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15./16. Juni 2013 / Nr. 24 MAGAZIN<br />
FILM VERSETZT HEILAND IN DIE GEGENWART<br />
„Der Glaube lässt uns mutig sein“<br />
Ihr Jesus ist ein Revolutionär: Regisseurin Brigitte Maria Mayer im Exklusiv-Interview<br />
für viele Obdachlose keine Heimat<br />
gibt. Man muss der Herrschaft des<br />
Geldes etwas entgegenstellen, denn<br />
sonst entsteht eine ungeheure Leere,<br />
und das hält kein Mensch aus.<br />
Vor 2000 Jahren starb Jesus am<br />
Kreuz. Wie würden ihn die heutigen<br />
Machthaber kaltstellen?<br />
Ich sehe Jesus von Nazareth da<br />
sofort in einem nicht-öffentlichen,<br />
rechtsfreien Raum wie Guantanamo,<br />
Abu Ghraib oder in der Psychiatrie,<br />
der Willkür anderer ausgesetzt.<br />
Kritiker könnten einwenden, bei<br />
Ihrer politisch-sozialen Interpretation<br />
komme der religiöse Kern der<br />
christlichen Botschaft zu kurz ...<br />
Der Film stellt gerade den religiösen<br />
Kern der Botschaft heraus,<br />
mit Petrus und Magdalena in den<br />
Hauptrollen, die das Spannungsfeld<br />
zwischen göttlichem Zorn und<br />
christlicher Liebe ausloten. Auch ist<br />
mein Jesus nicht nur der Revolutionär,<br />
der er vor 2000 Jahren gewesen<br />
sein muss. Er ist vor allem Liebe und<br />
Hoffnung. Mit der Wut und mit<br />
dem Handeln kommen auch Trost,<br />
Heil und Gnade. Auch ist jede Revolution<br />
mit Glauben verbunden – und<br />
Glauben schafft Raum, gibt Kraft.<br />
Glaube gibt Hoffnung bis zur letzten<br />
Minute, ist Hilfe in größter Not. Es<br />
ist der Glaube an die Auferstehung,<br />
das Leben nach dem Tod, die uns<br />
mutig sein lässt.<br />
Wie wird wohl die<br />
katholische Kirche<br />
auf Ihren<br />
Film reagieren?<br />
Da bin ich<br />
auch gespannt.<br />
Gespannt allerdings<br />
bin ich vor<br />
allem auf die Reaktionen<br />
des Publikums.<br />
Ich mache<br />
den Film ja für<br />
uns alle. Mir ist<br />
wichtig, dass<br />
ich vor mir<br />
selbst verantworten<br />
kann, wie<br />
ich mich<br />
einer<br />
der größten Figuren der Menschheit<br />
nä here, eine Geschichte erzähle, die<br />
von Utopie, Liebe, Verrat, Hoffnung,<br />
Kraft und der Suche nach Wahrheit<br />
handelt und an deren Wirkungsanfang<br />
eben nicht<br />
das dogmatische<br />
„Gehet hin und<br />
verkündet“<br />
stand, sondern<br />
der<br />
Zweifel, das<br />
Bewusstsein<br />
der<br />
eige nen<br />
Begrenztheit<br />
und die<br />
Suche nach<br />
dem richtigen<br />
Leben.<br />
Die Kirche versucht derzeit mit der<br />
Neuevangelisierung, den Glauben<br />
in säkular gewordenen Gesellschaften<br />
wieder zu verankern. Kann Ihr<br />
Film Menschen zu Jesus führen, die<br />
auf der rein religiösen Schiene keinen<br />
Zugang zu ihm hätten?<br />
Ich möchte es anders beantworten.<br />
Wenn ich mich mit der Figur<br />
Jesus von Nazareth und seinen Jüngern<br />
beschäftige, fange ich automatisch<br />
an, mir Fragen zu stellen: in<br />
welcher Welt ich lebe und wie wir<br />
eigentlich leben wollen, und wie viel<br />
Kraft ich selber habe und wie ich sie<br />
einsetze. Ich fange an, die Welt mit<br />
den Augen des „Helden“ zu sehen,<br />
und halte Veränderung und Utopie,<br />
eine gerechtere Welt, für möglich.<br />
Als Regisseurin möchte ich die Gewalt<br />
und die Schönheit und die Poesie<br />
einer 2000 Jahre alten Geschichte<br />
für die Gegenwart erlebbar machen.<br />
Ihre Botschaften sollen ihre Wirkung<br />
weiter entfalten können und<br />
den Menschen Schutz vor dem Argen<br />
und Kraft für das Gute geben.<br />
Interview: Thorsten Fels<br />
Regisseurin Brigitte Maria Mayer.<br />
Foto: © Jo Neander<br />
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