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Augsburg

In Köln: Starker Auftritt für das Bistum

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FORTSETZUNGSROMAN 15./16. Juni 2013 / Nr. 24<br />

Schein eines Herdfeuers<br />

saßen zwei magere<br />

Gestalten und sahen 24Im<br />

den Ankömmlingen erwartungsvoll<br />

entgegen.<br />

„Was bringst du uns da, Vater?“<br />

fragte eine Frau mit zahnlosem<br />

Mund.<br />

„Diese Magd kennt die Kräuter<br />

und hat eine Salbe für deinen Mann,<br />

Gundula“, stellte der Mönch Ursula<br />

vor. Dann drehte er sich nach ihr<br />

um. „Komm, hier ist jemand, der<br />

deiner Hilfe bedarf.“ Er zog sie an<br />

sich vorbei und schubste sie in Richtung<br />

des Greises. Der sagte nichts,<br />

sondern entblößte seine Knie, über<br />

die er nur ein Sacktuch gebreitet<br />

hatte. Ursula sah die Schwellung der<br />

Gelenke, die gar nicht zu dem restlichen<br />

knochigen Bein passten. Sie<br />

griff in ihr Töpfchen und schmierte<br />

beide Knie ein. Als sie fertig war,<br />

zeigte ihr der alte Mann seine Ellenbogen<br />

und die Handgelenke. Er sagte<br />

keinen Ton, nur seine Augen<br />

glänzten dankbar. Als Ursula ihm<br />

auch noch die eine Schulter gesalbt<br />

hatte, schaute die Alte ihren Mann<br />

eindringlich an. Der nickte nur.<br />

Und der zahnlose Mund der Frau<br />

verbreiterte sich zu einer Art Grinsen.<br />

„Danke, danke, wie können wir<br />

dir das nur vergelten?“, murmelte<br />

sie.<br />

Bevor Ursula irgend etwas sagen<br />

konnte, zog der Mönch eine Tierhaut<br />

von einem Balken. „Wie wäre<br />

es mit dieser alten Haut?“<br />

„Ja, nimm sie“, sagte das alte Weib<br />

verwundert, „Wenn das alles ist, was<br />

ihr wollt. Wir haben eh nichts, was<br />

wir sonst anbieten könnten.“<br />

Ursula wusste nicht, was der<br />

Mönch mit der Haut wollte, aber sie<br />

wusste ebenso wenig, was sie sagen<br />

sollte. Der Mönch deutete ihr zu gehen.<br />

Sprach einen kurzen Segen über<br />

das alte Paar und folgte ihr ins Freie.<br />

Dort schüttelte er die Haut aus und<br />

legte sie Ursula um die Schultern.<br />

„Hier, das wird dich künftig auf dem<br />

Weg vor Regen schützen. Du bleibst<br />

trocken und kannst dich zur Not<br />

auch darunter verkriechen.“ Ursula<br />

staunte nicht schlecht. Der Mönch<br />

hatte über den Vormittag nach einer<br />

Möglichkeit gesucht, Ursula zu helfen,<br />

und sie bei den beiden Alten<br />

gefunden. Die Haut, die wohl von<br />

einer großen Ziege oder einer kleinen<br />

Kuh stammen mußte, war etwas<br />

steif, aber Ursula wusste, wenn sie<br />

sie ein paarmal eng aufwickelte und<br />

mit den Füßen diese Rolle walkte,<br />

würde sie wieder geschmeidiger werden.<br />

Eventuell würde auch etwas<br />

Fett helfen, was das Leder noch<br />

dichter gegen den Regen machen<br />

würde.<br />

Zurück in der Hütte des Geistlichen<br />

machte sie sich gleich ans<br />

Werk. Der Mönch schaute ihr kurz<br />

zu, nickte und ging dann wieder sei-<br />

In der Hütte des Mönchs<br />

kann Ursula ihr nasses<br />

Kleid trocknen und sich<br />

aufwärmen. Der Ordensmann<br />

rät ihr, am<br />

nächsten Tag nach Regensburg<br />

weiterzuwandern,<br />

um dort in einem<br />

der Klöster unterzukommen.<br />

Doch zuvor ist noch ihr<br />

heilkundliches Können gefragt.<br />

ner Wege. Die Arbeit mit dem Fell<br />

zog sich bis zur Dämmerung hin.<br />

Immer wieder rollte Ursula es von<br />

einer anderen Seite auf und verteilte<br />

mit der Hand Fett auf dem Leder,<br />

um anschließend wie ein Böcklein<br />

auf der Rolle herumzuspringen, sie<br />

zu verdrehen und erneut auszuschütteln.<br />

Zuletzt schnitt sie sich zwei Löcher,<br />

in die sie zwei Riemen, die sie<br />

aus dem unteren Ende trennte, einfädelte.<br />

So konnte sie sich den Umhang<br />

zubinden und brauchte ihn<br />

nicht festzuhalten. Stolz präsentierte<br />

sie ihrem Gastgeber das Ergebnis, als<br />

dieser in seinen Verschlag zurückkehrte.<br />

Ursula bereitete ihm einen<br />

Kräutersud, und gemeinsam aßen<br />

sie dazu den restlichen Brei. Dann<br />

führte sie der Mönch in den Stall.<br />

„Ich wecke dich beim Morgengrauen“,<br />

sagte er noch. „Du solltest<br />

früh aufbrechen. Gute Nacht.“<br />

„Gute Nacht“, sagte auch Ursula<br />

und suchte sich im Heu nahe bei einem<br />

Rind ihren Platz. Nun war sie<br />

schon den zweiten Tag weg vom<br />

Hof. Im Gegensatz zur letzten Nacht<br />

fühlte sie sich jetzt sicher und wohl.<br />

Sie überdachte den vergangenen<br />

Tag. Sie war dankbar und froh über<br />

das Verständnis des Mönches. An<br />

den nächsten Morgen denkend verdunkelte<br />

sich ihr Gemüt. So gut wie<br />

gerade jetzt würde sie es in nächster<br />

Zeit sicher nicht haben. „Regensburg“,<br />

flüsterte sie, und: „Donau.“<br />

Sie wickelte sich fester in ihre Decke<br />

und schlief ein.<br />

Auf dem Weg nach Regensburg<br />

5. September 1095<br />

Der nächste Morgen kam viel zu<br />

rasch. Sicher und warm gebettet<br />

hatte Ursula gut geschlafen und war<br />

Foto: akg-images/<br />

Erich Lessing<br />

noch fest dabei, als der Mönch sie –<br />

diesmal allerdings nicht mit einem<br />

Fußtritt – weckte. Sie rappelte sich<br />

auf, rieb sich die Augen und zog sich<br />

ein paar Grashalme aus den Haaren.<br />

Sie stand auf und folgte schnell dem<br />

Geistlichen in seinen Verschlag.<br />

Dort stand für sie schon eine Schale<br />

mit Brei bereit.<br />

Ursula begann dankbar zu löffeln,<br />

und der Mönch sah ihr zuerst<br />

schweigend zu. Ursula hatte noch<br />

nicht ganz aufgegessen, da räusperte<br />

sich ihr Gastgeber. „Wenn du aus<br />

dem Dorf kommst, folgst du einfach<br />

dem Weg. Du wirst etwas mehr als<br />

einen Tag brauchen, bis du an eine<br />

Gabelung gelangst. Halte dich<br />

rechts. Nach einem weiteren Tag<br />

wird der Weg breiter werden, und<br />

vielleicht triffst du dort dann auch<br />

Leute. Frag nach Regensburg, sie<br />

werden wahrscheinlich eh dorthin<br />

unterwegs sein. Aber Vorsicht. Sei<br />

nicht zu vertrauenswürdig. Viel Gesindel<br />

treibt sich in diesen Zeiten<br />

auf der Straße herum“, riet er ihr.<br />

„So, und nun spute dich, pack deinen<br />

Kram und geh.“<br />

Ursula nickte, wollte sich noch<br />

bedanken, doch der Mönch gab ihr<br />

mit einer Handbewegung zu verstehen,<br />

er wolle nichts dergleichen hören.<br />

Ursula war schon beinahe zur<br />

Tür heraus, da rief sie der Mönch<br />

noch einmal zurück. Er war aufgestanden<br />

und reichte ihr nun eine<br />

ganz gerade gewachsene Haselrute,<br />

die etwa doppelt so dick war wie ihr<br />

eigener Daumen. „Hier, mit einem<br />

Stock wandert sich’s besser. Zur Not<br />

kannst du dich auch damit verteidigen“,<br />

sprach er, machte noch das Segenszeichen<br />

über ihrem Haupt und<br />

entließ sie.<br />

Im Dorf war noch niemand vor<br />

den Häusern zu sehen. Ursula gelangte<br />

unbemerkt bis an den Rand<br />

und betrat von da an eine neue Welt.<br />

Die ersten Schritte kosteten sie noch<br />

Mut, doch das Zagen in ihr schwand<br />

mit jedem Schritt, den sie sich weiter<br />

von ihrem früheren Zuhause entfernte.<br />

Ihre Haut hatte sie zusammengeschlagen<br />

und über ihre Tasche<br />

gehängt. Der Morgen war neblig,<br />

aber es fiel kein Regen. Gut gerüstet,<br />

ausgeschlafen und gestärkt kam sie<br />

zügig voran. Der Weg war nicht zu<br />

verfehlen.<br />

In diese Richtung verließen wohl<br />

mehr Fuhrwerke das Dorf, und so<br />

war da eine deutliche Spur zwischen<br />

den Bäumen des Waldes hindurch.<br />

Ab und an hörte sie ein Rascheln eines<br />

auffliegenden Vogels im Gebüsch<br />

oder die sich entfernenden<br />

Hufschläge von Wild, sonst begegnete<br />

ihr aber nichts. Als die Sonne<br />

höher stieg, durchdrang sie den Nebel,<br />

und es wurde bald wärmer. Ursula<br />

merkte, wie ihr langsam wärmer<br />

und wärmer wurde und erste<br />

Schweißtropfen sich auf ihrer Stirn<br />

bildeten.<br />

„Ich muss mir meine Kräfte einteilen“,<br />

dachte sie bei sich selbst. „Es<br />

ist nicht nötig, so in Schweiß zu<br />

kommen.“ Sie beschloss, sich eine<br />

kleine Pause zu gewähren und dann<br />

gemächlicheren Schrittes weiterzuwandern.<br />

Als die Sonne ihren höchsten<br />

Stand bereits überschritten hatte,<br />

machte sie erneut Rast und gönnte<br />

sich etwas Brot und Käse. Sie überlegte,<br />

wie lange ihre schmalen Vorräte<br />

wohl noch reichen würden. Vielleicht<br />

könnte sie ein paar Pilze abseits<br />

des Weges finden. Doch sie hatte<br />

Angst, in der fremden Umgebung<br />

den Weg zu verlieren. Außerdem<br />

müsste sie schon bald beginnen, sich<br />

nach einem guten Platz für die<br />

Nacht umzusehen. Sie wollte dieses<br />

Mal nicht in die Dunkelheit geraten.<br />

Sie entschloss sich, den Weg nur<br />

soweit zu verlassen, dass sie ihn<br />

durch die Bäume hindurch noch erkennen<br />

konnte.<br />

So strich sie nun parallel zum<br />

Weg durch das Laub und suchte<br />

nach Pilzen. Als erstes fand sie jedoch<br />

vor allem Bucheckern. Sie<br />

kannte die Früchte der Waldbäume<br />

und wusste, dass sie voller Fett und<br />

nahrhaft waren wie Nüsse. Sie sammelte<br />

sich einen kleinen Vorrat davon,<br />

bis sie schließlich auf einen ersten<br />

Pilz stieß.<br />

Fortsetzung folgt<br />

DIE KREUZFAHRERIN<br />

Stefan Nowicki<br />

Gebunden, 384 S.<br />

Sankt Ulrich Verlag<br />

19,95 EUR

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