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vgbe energy journal 7 (2022) - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat

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Wasserst<strong>of</strong>fbasierte Hybridlösungen<br />

tur über eine sog. Virtuelle Maschine<br />

(HeiVM) ansprechen. Durch die Parallelisierung<br />

der Entwicklungsprozesse, wird die<br />

Projektlaufzeit signifikant minimiert. Die<br />

Inbetriebnahme, sowie das Testen von alternativen<br />

Lösungsmöglichkeiten wird iterativ<br />

am Digitalen Zwilling optimiert und anschließend<br />

in die Realität überführt. Zur<br />

Kopplung und Zusammenführung aller virtuellen<br />

Teilmodelle werden flexible Schnittstellen<br />

bereitgestellt. Diese Schnittstellen<br />

bilden die Grundlage für die gesamte Systemarchitektur<br />

des Digitalen Hybridkraftwerkes<br />

(B i l d 5 ) und verknüpft die Teilzwillinge<br />

aus den Gebieten der elektrischen, thermischen<br />

und chemischen Prozesse, sowie<br />

des logischen Zwillings mit der Kopplung zu<br />

den Leitsystemen und der gesamtheitlichen<br />

Netzsimulation.<br />

Um das wasserst<strong>of</strong>fbasierte Hybridkraftwerk<br />

in Bezug auf die bestimmten Spezifikationen<br />

bestmöglich zu betreiben, werden<br />

Algorithmen und Modelle für ein Lastmanagementsystem<br />

entwickelt. Dieses soll der<br />

optimalen Abstimmung zwischen verfügbarer<br />

Erzeugung, aktuellem Verbrauch und<br />

den Ladezuständen der Speicher dienen.<br />

Ebenfalls bieten sich die unterschiedlichen<br />

Technologien sowie die räumliche Aufteilung<br />

der Lasten als Grundlage für agentenbasierte<br />

Optimierungs- bzw. Regelungskonzepte<br />

an. Dabei sollen einerseits die prognoseseitigen<br />

Einflüsse auf die Optimierungen,<br />

<strong>and</strong>ererseits der dezentrale Charakter mit<br />

den unterschiedlichen Zeitkonstanten mit<br />

Machine-Learning-Algorithmen weiterentwickelt<br />

werden.<br />

6 Die Hürden auf dem Weg<br />

zum Projekt<br />

Nachdem die grundsätzliche Funktionsweise<br />

einer hybriden Energiezentrale beschrieben<br />

und die Eckdaten eines solchen Projektes<br />

festgelegt worden sind, besteht die Notwendigkeit<br />

der Auswahl der zum Einsatz<br />

kommenden Technologien.<br />

Dabei gilt es eine Menge an Kriterien zu beachten:<br />

1 Technische Kriterien<br />

––<br />

Welche technischen Schnittstellendaten<br />

passen am besten zu der gewählten Anlagenauslegung?<br />

––<br />

Ist die Technik bereits betriebsbewährt<br />

oder ist die Technologie noch im Entwicklungsstadium?<br />

––<br />

Lässt sich die Technologie auf größere<br />

Maßstäbe skalieren?<br />

––<br />

Lässt sich die Technologie für spätere Ausbaustufen<br />

modular erweitern?<br />

––<br />

Welche späteren Weiterentwicklungen<br />

sind geplant?<br />

2 Lieferung und Betrieb<br />

––<br />

Kann die Technologie in vertretbarem<br />

Zeitrahmen geliefert werden?<br />

––<br />

In welchem Zeitrahmen sind Ersatzteillieferungen<br />

möglich?<br />

––<br />

Wie häufig und in welchem Umfang ist ein<br />

Service er<strong>for</strong>derlich?<br />

––<br />

Welche Hilfsmedien sind für einen Betrieb<br />

er<strong>for</strong>derlich?<br />

3 Betriebswirtschaftliche Aspekte<br />

––<br />

Anschaffungskosten (KAPEX)<br />

––<br />

Baukosten, wie Fundamente und Stahlbau<br />

––<br />

Auswirkung auf das Genehmigungsverfahren,<br />

wie z.B. Explosionsschutz<br />

––<br />

Kosten und Kostenentwicklungsprognose<br />

der Bezugsmedien<br />

––<br />

Preise und Preisentwicklungsprognose<br />

von Abgabemedien<br />

––<br />

Vorhaltekosten für passive Zeiträume, wie<br />

Warmhaltung oder Kühlung<br />

Wirkungsgrade<br />

––<br />

In Frage kommende Förderprogramme<br />

(siehe auch folgende Absätze)<br />

––<br />

Bereitschaft der Lieferanten, sich an Förderprogrammen<br />

zu beteiligen<br />

––<br />

Investionskosten und Finanzierungsmodell<br />

––<br />

Betriebs- bzw. Betreibermodell<br />

Ein wesentlicher Aspekt bei der Auslegung<br />

einer Anlage ist die jeweilige Zielsetzung,<br />

die mit einer Anlage verbunden ist. Die hybride<br />

Anlage ist kein globaler Ersatz für alle<br />

Arten von Energieerzeugern.<br />

Die kommerzielle Nutzung geht sehr stark<br />

einher mit den jeweiligen Gegebenheiten.<br />

Dazu gehören Aspekte, wie die Nutzung von<br />

ohnehin vorh<strong>and</strong>enen Medien oder die Einspeisung<br />

von Medien in bestehende Systeme.<br />

Dabei ist nicht nur Strom und Wärme zu<br />

berücksichtigen, sondern auch Gase und<br />

flüssige Medien.<br />

Wer glaubt, dass eine Wasserst<strong>of</strong>f-Hybridanlage<br />

zur Erzeugung und Nutzung von grünem<br />

Wasserst<strong>of</strong>f per se eine lohnende Alternative<br />

zu herkömmlicher Technik darstellt,<br />

der irrt. Allein die Kosten für eine Erzeugung<br />

von Wasserst<strong>of</strong>f aus grünem Strom<br />

liegt noch immer bei einem ganzzahligen<br />

Vielfachen gegenüber der Erzeugung aus<br />

Erdgas oder <strong>and</strong>eren Energieträgern.<br />

Kommerziell interessant wird die Sache<br />

durch die sonstigen R<strong>and</strong>bedingungen, wie<br />

beispielsweise Bezugspreise von Überschussstrom,<br />

Nutzung von Abwärme der<br />

Elektrolyse, Nutzung des entstehenden Sauerst<strong>of</strong>fs<br />

bei der Elektrolyse, Nutzung des<br />

Wasserst<strong>of</strong>fs in nachgeschalteten Produktionsanlagen,<br />

usw.<br />

Diese Liste lässt sich noch beliebig erweitern.<br />

So kann beispielsweise eine Elektrolyseanlage<br />

dadurch interessant werden, dass<br />

ein Teil des erzeugten Wasserst<strong>of</strong>fs methanisiert<br />

(z.B. als Ersatz für Erdgas) oder ammonisiert<br />

(z.B. für die Herstellung von Düngemitteln)<br />

wird. Die betriebswirtschaftliche<br />

Bilanz wird dadurch erheblich zum positiven<br />

verschoben, wenn es entsprechende Abnahmen<br />

gibt. Eine Pauschallösung ist das<br />

aber nicht.<br />

In jüngster Zeit begünstigen die Entwicklungen<br />

in Zentraleuropa den Einsatz von Wasserst<strong>of</strong>f<br />

und hybriden Lösungen und die EU,<br />

die Bundesregierung und die L<strong>and</strong>esregierungen<br />

treffen entsprechende Vorkehrungen,<br />

diese Entwicklung mit Finanzspritzen<br />

zu unterstützen.<br />

Zum einen gut, denn das schafft Anreize, in<br />

dringend benötigte Konzepte und Technologien<br />

zu investieren. Zum <strong>and</strong>eren werden<br />

aber eben diese Förderungen in erster Linie<br />

auf die Entwicklung von neuen Technologien<br />

angewendet. Bereits bestehende Technik<br />

wird dabei häufig nicht berücksichtigt.<br />

Dies führt aber in letzter Instanz dazu, dass<br />

es eine Vielzahl an potenziellen Technologien<br />

gibt, die nach der grundsätzlichen Entwicklung<br />

nicht zu kommerziellen Maßstäben<br />

weiterentwickelt werden, da für Investoren<br />

die Anreize fehlen in eine nicht<br />

betriebsbewährte Technologie zu investieren.<br />

Eben diese Technologien sind aber ohne<br />

größere Umsetzungs- und Pilotprojekte<br />

nicht in der Lage, Betriebsbewährung zu erreichen.<br />

Entgegen der weitläufigen Meinungen ist<br />

die Technologie vielerorts bereits ausreichend<br />

entwickelt, um im großen Maßstab<br />

eingesetzt werden zu können. Sie scheitert<br />

aber an den Betriebs- oder Gestehungskosten<br />

gegenüber den günstigen fossilen Alternativen.<br />

Entsprechend schwierig ist der Vorteil<br />

solcher Projekte darzustellen, die nicht<br />

selten eine gehörige Portion Idealismus aller<br />

Beteiligter und von den Investoren er<strong>for</strong>dert.<br />

7 Die Umsetzung<br />

Die konsequente Modularisierung und das<br />

Zusammenspiel verschiedener Technologien<br />

und deren Regeltechnik bedingt ein tiefgreifendes<br />

Prozesswissen, welches in dem<br />

Projekt in individuelle Simulationsbibliotheken<br />

einfließt. Die bereitgestellten Simulationsmodule<br />

unterstützen eine technoökonomische<br />

Entwicklung, Umsetzung sowie<br />

Validierung des hybriden Kraftwerkes<br />

im virtuellen Raum. Das Modell ermöglich<br />

vor der Realisierung technische und wirtschaftliche<br />

Anpassung und schafft die Möglichkeit<br />

der Skalierung über Zeit und Investitionsmöglichkeiten.<br />

Bei unserem laufenden Musterprojekt haben<br />

wir frühzeitig auf eine modulare Projektstruktur,<br />

die Erweiterbarkeit der Anlage<br />

in Ausbaustufen und die Trennung von bewährter<br />

und Startup-Technologie geachtet.<br />

Die Anlage besteht aus einem großen, zusammenhängenden<br />

Areal das durch die innerkommunale<br />

Lage gut erschlossen und<br />

angebunden ist. Mit mehreren großen Hallenstrukturen<br />

und einem sehr stark schwankenden<br />

Lastverlauf (Grundlast / Spitzenlast<br />

1:10) ist die Anlage durchaus eine Heraus<strong>for</strong>derung<br />

für ein regeneratives Energiekonzept.<br />

Ein wesentlicher Aspekt war bei der Auslegung<br />

die Betrachtung der möglichst autar-<br />

52 | <strong>vgbe</strong> <strong>energy</strong> <strong>journal</strong> 7 · <strong>2022</strong>

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