unilex 1–2/2007 - ULV
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Gabriele Michalitsch / Privatisierung statt Gleichstellungspolitik – Neoliberale selbstregulation der Geschlechter<br />
UNILEX <strong>1–2</strong>/<strong>2007</strong> 2<br />
1.<br />
Privatisierung manifestiert sich als Rückbau des Staates<br />
durch Auslagerung öffentlicher Leistungserbringung an private<br />
Unternehmen und „Verschlankung“ der Verwaltung,<br />
die erhebliche Personalreduktion im öffentlichen Dienst implizieren.<br />
Damit gehen Arbeitsplätze in jenem Bereich verloren,<br />
der sich im Allgemeinen durch wesentlich geringere<br />
geschlechtsspezifische Einkommensdifferenzen als der privatwirtschaftliche<br />
Sektor auszeichnet (vgl. Statistik Austria<br />
2006: 229ff). Darüber hinaus werden damit Arbeitsplätze<br />
im Geltungsbereich gleichstellungspolitischer Programme<br />
– in Österreich des Bundesgleichbehandlungsgesetzes mit<br />
seiner Verpflichtung zu Frauenförderung – reduziert.<br />
Aber auch der Staat selbst wird zunehmend als Unternehmen<br />
definiert und entsprechend Marktprinzipien unterworfen.<br />
Gewinnorientierung und betriebswirtschaftliche Effizienz<br />
werden hierbei zu zentralen Kriterien staatlicher Aktivitäten<br />
und treten gegenüber anderen Zielen in den Vordergrund,<br />
während Ideale öffentlichen Managements mehr und mehr<br />
jene politischer Führung ablösen.<br />
2.<br />
Darüber hinaus geht Privatisierung mit Deregulierung des<br />
Arbeitsmarktes und Reduktion sozialer Sicherheit einher.<br />
Rücknahme staatlicher Intervention, Erweiterung unternehmerischer<br />
Handlungsspielräume, Abbau arbeits- und<br />
sozialrechtlicher Standards führten zu Erosion von Normalarbeitsverhältnissen<br />
und verstärkter geschlechtlicher Segregation<br />
(vgl. Schunter-Kleemann). Der Arbeitsmarkt zerfällt zunehmend<br />
in einen männlich dominierten Kernarbeitsmarkt<br />
und einen weiblichen „marginalisierten“ Arbeitsmarkt, in<br />
dem atypische Beschäftigungsverhältnisse wie Teilzeitarbeit,<br />
freie Dienstverträge, geringfügige und befristete Beschäftigung<br />
oder Scheinselbstständigkeit vorherrschen. So waren<br />
in Österreich 2006 bereits über 40 % aller erwerbstätigen<br />
Frauen, aber nur 6,5 % der erwerbstätigen Männer teilzeitbeschäftigt<br />
(Statistik Austria <strong>2007</strong>: 48).<br />
Hohe Arbeitsplatzunsicherheit, niedrige Löhne, fehlende<br />
Aufstiegschancen, schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnde<br />
soziale Sicherheit charakterisieren atypische Beschäftigung.<br />
In vielen Fällen ermöglicht sie keine unabhängige<br />
Existenzsicherung. Es kommt zu Feminisierung von Armut<br />
und sozialer Polarisierung, wie sie seit Jahren in Großbritannien,<br />
Kanada und den USA zu beobachten sind. So waren<br />
in Österreich zuletzt 12,3 % der Männer, aber 14 % der<br />
Frauen armutsgefährdet (BMSG 2004: 213). Die Armutsgefährdungsquote<br />
betrug selbst bei voller Erwerbstätigkeit<br />
6 %, bei teilweiser Erwerbstätigkeit 18 % (BMSG 2004:<br />
217). Ökonomische Geschlechterdisparitäten nehmen entsprechend<br />
zu – und werden vom Sozialsystem immer weniger<br />
abgeschwächt.<br />
Auf kontinuierlicher Freistellung von Versorgungsarbeit<br />
basierend, honoriert das österreichische Sozialsystem vor<br />
allem Dauer von Erwerbstätigkeit und Höhe des Erwerbseinkommens.<br />
Frauen stehen aufgrund der ihnen zugewiesenen<br />
Versorgungsarbeit im Gegensatz zu Männern dem Arbeitsmarkt<br />
jedoch nicht kontinuierlich und ausschließlich zur<br />
Verfügung, ihre Einkommen liegen arbeitszeitbereinigt bei<br />
etwa 80 % der Männereinkommen (BMSG 2004: 270f).<br />
Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt wird im Sozialsystem<br />
damit strukturell verfestigt (vgl. Rosenberger). Dies<br />
manifestiert sich etwa bei Pensionsleistungen, aber auch<br />
Arbeitslosenunterstützung oder Notstandshilfe. So betrug<br />
die durchschnittliche Neuzugangspension österreichischer<br />
Frauen zuletzt nur 57 % jener von Männern (Statistik Austria<br />
2006: 244). Von Ehe oder Lebensgemeinschaft abgeleitete<br />
Ansprüche und punktuelle Honorierung familiärer<br />
Versorgungsarbeit etwa durch Anrechnung von Kindererziehungszeiten<br />
reagieren wohl auf weibliche Lebenskontexte,<br />
schreiben diese zugleich jedoch fest, ohne deren Nachteile<br />
auszugleichen.<br />
In den letzten Jahren vorgenommene Leistungskürzungen<br />
durch Anhebung des Pensionsantrittsalters, Abschläge für<br />
Frühpensionen und Ausdehnung von Beitragszeiten verschärfen<br />
geschlechtsspezifische Differenzen und zwingen nicht zuletzt<br />
zu individueller Alterssicherung, um die Durchsetzung<br />
eines auf der Kombination von staatlicher, betrieblicher und<br />
privater Altersvorsorge beruhenden Drei-Säulen-Modells voranzutreiben.<br />
Infolge geringer Einkommen bleiben Möglichkeiten<br />
zu individueller Altersvorsorge für Frauen überaus<br />
begrenzt, zumal sie bei Privatversicherungen bis dato mit<br />
höheren Prämien als Männer rechnen mussten. Frauen profitieren<br />
folglich auch von seit dem Jahr 2000 bestehenden<br />
steuerlichen Begünstigungen privater Altersvorsorge kaum.<br />
Darüber hinaus beschränkt sich betriebliche Pensionsvorsorge<br />
vorrangig auf Vollzeitbeschäftigte im Kernarbeitsmarkt, in<br />
dem Frauen jedoch unterrepräsentiert sind.<br />
Aufgrund fehlender oder nur partieller Integration in das<br />
Sozialsystem verschärfen atypische Beschäftigungsformen geschlechtsspezifische<br />
Ungleichheiten auch im Bereich sozialer<br />
Sicherung. Sie lassen verstärkte Armut und soziale Ausgrenzung<br />
vor allem älterer Frauen erwarten. Schon jetzt gilt mehr<br />
als ein Viertel aller alleinstehenden österreichischen Pensionistinnen<br />
als armutsgefährdet (vgl. BMSG 2004: 220).<br />
.<br />
Privatisierung kennzeichnet schließlich Rücknahme oder<br />
mangelnden Ausbau öffentlichen Angebots an Dienstleistungen<br />
etwa im Pflege-, Kinderbetreuungs- oder Gesundheitsbereich.<br />
Einschränkungen öffentlicher Dienste – selbst<br />
zugunsten von Transferzahlungen – führen dazu, dass diese<br />
in weiterer Folge verstärkt über den Markt zugekauft oder