www.ub.unikiel.de/fach/systematik/wir,<br />

4.1.2010): dort<br />

sucht man vergeblich nach <strong>eine</strong>m <strong>Reichwein</strong><br />

vergleichbaren Werk. � In Gablers<br />

Wirtschaftslexikon (15. A., Wiesbaden 2000<br />

S. 2663; ähnlich wenn auch kürzer 16. A.<br />

Wiesbaden 2004) wird Rohstoffwirtschaft<br />

definiert als �Beschreibung, Erklärung, Prognose<br />

und Gestaltung wirtschaftlicher Zusammenhänge<br />

und Entwicklungen auf dem<br />

Rohstoffsektor � Besonderheiten der Rohstoffwirtschaft<br />

resultieren aus den besonderen<br />

sich z. T. häufig ändernden Gegebenheiten<br />

der Rohstoffe.� Im Staatslexikon (4.<br />

Band, Herder Freiburg 1988, 7. A., Sp. 930-<br />

938) schreibt Axel Köhler über Rohstoffe (I<br />

Grundbegriffe II Weltvorräte und Produktion<br />

III Welthandel IV Rohstoffversorgung der<br />

Bundesrepublik Deutschland V Rohstoffpolitik),<br />

er kommt ohne den Ausdruck Rohstoffwirtschaft<br />

aus.<br />

sektoren unter �Rohstoffwirtschaft und<br />

Bergbau� geführt; sie hat mit �Regionalwirtschaft<br />

und Infrastruktur� ebenso<br />

wie mit �Umwelt- und Ressourcenökonomik�<br />

zu tun. Erich Obst, 163 der Rezensent<br />

in �Geopolitik� 1928, schrieb<br />

1959 das maßgebende Handbuch<br />

�Allgem<strong>eine</strong> Wirtschafts- und Verkehrsgeographie�,<br />

dessen zweiter Teil<br />

�Geographie der Weltwirtschaft�, dessen<br />

dritter Teil �Wirtschaftsräume und<br />

ihr Verkehr� lautet und wie <strong>eine</strong> Verarbeitung<br />

des Materials von <strong>Reichwein</strong><br />

vorkommt. 164 <strong>Wenn</strong> er im Literaturverzeichnis<br />

<strong>Reichwein</strong> nicht erwähnt, so<br />

hat dies sicherlich den einfachen<br />

Grund, dass <strong>Reichwein</strong>s Werk <strong>eine</strong><br />

Momentaufnahme darstellte, die notwendigerweise<br />

sehr schnell veraltete.<br />

Die Schwierigkeit, der Rohstoffwirtschaft<br />

in <strong>Reichwein</strong>s Sinne <strong>eine</strong>n wissenschaftlichen<br />

Ort zu geben, hat mit<br />

dem dargelegten Stellenwert in den<br />

Wirtschaftswissenschaften und der<br />

Geographie zu tun. Indem der Hallenser<br />

Professor für Geschichte und<br />

Staatsbürgerkunde <strong>Reichwein</strong> in<br />

Kürschners Gelehrtenkalender 1931<br />

als Kompetenzen �Wirtschaftsgeographie,<br />

Geopolitik, Wirtschaftspolitik�,<br />

nicht s<strong>eine</strong> Zuständigkeiten, angab, 165<br />

zeigte er die Position s<strong><strong>eine</strong>r</strong> Thematik<br />

in den Wissenschaften. Auf diesem<br />

Hintergrund ist die Bewerbung 1933<br />

um die Stelle �Géographie humaine et<br />

économique� in Istanbul folgerichtig. 166<br />

Die Verbindung zur Nationalökonomie<br />

ist schwach, die zur Geographie stärker,<br />

zur Politik allerdings sehr stark.<br />

<strong>Reichwein</strong> hatte sein Buch als Vorstufe<br />

s<strong><strong>eine</strong>r</strong> eigentlichen Intention aufgefasst,<br />

die Bewirtschaftung der Rohstoffe<br />

weltweit und planend vorzunehmen.<br />

Der heutige Ort solcher Überle-<br />

163 Vgl. Anm. 153.<br />

164 Das Insti<strong>tut</strong> für Geotechnik der TU Dresden<br />

gibt in s<strong>eine</strong>m Vorlesungsmaterial <strong>eine</strong><br />

Übersicht über die Fachdisziplinen der<br />

Geologischen Wissenschaften; dort gehören<br />

Bergbau und Rohstoffwirtschaft zur<br />

�Angewandten Geologie� (Internet-Seite<br />

www.tu-dresden.de/biw/geotechnik/geologie/studium/ein<br />

fgeol.htm, aktualisiert 4.3.2009). Vgl. a.<br />

Werner Gocht, Wirtschaftsgeologie und<br />

Rohstoffpolitik, 2. A. Berlin 1983.<br />

165 Wunder, Bedeutung, wie Anm. 34, S. 13.

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