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<strong>turrisbabel</strong> <strong>69</strong> März Marzo 2006 Bunker, Verschandelung, Tarnung und Klischees – Diplomarbeiten 1000+ / Tesi 1000+ 73<br />

Umgebung angepasst. Auch der in Mals abgerissene<br />

Bunker Opera 06 wurde während<br />

des Zweiten Weltkrieges als Bauernhaus<br />

getarnt. Hier erfolgte die Tarnung aber (wie<br />

auch am Atlantikwall) aus militärischen<br />

Gründen, d.h. der Bunker musste für den<br />

Feind unsichtbar gemacht werden und<br />

nicht wie in der Schweiz aus touristischen<br />

Gründen „verschönert“ werden.<br />

Und wie sieht nun zeitgemäße Tarnung aus?<br />

Auch heute werden aus touristischen Gründen<br />

so manche Gebäude „getarnt“. Dabei<br />

versucht man „Bunker“ zu tarnen, indem<br />

man regionale und sog. „traditionelle“ Baustile<br />

aufgreift, kopiert und aufs Grauenhafteste<br />

interpretiert. Diese „Tarnung“, bauliche<br />

Perversion und Kulissenarchitektur muss<br />

aufhören! Die legitime Liebe zu unserem<br />

Land muss anders interpretiert werden.<br />

Was hier gebaut wird, ist eine tiefe Beleidigung<br />

des traditionellen Bauernhauses und<br />

der echten Tradition. Das Tirolerhaus – das<br />

Zuhause des Tirolers, ist längst in aller Welt<br />

zum fragwürdigen Symbol geworden. Eine<br />

ursprünglich logische, den Bedürfnissen<br />

einer bäuerlichen Kultur entsprechende<br />

Wohnform ist zum Klischee verkommen.<br />

Alle gesellschaftlichen, ökonomischen und<br />

auch künstlerischen Parameter werden ausgeblendet<br />

und als sog. „Tradition“ verkauft<br />

und vermarktet. Und die Gesellschaft lässt<br />

sich blenden. Das Problem bei der Tarnung<br />

ist, dass man sich mit der Materie (in die-<br />

4 5<br />

sem Fall der Architektur) auskennen muss,<br />

um das Echte vom Unechten unterscheiden<br />

zu können. Jemand, der sich nicht unbedingt<br />

mit Kunst und Architektur befasst,<br />

erkennt Getarntes nicht immer als Verfälschung.<br />

Denn wir alle nehmen von klein<br />

auf die eigene gebaute Umwelt wahr. Diese<br />

ist dem Menschen Heimat, sie verkörpert<br />

die Kultur seines Landes, seines Volkes.<br />

Jede Veränderung macht ihm Angst und<br />

provoziert Unsicherheit. Ein Flachdach statt<br />

eines gewohnten Satteldaches mit Erker<br />

und Türmchen bringt ihn aus dem Gleichgewicht<br />

einer heilen Welt, das moderne Haus<br />

des Nachbarn stellt offenbar sein ganzes<br />

Leben in Frage. Das Neue, Unerwartete,<br />

Fremde in der Architektur ist ein Frontalangriff<br />

auf seine Identität; und diesen Angriff<br />

muss er natürlich abwehren, manchmal<br />

ganz banal mit dem Spruch: „Des passt<br />

decht nit do her zu ins!“. Ein Akzeptieren des<br />

Neuen, Anderen findet erst gar nicht statt,<br />

denn das geprägte Umfeld lässt das nicht zu.<br />

Warum erregen im Vergleich dazu die<br />

Mode, die moderne Technik, die Medien<br />

usw. – die ja ebenfalls ständig Neues produzieren<br />

– nicht in gleicher Weise öffentliche<br />

Ärgernisse und Widerstände?<br />

Aber ja, genau! Das Hotel = Wohnhaus =<br />

Stadel = Schule = Feuerwehrhalle = Industriebetrieb<br />

mit Türmchen, Erkerchen und<br />

sonstigen pseudotiroler Accessoires passt<br />

natürlich wunderbar in die Landschaft!<br />

„UND IN NOCHBOR UND DER GEMEINDE<br />

GFOLLTS AH UND DIE TOURISTEN SOU-<br />

WIESOU. WOS WILLSCH DENN MEAHR !“<br />

Ist das UNSERE Architektur? Also mir persönlich<br />

sind die nackten Bunker im Vinschgau<br />

lieber – und vor allem sind sie ehrlicher!

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