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15./16. Juni 2013 / Nr. 24 NACHRICHT UND HINTERGRUND<br />
FÜR RELIGIONSFREIHEIT<br />
Mutig gegen den Extremismus<br />
Seinem Kommentar folgte eine Hetzkampagne: Doch Marian Offman hält stand<br />
MÜNCHEN – „Unerträglich: Der<br />
braune Sumpf“ war der Kommentar<br />
in unserer Ausgabe Nr. 22<br />
überschrieben. Marian Offman,<br />
CSU-Stadtrat in München und<br />
Vorstandsmitglied der Israelitischen<br />
Kultusgemeinde, wandte<br />
sich darin gegen Rechtspopulismus,<br />
Antisemitismus und Islam-<br />
Hass. Seitdem geht ein wahrer<br />
Hagel an beleidigenden und drohenden<br />
E-Mails auf ihn nieder. Im<br />
Interview nimmt er Stellung.<br />
Herr Offman, fühlen Sie sich angesichts<br />
des Hasses, der Ihnen entgegenschlägt,<br />
in München noch<br />
wohl?<br />
Natürlich fühle ich mich in München<br />
noch wohl. München ist meine<br />
Heimatstadt und München ist<br />
bunt. Es gibt hier mehr Menschen,<br />
die sich gegen den Rechtspopulismus<br />
wenden, als solche, die ihn<br />
vertreten. Die Hassmails, die ich<br />
erhalte, kommen ja aus allen Teilen<br />
Deutschlands, aus Österreich und<br />
sogar aus Fernost. Die Verfasser werden<br />
über die Internetseite von „Politically<br />
Incorrect“ unter der Angabe<br />
meiner E-Mail-Adresse animiert, an<br />
mich zu schreiben.<br />
Die E-Mails, die Sie bekommen,<br />
sollen Sie vor allem einschüchtern.<br />
Werden Sie auch körperlich bedroht?<br />
Bisher wurde ich einmal körperlich<br />
bedroht – und ich hoffe, es<br />
bleibt dabei. Alle Hassmails<br />
werden an die Polizei weitergeleitet.<br />
In Ihrem Kommentar<br />
kritisieren Sie die rechtspopulistische<br />
Anti-Islam-<br />
Partei „Die Freiheit“ um<br />
Michael Stürzenberger.<br />
Wo verläuft eigentlich<br />
die Trennlinie zwischen<br />
Rechts-Populismus und<br />
Rechts-Extremismus?<br />
Herr Stürzenberger<br />
selbst ist nicht<br />
rechtsextrem, aber<br />
sehr rechtspopulistisch.<br />
Rechtsextremisten<br />
vertreten<br />
die Ideologie der<br />
Nationalsozialisten,<br />
sie sind gewaltbereit,<br />
rassistisch<br />
und antisemitisch.<br />
„Die Freiheit“<br />
nimmt eine<br />
populäre Stimmung auf – die nachvollziehbare<br />
Angst vor dem Islam –<br />
und will mit Bürgerbegehren als Vorstufe<br />
zur Erlangung politischer Mandate<br />
Macht erlangen. Diese Partei<br />
ist nicht rechtsextrem, aber nahe an<br />
einer totalitären Ideologie. Sie versucht<br />
die Ausgrenzung einer Bevölkerungsgruppe<br />
wegen ihrer Zugehörigkeit<br />
zum Islam und artikuliert dies<br />
mit schlimmen Hetztiraden auf den<br />
Plätzen unserer Stadt. Sie verstößt<br />
damit gegen das Grundrecht der<br />
Religionsfreiheit. Sie versucht, Gegner<br />
mit Verunglimpfungen auf deren<br />
Internetseite und mit Hassmails<br />
einzuschüchtern. Im Gespräch mit<br />
Mitgliedern der Partei habe ich sehr<br />
ausländerfeindliche Parolen gehört.<br />
Möglicherweise gibt es auch Rechtsextreme<br />
in ihrem Umfeld.<br />
Sie sagen es selbst: Viele Menschen<br />
haben Angst vor einer Islamisierung<br />
Deutschlands. Wie<br />
kann man solchen Ängsten<br />
begegnen?<br />
Ich verstehe diese<br />
Angst sehr gut. Es vergeht<br />
kaum ein Tag, an<br />
dem nicht von mörderischen<br />
Gräueltaten<br />
von Islamisten oder<br />
Al-Qaida berichtet<br />
wird. Der Kampf der<br />
westlichen Demokratien<br />
dagegen<br />
muss<br />
Foto: SUV-Archiv<br />
unvermindert weitergehen! Aber die<br />
weit überwiegende Mehrheit der<br />
100 000 Muslime in München führen<br />
ein friedliches Leben, gehen ihrer<br />
Arbeit nach und praktizieren ihren<br />
Glauben mehr oder weniger wie<br />
Christen und Juden. Mir persönlich<br />
haben eine Vielzahl von Kontakten<br />
mit Menschen islamischen Glaubens<br />
Vorurteile und Ängste genommen.<br />
Etwas besorgniserregend ist<br />
die Einstellung von jüngeren Muslimen:<br />
Oftmals arbeitslos und ohne<br />
Perspektive, könnten sie in die Radikalität<br />
abgleiten. Da müssen wir<br />
mit geeigneten Programmen gegensteuern.<br />
In Ihrem Kommentar ist vom „Euro-Islam“<br />
die Rede, einem Islam auf<br />
Basis der freiheitlich-demokratischen<br />
Ordnung des Grundgesetzes.<br />
Kritiker behaupten, einen solchen<br />
Islam kann es nicht geben.<br />
Was meinen Sie?<br />
Der Euro-Islam<br />
wird bereits von<br />
Imam Benjamin<br />
Idriz im oberbayrischen<br />
Penzberg<br />
praktiziert. Dort<br />
gilt die vorbehaltlose<br />
Gleichstellung<br />
von Mann<br />
und Frau. Die Predigten<br />
werden auch<br />
in deutscher Sprache<br />
gehalten. Das Grundgesetz<br />
steht vor der<br />
Scharia und<br />
Was der Papst sagt<br />
Der Einsatz für Religionsfreiheit<br />
ist für Christen selbstverständlich.<br />
Auch Papst Franziskus hat sich<br />
gleich zu Beginn seines Pontifikats<br />
zur Freundschaft und zum Respekt<br />
zwischen den Religionen bekannt.<br />
Neben den Juden erwähnte er<br />
besonders die Muslime, „die den<br />
einen, lebendigen und barmherzigen<br />
Gott verehren”.<br />
die Grundwerte unserer Gesellschaft<br />
werden anerkannt. Zu Gottesdiensten<br />
und religiösen Festen werden<br />
auch Menschen anderen Glaubens<br />
eingeladen. Sie kommen gerne.<br />
Im Münchner Stadtrat sitzt auch<br />
ein Rechtsextremist, der bei seiner<br />
Vereidigung den Hitlergruß zeigte<br />
und dafür zu einer Geldstrafe verurteilt<br />
wurde. Wie geht man mit<br />
einem solchen Mitglied um?<br />
Für mich ist die Situation kaum<br />
erträglich. Seine Wortbeiträge kann<br />
man nicht als demokratische Willensäußerungen<br />
akzeptieren. Eine<br />
Debatte kann es deshalb nicht geben<br />
– und allein der Oberbürgermeister<br />
erwidert die oftmals unerträglichen<br />
Ausführungen des Rechtsradikalen.<br />
Ihre Gegner verweisen bei Auseinandersetzungen<br />
oft auf Ihren jüdischen<br />
Glauben. Vom „jüdischen<br />
Stadtrat“ ist da die Rede oder gar<br />
vom „jammernden Juden“. Das<br />
erinnert fatal an den Nationalsozialismus<br />
...<br />
Es ist ein Armutszeugnis, von<br />
meiner Religionszugehörigkeit ausgehend<br />
zu argumentieren!<br />
Andere hätten angesichts der Drohungen<br />
wohl schon aufgegeben. Sie<br />
nicht. Was motiviert Sie, weiter<br />
gegen Rechtspopulismus und Neonazis<br />
zu kämpfen?<br />
Ich bin auf unser Grundgesetz<br />
vereidigt und werde es weiter verteidigen<br />
und bewahren. Das ist auch<br />
mein Wählerauftrag. Und weil die<br />
Freiheit meiner Religion für mich<br />
wichtig ist, muss dies auch für die<br />
Freiheit anderer Religionen gelten.<br />
Ich habe immer noch einen kleinen<br />
Funken Hoffnung, dass Herr Stürzenberger<br />
umkehrt und aufhört, die<br />
Gesellschaft zu spalten.<br />
Interview: Thorsten Fels