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vgbe energy journal 7 (2022) - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat

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Wasserst<strong>of</strong>fbasierte Hybridlösungen<br />

ken Grundlastversorgung. In unserem Fall<br />

hat sich daher angeboten, die vorh<strong>and</strong>enen<br />

Flächen und Hallendächer möglichst sinnvoll<br />

für Photovoltaik-Anlagen zu nutzen und<br />

primär die so erzeugte Energie für die Eigenversorgung<br />

zu nutzen.<br />

Dabei stellten sich mehrere Fragen:<br />

––<br />

Woher kommt der Strom nachts?<br />

Woher kommt der Strom im Winter?<br />

Wie kann eine Sektorkopplung in das<br />

Wärmenetz insbesondere in der kalten<br />

Jahreszeit realisiert werden?<br />

Im Rahmen der Voruntersuchungen wurde<br />

schnell klar, dass eine Versorgung ausschließlich<br />

über Photovoltaik nicht ausreichend<br />

sein würde, um die Anlage ausschließlich<br />

aus dieser Quelle zu speisen. Wir<br />

haben demzufolge schon frühzeitig auf diversitäre<br />

Energieeingangsgrößen geachtet.<br />

Nur so kann sichergestellt werden, dass eine<br />

zeitliche und preisliche Abhängigkeit von<br />

Eingangsgrößen minimiert wird.<br />

Des Weiteren ist es unabdingbar, die zeitliche<br />

Entkopplung zwischen Erzeugung und<br />

Verbrauch durch zwischengeschaltete Speicher<br />

sicherzustellen. Stationäre Energiespeicher<br />

als Kurzzeitspeicher sind heute<br />

keine große Heraus<strong>for</strong>derung mehr, wenn<br />

man einmal von den An<strong>for</strong>derungen für<br />

Platz und Br<strong>and</strong>schutz absieht. Auch gibt es<br />

verschiedene Technologien neben den häufig<br />

eingesetzten Lithium-Ionen-Batterien,<br />

wie beispielsweise NaS (Natrium-Schwefel)<br />

und Redox-Flow, die je nach er<strong>for</strong>derlichem<br />

Last- und Speicherverhalten genutzt<br />

werden können. Wir haben uns in diesem<br />

Projekt auf Second-Life-Batterien festgelegt,<br />

die aus ökologischen Aspekten<br />

die derzeit sinnvollste Variante darstellen,<br />

ohne zusätzliche Ressourcen zu <strong>for</strong>dern.<br />

Die Batteriespeicher können in den Sommermonaten<br />

überschüssigen Strom aus der<br />

Photovoltaik aufnehmen und können zusätzlich<br />

günstigen Bezugsstrom aus Windund<br />

<strong>and</strong>eren Überschüssen aus dem Netz<br />

aufnehmen.<br />

Damit die Batteriespeicherkapazität nicht<br />

unendlich vergrößert werden muss, haben<br />

wir zusätzlich vorgesehen, Strom auch für<br />

eine modular erweiterbare Elektrolyse zur<br />

Erzeugung von Wasserst<strong>of</strong>f nutzen zu können.<br />

Das bietet gleich mehrere Vorteile:<br />

Der Wasserst<strong>of</strong>f kann in entsprechenden<br />

Druckspeichern zwischengespeichert werden.<br />

Die dabei eingesetzten Technologien<br />

werden stetig verbessert. Die Diffusionsverluste<br />

von Wasserst<strong>of</strong>f und die Schwächung<br />

der Behältermaterialien sind bereits in akzeptablen<br />

Grenzen angekommen. Zum einen<br />

lässt sich der Wasserst<strong>of</strong>f als Ergänzung zum<br />

Batteriespeicher bei Bedarf über Brennst<strong>of</strong>fzellen<br />

wieder rückverstromen, zum <strong>and</strong>eren<br />

kann der Wasserst<strong>of</strong>f auch für <strong>and</strong>ere Anwendungen<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

In unserem Fall haben wir Möglichkeiten<br />

zur LKW-Betankung beim Zulieferverkehr<br />

und zur werksinternen Vertankung für Gabelstapler<br />

und <strong>and</strong>ere Flurfahrzeuge eingeplant.<br />

Wenn sich der Wasserst<strong>of</strong>fmarkt entwickelt<br />

hat, kann bedarfsweise auch Wassers<strong>of</strong>f<br />

von externen Quellen bezogen und<br />

genutzt werden.<br />

Ein weiterer Aspekt der Wasserst<strong>of</strong>fnutzung<br />

ist die bei der Umw<strong>and</strong>lung in Wasserst<strong>of</strong>f<br />

und bei der Rückverstromung entstehende<br />

Abwärme, die wiederum in das eigene<br />

Wärmenetz eingekoppelt und dort über<br />

Warmwasserspeicher vorgehalten werden<br />

kann.<br />

Ein entsprechendes Energiemanagementsystem<br />

(EMS) ist zum einen in der Lage, den<br />

Ladezust<strong>and</strong> der Batteriespeicher dem direkten<br />

Verbrauch und der erzeugten Strommenge<br />

anzupassen, und kann zum <strong>and</strong>eren<br />

vorausschauend freie Kapazitäten in den<br />

Batteriespeichern schaffen, indem elektrische<br />

Ladung in Wasserst<strong>of</strong>f umgew<strong>and</strong>elt<br />

wird.<br />

Vor allem in den Wintermonaten ist mit einem<br />

wesentlichen Beitrag zur Stromgewinnung<br />

durch Photovoltaik nicht zu rechnen.<br />

Batteriespeicher über Monate in geladenem<br />

Zust<strong>and</strong> vorzuhalten ist wenig effektiv, zumal<br />

die meisten Batteriespeicher Materialalterung<br />

erfahren, wenn sie nicht regelmäßig<br />

be- und entladen werden.<br />

Wasserst<strong>of</strong>f langfristig in Druckspeichern zu<br />

lagern ist aufgrund der Materialalterung der<br />

Tankstrukturen und der Diffusion des Wasserst<strong>of</strong>fs<br />

keine brauchbare Lösung, sodass<br />

wir uns zusätzlich für eine chemische Bindung<br />

des Wasserst<strong>of</strong>fs zur Einlagerung entschieden<br />

haben.<br />

In unserem Fall haben wir uns für die<br />

LOHC(Liquid-Organic-Hydrogen-Carrier)-<br />

Technologie entschieden. Diese Technologie<br />

ist ausreichend betriebsbewährt und bietet<br />

Möglichkeiten im Umgang mit dem Wasserst<strong>of</strong>f,<br />

diesen, ähnlich der Einlagerung von<br />

Diesel-Kraftst<strong>of</strong>fen, zu beh<strong>and</strong>eln.<br />

Die Umw<strong>and</strong>lung von Wasserst<strong>of</strong>f in LOHC<br />

bietet, wie auch die Elektrolyse eine starke<br />

Wärmekomponente bei der Erzeugung, benötigt<br />

allerdings auch Wärme bei der Freisetzung<br />

des Wasserst<strong>of</strong>fs.<br />

In Ergänzung zu den beschriebenen Komponenten,<br />

ist auch immer eine Betrachtung der<br />

möglichen bestehenden Ressourcen sinnvoll.<br />

In diesem Fall hat sich herausgestellt, dass<br />

jedes Jahr eine Menge an Holzabfällen anfällt,<br />

die sinnvoll gesammelt und verfügbar<br />

gemacht, als thermische Abfallverwertung<br />

für eine ergänzende Wärmeerzeugung im<br />

Winter genutzt werden kann, ohne dass dafür<br />

zusätzliches Material beschafft werden<br />

müsste.<br />

Das Projekt befindet sich nun in der Startphase<br />

der Umsetzung. In einem ersten<br />

Schritt werden ein Teil der Photovoltaik und<br />

der Batteriespeicher realisiert, die sukzessive<br />

in mehreren Ausbaustufen erweitert werden.<br />

Dabei werden bereits die Schnittstellen<br />

für die Wasserst<strong>of</strong>fnutzung und die Entwicklung<br />

des EMS mit digitalem Zwilling<br />

umgesetzt.<br />

In einem weiteren Ausbauschritt wird dann<br />

die Elektrolyse und das Wasserst<strong>of</strong>fnetz implementiert,<br />

bevor im letzten Ausbauschritt<br />

die LOHC-Bevorratung umgesetzt werden<br />

soll.<br />

Ein spannendes Projekt für alle Beteiligten.<br />

Quellen:<br />

[1] Eigene Projektstudie. Die Studie wurde im<br />

Rahmen eines laufenden Projektes basierend<br />

auf Angaben und Datenblättern mehrerer<br />

Hersteller von Brennst<strong>of</strong>fzellen, sowie<br />

auf Basis von Gesprächen mit Hochschulen<br />

erstellt. Faktisch liegen die elektrischen Wirkungsgrade<br />

je nach Technologie und Hersteller<br />

zwischen 30 % und 60 %.<br />

[2] Theoretischer Wert unter Zugrundelegung<br />

von Erfahrungswerten aus Projekten mit Abwärmeausnutzung<br />

verschiedener Wärmequellen,<br />

sowie Abschätzungen der Hersteller<br />

im Rahmen der Projektstudie [1]. l<br />

<strong>vgbe</strong> <strong>energy</strong> <strong>journal</strong> 7 · <strong>2022</strong> | 53

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