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unilex 1–2/2007 - ULV

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christian scholz / das bologna-Fiasko: bitte endlich hinschauen<br />

UNILEX <strong>1–2</strong>/<strong>2007</strong> 2<br />

„Aber ist bologna nicht verpflichtend?“<br />

Einer der wirklich interessanten Mythen betrifft die Frage,<br />

was an der „Bologna-Reform“ eigentlich verpflichtend ist.<br />

So gibt es zwar entsprechende Vorgaben, gleichzeitig wird<br />

aber klar gemacht, dass „nationale Eigenheiten“ weiterhin<br />

berücksichtigt werden können. Bezogen auf das Fachgebiet<br />

des Autors dieses Beitrages bedeutet dies, dass auch die Beibehaltung<br />

eines Diplomstudienganges mit dem Abschluss<br />

Diplom-Kaufmann Bologna-kompatibel sein kann.<br />

Spätestens hier greift eine fatale Rhetorik, durch die man<br />

kaum kritisch abwägend über Bologna (und vor allem seine<br />

völkerrechtliche Unverbindlichkeit) diskutieren kann. Jede<br />

Diskussion über Bologna führt sofort zu Vorwürfen wie „an<br />

die Gleise der Vergangenheit ketten“, „Besitzstandswahrung“,<br />

„europafeindlich“ und „unflexibel“. Denn schließlich sollten<br />

wir doch alle europaweite Mobilität, internationale Wettbewerbsfähigkeit,<br />

raschere sowie bessere Studiengänge und<br />

vieles andere wollen. Die Ziele sind durchaus richtig: Nur<br />

hat sich leider der „Bologna-Prozess“ als untaugliches Mittel<br />

zur Erreichung der Ziele herausgestellt.<br />

Irgendwie erstaunlich: In Europa gibt es viele Überlegungen<br />

und Beschlüsse, beispielsweise zum Umweltschutz, zum 3-<br />

Liter-Auto, zur Zerschlagung von konsumentenfeindlichen<br />

Monopolen, zur Hilfe für die Dritte Welt und zu vielen<br />

anderen Themen. Diese Ideen finden keine Verfechter/innen,<br />

werden kaum umgesetzt und landen auf der langen Bank, bis<br />

sie hinten ganz unauffällig hinunterfallen. Die Bologna-Idee<br />

dagegen hat bei Politikern/innen offenbar sofort offene Türen<br />

eingerannt und wird inzwischen noch intensiver umgesetzt,<br />

als sie am Anfang konzipiert gewesen war. Warum? Zum<br />

einen ist aus Sicht der Politik dieser Prozess relativ harmlos,<br />

tut außer Hochschullehrern/innen niemanden weh, hat etwas<br />

mit Europa zu tun und spart Geld. Zum anderen haben<br />

Studenten/innen – anders als die von anderen „Reformen“<br />

betroffenen Interessengruppen – in Deutschland und Österreich<br />

keine Lobby, die sie vor einer fatalen Verschlechterung<br />

der Studienbedingungen und ihrer Employability schützen.<br />

Aus diesem Grund ist zumindest in Nachhinein die faktische<br />

Unausweichlichkeit dieses „Bologna-Prozesses“ nachvollziehbar,<br />

trotz seiner offenkundigen Defizite und trotz<br />

seiner fatalen Wirkungen für Studierende, Unternehmen<br />

und Hochschulen.<br />

Wie wird sich die Qualität der Ausbildung<br />

verändern?<br />

Zentraler Anspruch der Bologna-Reform ist (neben einer<br />

Vereinheitlichung der Ausbildung in Europa) eine Verbesserung<br />

der Ausbildungsqualität. Das Zauberwort hier lautet<br />

„Berufsqualifizierung“, zu verstehen als die unmittelbar verwendbare<br />

Eignung von Absolventen, in Unternehmen eine<br />

wertschöpfende Tätigkeit aufzunehmen.<br />

Von besonderer Bedeutung ist die Zerteilung des Studiums<br />

in eine Bachelor(BA)-Phase und eine Master(MA)-Phase.<br />

Für alle diejenigen, die nur die dreijährige BA-Phase durchlaufen,<br />

wird sich zu einem Universitätsabschluss, der zuvor<br />

fünf Jahre gedauert hat, die Ausbildungsqualität zwangsläufig<br />

verschlechtern: Statt eine/n Architekt/in erhält man<br />

allenfalls eine/n spezialisierten Bauzeichner/in, statt einem/r<br />

Diplom-Kaufmann allenfalls eine/n Buchhalter/in.<br />

Dramatisch und in seiner Konsequenz noch überhaupt nicht<br />

durchdacht ist aber die MA-Phase. Hier soll es zweijährige<br />

Vertiefungen oder Ergänzungen geben. Auch wenn gegenwärtig<br />

manchmal noch von „eigenständiger Festlegung von<br />

Zulassungsbedingungen“ gesprochen wird, muss man davon<br />

ausgehen, dass die MA-Programme für alle Absolventen,<br />

die irgendeinen BA-Abschluss vorweisen können, geöffnet<br />

werden müssen. Dies bedeutet, dass in ein betriebswirtschaftliches<br />

MA-Programm Absolventen von BA-Programmen<br />

aus Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien<br />

und vielleicht sogar aus Lehrlingsausbildungen („BA-Professional“)<br />

aufgenommen werden (müssen), und zwar egal,<br />

ob sie ihren Bachelor in „Grundlagen der Biologie“ oder in<br />

„pazifischen Korallen“ gemacht haben. Denn: Gerade diese<br />

Querverbindungen von BA in der einen Richtung und MA<br />

in der anderen Richtung sollen durch Bologna gefördert<br />

werden.<br />

Das Ergebnis sind unausweichlich MA-Kurse auf Volkshochschulniveau.<br />

Statt einem integrierten 5-Jahres Programm wie<br />

bei der bewährten Diplomausbildung bekommen die Studierenden<br />

im günstigsten Fall eine Zufallskombination zweier<br />

Studienblöcke aus Einführungsveranstaltungen.<br />

Personalmanagement an der Uni<br />

saarbrücken als trauriges beispiel?<br />

Bezogen auf das Fachgebiet des Autors bedeutet dies, dass<br />

im „alten“ System die Studierenden vier bis fünf Jahre lang<br />

umfassend eine betriebswirtschaftliche Ausbildung bekamen.<br />

Dabei konnten sich die Studierenden Vertiefungsbereiche<br />

auswählen: Im Fach Personalmanagement in Saarbrücken<br />

wurden im ersten Semester Grundlagen der operativen Personalarbeit<br />

vermittelt. Danach lernten die Studierenden<br />

dann im Laufe des Studiums Gebiete wie Personalentwicklung,<br />

Organisationsentwicklung oder Personalstrategie<br />

kennen, konnten sich in Arbeitsrecht und Psychologie vertiefen,<br />

befassten sich mit Marketing und konnten dies auf<br />

Personalmarketing hin vertiefen, hatten über Seminar- und<br />

Diplomarbeiten Kontakt zu Unternehmen, konnten in internationalen<br />

Teams mit Kommilitonen/innen aus anderen<br />

Ländern via Internet zusammen arbeiten, verbrachten häufig<br />

ein Semester im Ausland, absolvierten zwei bis drei Praktika<br />

und trafen am Ende der Ausbildung „echte“ Personalvorstände<br />

von Top-Unternehmen.

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